Nach 16 Spieltagen ist die Eintracht hinter den Bayern Tabellenzweiter durch ein 3:0 gegen Schalke. Ein analytischer Spielbericht zum ersten Spiel 2023 und ein kleiner Blick in die Vergangenheit.
Die Aufstellungen
SGE: Trapp – Ebimbe (70. Buta), Jakic, Smolcic, Ndicka, Knauff (61. Lenz) – Kamada (81. Rode), Sow – Lindström, Kolo Muani (70. Borré), Götze – Trainer: Glasner
Schalke: Schwolow – Brunner, Yoshida, Matriciani, Uronen – Krauß, Latza – Kozuki (74. Karaman), Larsson (84. Frey), Bülter – Terodde – Trainer: Reis
Die Statistik
Die Highlights
Die Spielanalyse
Nach 30 Jahren steht die SGE an einem 16. Spieltag also wieder auf dem 2. Platz der Tabelle. Damals, am 5. 12. 1992 erreichte sie Platz zwei (auch damals hinter den Bayern) durch ein 2:0 beim 1. FC Kaiserslautern mit (umgerechnet auf die 3-Punkte-Regel) 31 Punkten. Torschützen in dem Spiel waren Uwe Rahn und Dietmar Roth, die Vorlagengeber Tony Yeboah und Axel Kruse, Trainer war Dragoslav Stepanovic (der im späteren Saisonverlauf entlassen und durch Horst Heese ersetzt wurde, dem dann ein Wechselfehler unterlief, als er gegen Bayer Uerdingen einen damals verbotenen vierten Ausländer einwechselte, die Älteren werden sich erinnern). Am Ende der Saison belegte die SGE Platz drei hinter Meister Werder Bremen und den Bayern, war aber nach kicker-Notendurchschnitt das beste Team der Liga, mit Uli Stein und Uwe Bein waren gleich zwei Eintracht-Spieler unter den Top-3 der am besten bewerteten Bundesliga-Spieler. Der Zuschauerschnitt der SGE in dieser Saison lag übrigens bei 24.159 (Platz 8 der Zuschauertabelle damals).
30 Jahre später sahen 50.000 Zuschauer im ausverkauften Waldstadion ein Spiel, das Glasner in der Pressekonferenz vor dem Spiel in seinem Setting ziemlich genau so antizipiert hatte, wie es dann auch eintrat und auch aus analytischer Sicht war das nicht sehr schwer vorherzusehen, da Schalke-Trainer Thomas Reis – der übrigens in nämlicher Saison 92/93 als 19jähriger Backup im linken Defensivbereich im SGE-Kader stand und auf drei Einsätze kam – es auch bei seiner vorherigen Trainerstation beim VfL Bochum verstanden hatte, seine Mannschaft gegen die Glasner-SGE effektiv arbeiten zu lassen. Der Schwerpunkt lag, wie Reis auch nach dem Spiel erklärte, darauf, die spielerischen Stärken der Eintracht zu unterbinden. Was in der ersten Halbzeit, aber auch im weiteren Verlauf des Spiels recht gut gelang.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Schalker nicht nur mit einem sehr mutigen, frühen und aggressiven Pressing arbeiteten (dazu gleich mehr), sondern auch, anders als viele andere Teams im Abstiegskampf, keine Angst vor eigenen, längeren Ballbesitz- und Aufbauphasen hatten. Das ist bemerkenswert, da das SGE-Spiel einen Schwerpunkt auf Konterspiel hat, was eben viele technisch unterlegene Gegner dazu bringt, den von der SGE angebotenen Ballbesitz hauptsächlich zu nutzen, um die Bälle in die Spitze zu schlagen, um eben nicht in Konter zu laufen. Nicht so die Schalker, die es immer wieder auch mit eigenem Flachpass-Aufbau versuchten und in der ersten Halbzeit auch 57% und im Gesamtspiel 56% Ballbesitzanteil erzielten. Und so schafften es die Schalker durchaus gelegentlich, dass SGE-Pressing zu überwinden. Wie hier:
Einen ähnlichen Angriff, der ebenfalls hätte gefährlich werden können, spielten die Schalker in der 27. Minute (eintracht.tv ab 31:39).
Die größte Schalker Chance des Spiels, der Kopfball von Terodde an den Pfosten in der 28. Minute (eintracht.tv ab 33:00) entsteht ebenfalls nach einem Aufbauball, allerdings einem langen Schlag von Schalke-TW Schwolow auf die eigene linke Offensivseite. Den herunterkommenden Ball kann die SGE nicht kontrollieren, er landet bei Larsson. Danach begeht Jakic einen Stellungsfehler:

Das ist natürlich ein krasser Stellungsfehler von Jakic, allerdings hatten er und Ebimbe auch die Positionen hier getauscht, das mag eine Erklärung sein, aber im Grunde darf das nicht passieren. Ebimbe könnte hier aus der Kette rücken, aber Jakic muss außen hinten den offensiven Gegner im Auge behalten und Ebimbe nach außen sichern.
Den folgenden Kopfball von Terodde kann Trapp an den Pfosten lenken.
Einen weiteren Stellungsfehler auf der 6er-Position, fehlende direkte Absicherung aus der letzten Reihe und einen Stellungsfehler von Ebimbe nutzen die Schalker bei einem Konter in der 54. Minute zu einem weiteren guten Abschluss. (eintracht.tv ab 08:51).
Glücklicherweise produzierten die Gäste aber gerade im vorderen Bereich zu viele technische Fehler oder waren im Abschluss zu unpräzise, sodass ihnen kein Treffer gelingen konnte.
So sehr aber das Schalker Spiel zu loben ist und so schwer sie der Eintracht das Leben auch gemacht haben mögen: Der Treffer zum 1:0 der SGE war stark herausgespielt, die Eintracht überwindet das Schalker Pressing mit einer tollen Kombination und entscheidenden Laufwegen von Kolo Muani und Lindström:
Damit wächst der Druck auf Schalke, noch mehr in die eigenen Ballbesitzzeiten zu investieren, die SGE kann hingegen ihr Pressing etwas tiefer, mit etwas weniger Risiko ansetzen. Insbesondere mit der späten Hereinnahme von Rode sinkt die Fehlerquote im defensiven Mittelfeldbereich etwas, Rode ist in diesen Situationen einfach stärker in der Antizipation als Kamada, das wurde hier schon oft gezeigt. Noch viel wichtiger ist Rode allerdings inzwischen als Spielmacher, so gingen beide Tiefenpässe, die zu den beiden späten Toren führten, von ihm aus.

Das war stark von Rode, Lindström und Borré durchgeführt, aber hier haben die Schalker auch taktisch zu schlecht gestanden, um die Eintracht noch irgendwie am Toreschießen zu hindern.
Überhaupt schafften es die Gäste in der Schlussphase nicht mehr, ihr kräfteraubendes Mann-gegen-Mann-Pressing aufrechtzuerhalten und mussten der SGE viele Räume anbieten, die diese dann insbesondere durch Rode mehrmals nutzen konnte, so auch in der 90. Minute beim 3:0:
Das Fazit
Auch wenn die Schalker tatsächlich eine starke Leistung zeigten, war der Erfolg der SGE letztlich verdient. So sehr Schalke-Trainer Reis es auch gelang, die SGE überall auf dem Platz in Zweikämpfen zu stellen und seine Mannschaft auch spielerisch alles versuchte, war der technische Unterschied der beiden Teams doch zu groß und der Eintracht reichte eine Leistung, in die sich regelmäßig Stellungs-, Ketten- und einige Konzentrationsmängel einschlichen, um das Spiel zu gewinnen. Gerade dass die Mannschaft sich inzwischen von aggressiv und gut organisiert auftretenden Mannschaften wie Schalke nicht mehr verunsichern lässt, ist neben den teilweise überhaupt erst im Verlauf dieser Saison regelmäßig aktivierten Elementen „Positionsspiel“ bzw. „Spielaufbau über die Reihen“ die wichtigste Weiterentwicklung des Teams in der laufenden Saison und beide Entwicklungen hängen ja auch unübersehbar zusammen. Dass die Schalker zu drei guten Chancen kamen, ist zwar nicht sonderlich bedenklich, alles kann man eben nicht verteidigen, aber der SGE unterlaufen nach wie vor zu viele, gelegentlich auch gravierende Stellungsfehler, einen davon (Jakic) haben wir oben gezeigt.
So legte Trainer Glasner nach dem Spiel den Fokus auf die starken Vorstellungen einiger seiner Einzelspieler, vollkommen zu Recht. Insbesondere Trapp, Lindström und die eingewechselten Rode und Borré zeigten überragende Leistungen.
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