Die Hertha war in der aktuellen Form kein echter Gegner für die SGE. In der zweiten Halbzeit schaltete die SGE einen Gang zurück, was beinahe ins Auge gegangen wäre. Eine Analyse anhand von vier Highlights.
Die Aufstellung
SGE: Trapp – Tuta, Hasebe, Ndicka – Buta, Kamada (69. Rode), Sow (90. Jakic), Max (70. Lenz) – Lindström (69. Borré), Kolo Muani (84. Alario), Götze
Hertha: Christensen – Kenny (46. Mittelstädt), Uremovic, Kempf, Plattenhardt – Serdar, Tousart (80. Boateng), Boetius (46. Cigerci) – Richter, Niederlechner (76. Scherhant), Lukebakio (46. Ngankam)
Die Statistik
Attack-Momentum:
weitere Statistiken hier, hier und hier
Die Highlights
Die Spielanalyse
Um zu erkennen, dass die SGE in fast allen, auch taktischen Belangen besser und besser automatisiert war als die Hertha, dazu brauchte es keine Analyse, daher hier diesmal ausschließlich ein Blick auf vier Highlights, nämlich die vier SGE-Tore und die größte Chance der Hertha.
Zunächst also zum 1:0.
Der SGE-Konter zum Tor wird nach einem Hertha-Ballverlust gefahren, der viel über den derzeitigen Zustand der Berliner verrät, denn eigentlich war das ein klarer Ballbesitz der Hertha nach einem Abschluss vorne. Die halbe Hertha-Mannschaft konzentriert sich darauf, nach einem angeblichen Handspiel von Hasebe (das keins war) Elfmeter zu fordern, statt nach dem abgewehrten Ball die offensiven Positionen wieder anzulaufen (eintracht.tv ab 25:05). So entsteht diese Situation:

Wenn man gegen die SGE derzeit etwas nicht tun sollte, dann in einer solchen Situation derartig unmotiviert den Ball zu verlieren. Denn wenn die SGE etwas kann, dann solche Situationen Richtung Tor aufzulösen.

Damit ist Buta aufgedreht, also mit Gesicht Richtung Gegnertor in vollem Tempo Richtung Hertha-Abwehrreihe unterwegs…

Dabei sind weder der Pass von Buta, noch die erste Ballannahme von Kolo Muani optimal (eintracht.tv ab 25:11) und man muss den Elfmeter vielleicht auch nicht unbedingt geben, aber dass die SGE derzeit ungefähr die stärkste Kontermannschaft der Liga ist, darf man wissen und dass es sehr schwer wird, sie in der hinteren Reihe mit Tempo zu verteidigen, ebenso. Was Boetius in der Situation (zweimal) veranstaltet, ist schlicht eine Einladung zum Toreschießen für die SGE. Buta, Lindström und Kolo Muani spielen die Situation dann schnell und vom Angriffsmuster her sauber, aber mit zwei kleineren technischen Fehlern aus.
Das zweite Tor der SGE war erneut begünstigt durch wildes Anlaufverhalten der Hertha (diesmal nimmt sich Lukebakio vorne selbst aus dem Spiel und ermöglicht so den ersten Initialpass von Tuta), aber wir wollen uns hier nicht allzu sehr den Kopf der Hertha zerbrechen und stattdessen einmal das Positionsspiel der SGE betrachten. Bei diesem Angriff lässt sich nämlich sehr gut ein Prinzip des Positionsspiel beobachten: Das gegenläufige Passen.
Häufig hört man von Passdreiecken. Diese sollen vor allem ermöglichen, dass Passkombinationen tief-quer-tief-… usw. gespielt werden können. Im Positionsspiel ist dieser Wechsel wichtig, da so die Laufwege der gegnerischen Verteidiger immerzu „gebrochen“ werden können, man den Verteidiger also gewissermaßen auf dem falschen Fuß erwischt, er seine Laufrichtung ändern muss, was immer Zeit kostet und damit der angreifenden Mannschaft Raum verschafft.
Dem 2:0 geht eine solche tief-quer-tief-Kombination voraus, die jedem besseren Lehrbuch entstammen könnte:

Solche Positionsspielfolgen gelingen nur absoluten Topmannschaften in der Bundesliga und wenn die SGE in diesem Bereich weiterhin derartige Fortschritte macht wie in dieser Saison, muss sie zu diesem Kreis gezählt werden.
Zu Tor Nr. 3:
Die Tor-Entstehung ist analytisch nicht sehr relevant, Buta versenkt aus der zweiten Reihe eine von der Hertha schwach abgewehrte Tuta-Flanke in der 93. Minute. Interessant ist allerdings die Leistung von Buta nicht nur in dieser Situation. Dazu gleich mehr im Fazit.
Zuvor aber noch ein kurzer Blick auf das Beinahe-Tor der Hertha.
Dem Tor geht ein Kettenfehler voraus. Max steht zu tief und hebt das Abseits auf:

Im weiteren Verlauf (ab eintracht.tv 17:28) sieht man dann noch einen völlig verwaisten Rückraum im SGE-Sechzehner (z.T hervorgerufen durch fehlende Box-Orientierung/Schulterblick, das wurde hier anhand der vergangenen Spiele bereits gezeigt und war in der Situation ja auch nicht spielentscheidend, aber das ist derzeit das größte Thema der SGE in der Defensive) und Tuta kann den Ball auf der Torlinie (durchaus mit etwas Glück) abwehren.
Das Fazit
Das Hertha-Spiel führte die SGE weitgehend souverän, ließ im Grunde nie einen Zweifel daran, die bessere Mannschaft zu sein, spielte ihre alte Stärke (Konter, beim 1:0) und ihre neue Stärke (Positionsspiel, beim 2:0) zweimal aus. Der XGoals – Wert von 2,24 : 0,92 entspricht dem Spielverlauf.
Besonders interessant ist derzeit die Personalie Buta. Der Spieler war an allen drei Toren entscheidend beteiligt, leitete die beiden ersten mit starkem Lauf- und Passtiming und großartiger Übersicht ein und erzielte das dritte selbst. Es lagen zwar bei den beiden ersten Toren auch krasse Anlauffehler seitens der Hertha vor, aber dass Buta das in seinen ersten Bundesligaspielen so stark, sicher und ruhig löst, ist schon sehr beeindruckend.
Schließlich noch der Spezial-Service für die Frankfurter Sportjournalisten-Hasebe-Fanboy-Bubble: Diesmal auch aus analytischer Sicht nichts zu meckern an Hasebes (allerdings auch kaum geforderten) Defensivspiel. Im Gegenteil: Hasebe machte ein sehr gutes, weitgehend fehlerloses Spiel, war diesmal auch wieder viel mehr ins Aufbauspiel einbezogen als noch gegen die Bayern, spielte einige seiner überragenden Aufbaupässe und führte einige „klassische“ Libero-Zweikämpfe sehr konzentriert. Es ist ja auch herzallerliebst, dass hier offenbar ausgiebig mitgelesen und die Fanseele dann dem SGE-Trainer Glasner in der Pressekonferenz ausgeschüttet wird (Hasebe ist doch viel besser als Smolcic, gell? Und macht alle anderen durch seine pure Anwesenheit besser, stimmt´s?) Dass Glasner sich davon zu albernen Prozentrechnungskunststücken motivieren lässt, damit dann alle Eintracht-Reporter beruhigt nach Hause fahren können, ändert an den analytischen und statistischen Tatsachen freilich nichts, sei aber allen Beteiligten gegönnt.
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