Erneut verliert die SGE gegen einen Gegner, der sich auf das Provozieren der SGE-Schwächen konzentriert. Ein analytischer Blick auf die Highlights und mögliche Lösungsmöglichkeiten.
Die Aufstellung
VfL: Riemann – Gamboa, Masovic, Ordets, Soares – Förster, Losilla, Osterhage (61. Stafylidis) – Zoller (72. Antwi-Adjei), Hofmann (81. Ganvoula), Holtmann (81. Osei-Tutu)
SGE: Trapp – Jakic (46. Chandler), Tuta, Ndicka, Pellegrini (78. Lenz) – Götze (61. Kamada), Sow (61. Rode), Ebimbe, Lindström (78. Alidou) – Alario, Borré
Die Statistik
Die Highlights
Die Spielanalyse
Von Beginn an war die Eintracht die technisch stärkere Mannschaft, spielte diesmal aus der Viererkette wieder etwas aggressiver nach vorn, presst früh gegen die Bochumer, die allerdings ebenfalls sehr aggressiv und mannorientiert spielten, dazu später mehr. Eine erste große Möglichkeit hatte die SGE bereits in der 7. Minute. Nach einer starken Schnellkombination über Lindström und Götze landete der Ball bei Alario:

Hier muss Alario natürlich abspielen, dann hätte Jakic sehr wahrscheinlich eine bessere Abschlussposition gehabt. Aber auch so war das eine gefährliche Schusschance.
Es gibt weitere interessante Situationen:
10. Minute: Lindström verpasst Pellegrini-Flanke nach überspieltem Bochumer Pressing knapp.
23. Minute: Alario scheitert nach starkem Tiefenpass von Jakic nach einem abgefangenen, langen Aufbauball frei vor Riemann.
In der 36. Minute nach einer Ecke von rechts und Lindström-Flanke verpasst Borré am langen Pfosten. (eintracht.tv ab 39:21)
Zwar überließen die Bochumer, ähnlich wie Wolfsburg oder Union Berlin der SGE meist die Aufbau-Initiative, sie spielten aber oft selbst mit Angriffspressing bis zu SGE-Torwart Trapp:

Diese Szenen waren oft zu sehen und die Bälle von Trapp sind oft ziemlich unbrauchbar im Sinne einer Angriffsfortsetzung über Positionsspiel und konnten von den Bochumern recht gut attackiert werden. Überhaupt stellt sich die Frage, ob Trapp jeden Ball, bei dem er vage angelaufen wird, „auf Sicherheit“ nach vorne blasen muss. Hier im Bild und in der Situation beispielsweise wäre eine Angriffsfortsetzung mit Flachpässen über Ndicka und Pellegrini gut möglich gewesen. Stattdessen landet der Ball dann bei einem Bochumer Abwehrspieler.
Es gab viele dieser Szenen, bei denen Schläge von Trapp ohne die ganz große Not gespielt wurden und bei den Bochumern landeten. Zudem unterliefen Trapp einige leichte Passfehler.
Womit wir bei der entscheidenden taktischen Einstellung wären, denn die Bochumer schafften es, fast über die gesamte Spielzeit, die SGE überall auf dem Platz anzupressen und zu schnellen, dann oft unkontrollierten Aktionen zu zwingen. Dieses Spiel ist sehr laufaufwändig, die Bochumer liefen im gesamten Spiel rund vier Kilometer mehr als die SGE.
Im Aufbau setzte der VfL oft auf lange Flugbälle von Torwart Riemann direkt auf die Stürmer außen oder in die Spitze.

Der Ball landet dann im Seitenaus, aber man sieht in diesem Bild doch ganz gut einerseits den etwas speziellen, breiten Dreier-Aufbau mit Torwart Riemann als zentrales Kettenglied, womit der VfL einen Pressing- bzw. Gegenpressing, bzw. Zweiten-Ball-Attacker vorne freibekommt. Eine nicht unwichtige taktische Eigenheit, da die Bochumer, ähnlich wie Union Berlin immer versuchten, durch schnelles Laufspiel Überzahl in Ballnähe herzustellen und da hilft es natürlich, wenn hinten im Dreieraufbau kein dritter Feldspieler gebunden ist. Mit dem langen Ball, auch das ist im Bild zu sehen, ist die SGE-Pressing-Abteilung (4-5, je nachdem wie sehr Sow hier in das Pressing-Manöver eingebunden ist) überspielt und die Defensiven müssen die auf Überzahlherstellung nachrückenden Bochumer verteidigen. Ein im Spiel häufig gesehener Ablauf.
Indem die Bochumer Positionsspiel von hinten nach vorne durch ihr lauf- und personalaufwändiges Pressing meist verhindern konnten, Trapp zu langen Schlägen zwangen, ihrerseits aber im Aufbau selbst hauptsächlich mit langen Bällen agierten, die praktisch nie ankamen, aber die SGE wieder in Ballbesitz brachten, der dann sofort wieder aggressiv und angepresst wurde, entstand ein wenig ansehnliches Spiel mit vielen weiten Schlägen, Zweikämpfen, Standards, Unterbrechungen – alles eher nicht im Sinne der SGE.
Soweit die erste Halbzeit.
Im zweiten Durchgang verstärken die Bochumer noch ihre Herangehensweise, attackieren im Mittelfeld praktisch jeden Ball teilweise mit großer Härte, jedenfalls sehr zweikampfintensiv, gewinnen dabei 55% aller Zweikämpfe und 60% aller Luftzweikämpfe. Das Ziel der Bochumer, das Spiel unentwegt in direkte Zweikämpfe zu zerlegen, lässt der SGE kaum Raum für Schnellkombinationen oder Konter. Das Hauptproblem bleibt aber, dass die Eintracht sich dieses Spiel aufdrängen lässt und selbst zunehmend mit langen Schlägen (nach wie vor oft Trapp) operiert. Die herunterkommenden Bälle werden dann von den körperlich starken, zweikampfstarken Masovic, Ordets, Förster, Losilla und Osterhage in harten Duellen attackiert, die die SGE zu selten gewinnen kann und so kommen die langen Bälle meist postwendend wieder zurückgeflogen.
So ist auch kaum eine Szene zu zeigen, in der die Eintracht einmal die Bochumer aktiv hätte ausspielen können. Die Abschlüsse entspringen mehr oder minder zufälligen Situationen, in der 55. Minute fällt so Götze der Ball nach einer Kopfballstafette vor den Fuß, so dass er aus 16 Metern recht frei abschließen kann (eintracht.tv ab 11:09). Ähnliches gilt für den Pfostenschuss von Borré in der 64. Minute, dem ein Einwurf und ein Gestocher im 16er vorausgeht, auch das ist alles andere als herausgespielt. (eintracht.tv ab 18:40)
In dem dadurch entstehenden, extrem zweikampfreichen Spiel praktisch ohne Positionsaufbau über das Mittelfeld fliegenden langen Bällen, das zeigt sich mit jeder weiteren Minute, sind die Bochumer der SGE mindestens ebenbürtig: Alario gewinnt kaum ein Kopfballduell, schafft es praktisch nie, den Ball festzumachen und die Flugbälle von dem ziemlich guten Fußballer Riemann sind deutlich besser als die unbrauchbaren Schläge von Trapp. Trotzdem tut sich der VfL enorm schwer, zu eigenen Abschlüssen zu kommen, die SGE-Viererkette arbeitet gut und mit wenigen Fehlern, wird aber auch nur selten geprüft.
Die Ecke, die dann zum 1:0 führt, ist in der Entstehung ziemlich typisch für das ganze Spiel. Vorausgegangen ist typischer Bochumer Spielaufbau:

Hier also kein Kettenfehler, stattdessen eine für das Spiel typische Situation: langer Ball, Kopfballduell, Ball im Aus. Das hier ist der Einwurf, der dann zu der Ecke führt:

Auch dass Losilla recht weit einwerfen kann, hätte man wissen können. Stattdessen gewinnt Hofmann das Kopfballduell gegen Ndicka, Tuta verliert Zoller in seinem Rücken etwas aus den Augen, kann dann aber vor ihm zur Ecke klären.

Das ist natürlich ein geplanter Move der Bochumer, den man gegen Teams, die Ecken in Manndeckung verteidigen, immer machen kann. Zwei bis drei Spieler bewegen sich Richtung kurzer Pfosten, dadurch entsteht dann am langen Pfosten etwas Freiraum wie hier und Tuta muss gegen den 10 Zentimeter größeren Hofmann in das Kopfballduell. Auch wenn der Größenunterschied hier vielleicht nicht entscheidend ist, weil Tuta die Flugkurve des Balls auch schlicht weniger genau einschätzt als Hofmann, ist eine solche Zuordnung mindestens unglücklich.
Nach dem 1:0 ändert sich am Spiel wenig, auf Seiten der SGE gelingt zu wenig, und wenn einmal ein guter Ansatz zu sehen ist, wird er durch Missverständnisse bzw. ausbleibende Laufwege zunichte gemacht, beispielhaft die Szene in der 76. Minute:

Zunächst einmal bleibt die Eintracht aber im Spiel, presst wieder etwas früher und hat nach einem gewonnenen Pressing bei einem der ganz wenigen flachen Aufbauversuche der Bochumer auch noch einen recht guten Abschluss durch Kamada in der 76. Minute.
Der beste Angriff des gesamten Spiels führt in der 80. Minute zu dem Abseitstor durch Kamada. Hier spielte die SGE die komplett stehende Bochumer Mannschaft über Positionsspiel, von hinten über Trapp, Tuta, Ebimbe, Chandler, Alidou und Lenz dann links. Das war eine tolle Positionsspielkombination mit Seitenwechsel im vorderen Drittel, leider auch ungefähr die einzige. (eintracht.tv ab 35:22).
Das 2:0 der Bochumer ist analytisch kaum interessant, es fällt nach einem Freistoß von der linken Seite. Förster knallt den Ball Richtung SGE-Tor, Trapp sieht da nicht sehr gut aus, spekuliert darauf, dass ein Bochumer den noch kriegen könnte. Spekulieren ist beim Torwartspiel aber meistens keine gute Idee.
Das dritte Tor ist zwar nicht mehr spielentscheidend, dennoch ein kurzer Blick darauf:

Ndicka schätzt die Flugkurve des vorangegangenen Einwurfs falsch ein und trifft dann auch eine falsche Zweikampfentscheidung.
Fazit
Leider ist die Entwicklung der Mannschaft hinsichtlich der Spielführung gegen extrem aggressive, defensiv geschickte Gegner nicht entscheidend weitergekommen. Die Bochumer pressten die SGE sehr mann- und zweikampforientiert auf dem ganzen Platz und zogen sich mit ihrer Viererkette tief zurück, sobald die Pressinglinie überspielt war. Im Aufbau spielten sie maximal risikoarm, heißt: Bevor sie einen Konter zulassen, soll die SGE den Ball hinten bekommen, weshalb dann alles nach vorne lang gespielt wird. Dabei übernimmt Torwart Riemann einen großen Teil dieser langen Aufbaubälle, die er ziemlich gut getimt spielt, daher haben die Bochumer gewissermaßen einen Spieler mehr für das Pressing.
Etwas bedenklich und fragwürdig seitens der SGE ist, dass sie sich über weite Strecken auf dieses Spiel einließ, vor allem Trapp (dessen lange Bälle viel schwächer kommen als die von Riemann) schlug viele Bälle uninspiriert Richtung Alario, der sich aber praktisch nie durchsetzen konnte.
Gegen einen derart zweikampfintensiven Gegner gibt es verschiedene Möglichkeiten: Entweder man verstärkt das Positionsspiel, etwa in einem 4-3-3, also mit drei für den Aufbau relevante Mittelfeldspieler, oder auch in einem Dreieraufbau von hinten und dann breitem Mittelfeld, etwa mit Hasebe oder einem anderen sicheren Passgeber in der Zentrale, oder mit einem abkippenden Sechser. In jedem Fall wäre es ratsam, das Spiel sehr breit anzulegen, damit die Wege für den Gegner, um in die Zweikämpfe zu kommen, (zu) groß werden. Dass nun in einem Spiel wie gegen den VfL, wo Hasebe vermutlich viele Aufbaubälle hätte spielen können und auch der Dreieraufbau hinten mehr Möglichkeiten für Positionsspiel aus der letzten Reihe gegeben hätte, dann 4-2 von hinten gespielt wird, ist nicht ganz nachvollziehbar, dieses System passt eher gegen Gegner, die viele Möglichkeiten zum Anpressen geben, wie etwa Leipzig oder auch Tottenham. Gegen den VfL ein Angriffspressing aufziehen zu wollen, ist nicht sehr sinnvoll, denn was will man anpressen, wenn der gegnerische Torwart jeden Ball lang Richtung Spitze spielt? Jedenfalls reichen Pressing, Konter und Spiel auf zweite Bälle gegen einen Gegner wie Bochum nicht aus, um genügend Torsituationen herauszuspielen.
Letztlich sind aber solche Systemfragen praktisch immer nachrangig. Wenn hinten Hasebe oder ein anderer zentraler Aufbauspieler steht und Trapp bläst jeden Ball über ihn drüber Richtung Alario, dann bringt das naturgemäß nicht viel. Auch hat die Viererkette defensiv gut funktioniert, hat im ganzen Spiel kaum einen Kettenfehler produziert, da arbeitet sie ohne zentralen Innenverteidiger ohnehin meistens fehlerfreier.
Auch das erneute Gegentor nach einer Ecke ist natürlich problematisch. In einem solchen Spiel, wo klar ist, dass ein Tor die Sache vermutlich entscheidet, muss auf Teufel komm raus jede Ecke verteidigt werden. Bei Luftunterlegenheit könnte etwa zur Not je ein Spieler an beide Pfosten gestellt werden (was allerdings etwas oldschool ist), dann fällt das 1:0 aber ziemlich sicher nicht.
Dennoch: Auch gegen Bochum war die SGE ziemlich eindeutig das technisch bessere Team und hätte mit den Chancen von Alario, Götze und Borré auch gut in Führung gehen können, dann wäre das Spiel sehr sicher anders verlaufen. Solche Spiele hängen oft am seidenen Faden, ein mannschaftlicher Rückschritt jedenfalls war nicht zu erkennen, eher passte das Spiel zum derzeitigen Entwicklungsstand, der noch nicht zuverlässig in solchen Spielen erfolgreich sein kann. Mit etwas Spielglück wie gegen Union klappt es gut, ohne selbiges wird es nach wie vor schwierig.
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Sehr gut. Ich fand die 4er Kette defensiv auch ok. Für den Aufbau wäre Hase in einer 5er Kette sicher hilfreich gewesen.
So waren es halt ein paar Standarts und vorne keine Effizienz und kein Mouani. Der hätte Trapps Zuspiele besser festgemacht. Wie immer danke für die super Analyse. Das hier bietet echten Mehrwert gegenüber der sonstigen Berichterstattung.
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