SGE – Borussia Dortmund 1:2 (1:1)

Neben dem wild diskutierten nicht gegebenen Elfmeter gab es in dem Spiel noch einige andere Knackpunkte. Die Analyse.

Die Aufstellung

SGE: Trapp – Ebimba, Tuta, Jakic, Ndicka, Pellegrini – Rode (72. Sow), Kamada – Lindström (77. Alario), Kolo Muani, Götze

BVB: Kobel – Hazard, Schlotterbeck, Hummels, Süle – Özcan, Bellingham – Malen (61. Reyna), Brandt (61. Can), Adeyemi (79. Wolf) – Moukoko (61. Modeste)

Die Statistik

gibt es hier und hier

Die Highlights

Quelle: Youtube

Die Spielanalyse

Natürlich stand das Spiel stark im Schatten der Ereignisse in der 42. Minute, als beim Stand von 1:1 Schiedsrichter Stegemann der SGE einen Strafstoß verweigerte, daher zunächst einmal zu dieser Szene, die Situation ist abseits aller Aufregung recht charakteristisch für das Spielgeschehen insgesamt, sie folgt nämlich einem Positionsspiel-Aufbauspiel der SGE aus der eigenen hinteren Reihe.

Eine Standardvariante des Aufbauspiels: Tuta-Pass nach ganz außen auf die Mittelfeld-Außenposition Ebimbe. Linksverteidiger Hazard läuft weit aus der Kette, hinter ihm öffnet sich der Raum. Den läuft Götze an, bekommt den Ball von Ebimbe one touch weitergespielt und geht sofort gegen den weit nach außen gerückten Schlotterbeck ins Tempo – 1 gg. 1.

Götze kommt zwar nicht endgültig an Schlotterbeck vorbei, dieser gewinnt den Zweikampf aber auch nicht sauber, so dass der nachsetzende Götze den Ball schließlich Richtung Kolo Muani bringen kann.

Hier ist der Ball noch auf dem Weg zu Kolo Muani und man sieht, dass die Box-Verteilung so sehr günstig nicht ist für die SGE, Kolo Muani kann das eigentlich nur alleine im 1gg. 1 lösen.

Kolo Muani legt sich dann den Ball vorbei an Hummels und schlenzt ihn über Kobel an den langen Pfosten, von wo er Lindström drei Meter vor der Torlinie vor die Füße fällt, weshalb er von Adeyemi nur noch durch Umrempeln am Einschießen gehindert werden kann (eintracht.tv ab 47:18). Das ist ein glasklarer Elfmeter und Notbremse, also Rote Karte, warum das Schiedsrichterteam das nicht pfeift, ist unerklärlich. Dadurch entgeht der SGE nicht nur ein Treffer und die Führung, sondern auch eine Überzahl in der zweiten Halbzeit.

Damit ist die Szene naturgemäß relevant für den weiteren Spielverlauf, allerdings ist sie nicht der einzige Knackpunkt des Spiels. Vielmehr traten bei den beiden Gegentoren teilweise bekannte SGE-Fehler auf, bei denen es inzwischen wirklich bedenklich ist, dass sie nach wie vor nicht hinreichend bearbeitet worden sind.

Insbesondere Tuta gerät dabei wieder in den Fokus. So sehr der Spieler im Spielaufbau stark ist und auch viele defensive Situationen adäquat lösen kann, so sehr ist sein regelmäßig falsches Anlaufen von Gegenspielern Quelle von Gegnerchancen und -toren und man muss sagen, dass dieses Fehlverhalten (wir werfen gleich einen Blick darauf), nicht nur zum wiederholten Mal die SGE Punkte kostet, sondern im Grunde ein derartiger, sich wiederholender Anfängerfehler ist, dass der Spieler auf die Dauer Probleme bekommen dürfte, auf Profiniveau zu spielen, wenn diese Fehler nicht abgestellt und bearbeitet werden. Diesmal war es so deutlich, dass sogar sky-Co-Kommentator Lothar Matthäus der Fehler nicht entging.

Ausgangspunkt des BVB-Angriffs war in dieser Sequenz ein abgefangener Angriff der SGE über links, an dem sich auch Ebimbe mit Aufrücken beteiligte. BVB-Mittelfeldspieler Özcan spielt daher einen langen Diagonalpass auf Malen linksaußen. Dieser startet sofort ins Tempodribbling Richtung Tuta.

Hier gut zu sehen, dass die Dortmunder mit dem langen Özcan-Pass ganz vorne zu einem 3 gg. 3 kommen, allerdings könnte Rode hinten eine Überzahl herstellen und Ebimbe könnte per Sprint versuchen, Tuta nach hinten zu doppeln. In jedem Fall muss Tuta hier zurückweichen, den Gegner auf der Außenbahn halten und selber unbedingt im Spiel bleiben.

Es darf wirklich alles passieren, nur Tuta darf sich nicht einfach aus der Szene verabschieden. In den Bewegtbildern sieht man, dass er ohne jede Chance auf einen Ballgewinn sich vor Malen hinlegt. (eintracht.tv ab 25:44)

Damit bekommen die Dortmunder eine Überzahlsituation geschenkt, die Malen und Brandt natürlich gemütlich zum Tor zu Ende spielen können.

Da Tuta sich selbst aus dem Spiel genommen hat, muss Jakic gegen Malen herausrücken und gut zu sehen hier, dass Ndicka nun 1 gg. 2 in der Zentrale steht, keine Chance mehr, das zu verteidigen. Brandt steht dann am langen Pfosten komplett frei und schießt ein.

Das zweite Tor der Dortmunder ist gut herausgespielt und nutzt einen systematischen Freiraum im SGE-Spiel.

Hier gut zu sehen, dass die Pressing-Abteilung der SGE auf den halblinken Innenverteidiger Schlotterbeck ausgerichtet ist und auf der anderen Seite hinter Götze ein relativ großer Freiraum entsteht, der nun per Diagonalpass Schlotterbeck und dem sehr breit stehenden Außenverteidiger Süle attackiert werden kann.

Solche Angriffe sind in die Pressing-Ablaufpläne eingepreist, hier muss nun die hintere Reihe zusammen mit den Sechsern arbeiten, aber das ist erstens nach wie vor der große Unsicherheitsfaktor im SGE-Spiel, also die Arbeit in der hinteren Reihe und zweitens sind solche Angriffe nach breitem Aufbau (also Seitenwechsel/ Diagonalaufbau über Flugbälle) der Gegner hier zuletzt häufig beobachtet worden.

Auch dieses fehlerhafte Verhalten in der Kette, das meist von den eingebauten Mittelfeldspielern ausgeht, wie hier von Jakic, wird inzwischen von jedem Gegner bewusst angesteuert, so auch von Dortmund: Zu weites aus der Kette Rücken, optimistisches Attackieren von Bällen, die nicht erreichbar sind, dadurch geht das Scheunentor hinter Jakic auf, Ndicka und Tuta stehen viel zu weit auseinander um ein Sicherungsdreieck bilden zu können.

Nächster Kettenfehler also, hier einer, den uns Ralf Peter im Kettenspezial gezeigt hat und der eine der Hauptfehlerquellen beim Kettenspiel ist. Jakic muss, wenn er so weit aus der Kette auf den Ball stürzt, diesen auch erreichen, sonst ist er aus dem Spiel und Bellingham kann hinter ihm im Grunde 1 gg. 0 aufs Tor laufen. Überhaupt darf ein Kettenmitglied nur dann so weit und aggressiv aus der Kette agieren, wenn er hinter sich mit engen Abständen gesichert ist, das ist hier ja aber auch nicht der Fall, weder Ndicka noch Tuta haben irgendeinen Zugriff auf Bellingham.

Tuta kann im weiteren Verlauf noch den direkten Einschussweg zustellen, aber Bellingham nutzt dann eben den zweiten freien Schussweg zum Tor.

Noch ein Blick auf das SGE-Tor und die Drangphase der Eintracht in der zweiten Halbzeit.

Das Tor entsprang einem Aufbauspiel der SGE und einem lang gespielten Ball von Tuta Richtung Götze, der von Hummels abgewehrt wurde, aber wieder bei der SGE landete.

Mit der Balleroberung geht Kolo Muani sofort ins Dribbling gegen Bellingham, kommt an ihm vorbei und legt den Ball rechts herüber auf den mitgelaufenen Kamada.

Daraus ergibt sich diese Situation:

Die BVB-Kette steht eigentlich gut, die einzige Option hier für Kamada ist ein sehr präziser Abschluss, was er dann auch perfekt umsetzt.

Aus SGE-Sicht eine starke Einzelleistung von Kolo Muani und Kamada, für die BVB-Kette ist das kaum zu verteidigen, wenn, dann hätte man besser auf Kolo Muani zugreifen müssen, allerdings ist der Ball, man sieht es in den Bewegtbildern auch ziemlich gut, haltbar, Kobel lässt den ins Tor gehen ohne zum Ball zu gehen. (eintracht.tv ab 31:50)

Die Eintracht produzierte im übrigen Spiel regelmäßig gute Abschlüsse, war den Dortmundern offensiv überlegen, vor allem Lindström und Kolo Muani waren in den 1 gg. 1 – Szenen kaum zu halten. Insbesondere in der Phase nach der 1:2-Führung drängte die Eintracht auf den Ausgleich und hatte viele Chancen. Hier zeigte sich auch die Variabilität der SGE-Offensive:

54. Minute

Lindström-Direktabnahme nach Pellegrini-Flanke von links nach Einwurf. (eintracht.tv ab 11:00)

57. Minute

Freier Kolo Muani – Abschluss nach Angriffspressing-Ballgewinn von Götze gegen den abkippenden Sechser Özcan (eintracht.tv ab 13:43), Kobel hält stark. Der Ball landet wieder bei Götze, der nach Doppelpass mit Lindström aus 7 Metern frei abschließen kann, aber Schlotterbeck blockt auf der Torlinie. Viel Glück für Dortmund.

62. Minute

Der beste SGE-Angriff (schnelles Positionsspiel) des Spiels führt zu einem weiteren freien Abschluss, diesmal von Kolo Muani fast vom Elfmeterpunkt, doch Kolo Muani trifft Kobels Bein (eine Parade ist das eigentlich nicht, Kobel wird angeschossen, kann gar nicht reagieren).

Hier der komplette Angriffsvortrag. Ein aus dem Positionsspiel heraus gespielter, tiefer Angriffsvortrag über die Halbbahn. Das ist mal wieder reif fürs Lehrbuch.

Zuvor wurde der komplette BVB-Defensivblock mit zwei Pässen nach rechts gelockt, damit dann die Halbbahn kurz offen ist und attackiert werden konnte. Ein sehr gut geplantes und durchgeführtes Manöver.

Um derart Tempo in die vordere Reihe zu bekommen, brauchen die meisten Bundesligisten Tempogegenstöße, die SGE spielt so etwas inzwischen zumindest gelegentlich aus dem eigenen Aufbau. Das ganze Manöver, auch das überragende anschließende Dribbling von Kolo Muani samt freiem Abschluss vom Elfmeterpunkt zum Genießen ab eintracht.tv 18:54.

Spätestens mit der Einwechslung von Wolf schaltet der BVB auf ein defensives 4-3-3, später sogar ein 4-4-2 (Reyna ergänzte die 3er-Kette nun häufig defensiv), situativ auch auf 5-3-2 bzw. 5-4-1 (Wolf ergänzte die BVB-Kette situativ zu einer Fünferkette) und konzentriert sich fortan aufs Verteidigen.

Hier eine Szene aus der 85. Minute. Gut zu sehen, das hier gestellte 4-4-2 mit dem aus der Kette startenden Hazard und dem Einschieben des gesamten BVB-Defensivblocks.

Gegen diesen massiven defensiven Block fiel es der SGE zunehmen schwer, weitere Abschlüsse zu erzielen, die Nachspielzeit wurde dann auch eher durch Scharmützel und Rudelbildungen vergeigt.

Fazit

Unser besonderes Interesse hier ist die Entwicklung des Teams und die Maßnahmen der Gegner gegen das SGE-Spiel.

Hinsichtlich der Entwicklung der Mannschaft ist festzustellen, dass es wenig Neues zu vermelden gibt: Pressing und Schnellkombinationsspiel bleiben auf höchstem Niveau, im Bereich Tempowechsel aus Positionsspiel bringt Glasner die Mannschaft zusehends auf ein ähnlich hohes Niveau.

Schwachpunkt bleibt das Verteidigen in der letzten Reihe. Sobald die hintere Reihe alleine arbeiten muss, wird es nach wie vor problematisch. Bei beiden Gegentoren nehmen sich Eintracht-Verteidiger mehr oder minder selbst aus dem Spiel und schenken den Dortmundern so Überzahlsituationen.

Auffällig ist, dass die regelmäßigen Fehlerquellen der SGE (Mittelfeldspieler in der IV-Zentrale, bestimmte 1 gg. 1 – Situationen von Tuta) zunehmend bewusst von den Gegnern attackiert werden, was aber auch nicht sehr überraschend ist und nur bekämpft werden kann, indem die Fehlerquote reduziert wird.

Dennoch war die SGE eine gute Stunde lang in vielen Belangen die bessere Mannschaft, danach ging etwas die Luft aus gegen einen Gegner, der sich im Mittelfeldpressing bzw. im eigenen Drittel verbarrikadierte. Dass die SGE gegen Dortmund aber überhaupt die bessere Mannschaft war, ist schon etwas überraschend und zeigt, auf welchem Niveau das Team inzwischen in vielen Belangen einzuordnen ist.

Die Aufregung um den nicht gegebenen Elfmeter und die ebenfalls ausgebliebene Rote Karte ist daher durchaus berechtigt. Mit Führung im Rücken und einem Mann mehr auf dem Platz wäre es für die Dortmunder praktisch unmöglich geworden, die Konterstärke der SGE bei eigenem Angriffszwang zu verteidigen.

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1 Kommentar

  1. Ein bisschen off topic, aber nur ein bisschen: Laut „wahrer Tabelle“ – zugegebenermaßen keine allzu seriöse Quelle – läge die SGE bei einigermaßen professioneller Schiedsrichterperformance auf Platz 1 der Bundesligatabelle. Kann also so falsch alles nicht sein, was Glasner der Mannschaft beibringt, wenn ein mitteilungsseliger Lehrer aus dem Sauerland twittert: „Herrlich dreckiger Sieg. Und gut zu sehen, dass beim #BVB inzwischen genug Drecksäcke (Bellingham ❤️) spielen, die sich zu wehren wissen.“ – indem sie zum Beispiel gelbe Karten fordern. Schlechte Gewinner.

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