Erneut reichte es für die SGE nicht für einen Sieg. Die letztlich spielentscheidende Szene und die Frage, warum die SGE kaum Chancen herausspielte in der Analyse
Die Aufstellung
SGE: Trapp (3) – Tuta (3), Hasebe (3), Ndicka (3) – Buta (4), Rode (3+), Sow (3), Max (3) – Borré (3), Kolo Muani (3), Götze (3)
eingew.: 71. Jakic (4), Kamada (4); 85. Alario; 90. Lenz
(die Noten in Klammern beruhen weitgehend auf den von sofascore.com berechneten Daten)
Die Statistik
Die Highlights
Die Spielanalyse
Zunächst einmal ist festzustellen, dass die SGE in vielen Belangen die bessere Mannschaft war, auch wenn das in der Live-Betrachtung oft nicht so wirkte. Statistische Basiswerte wie XGoals (0,78 : 0,71), Ballbesitz (51:49 %), Torschüsse (10:9) oder auch die Laufdistanz (119:117) sprachen für die SGE, der VfB hatte leichte Vorteile bei der Passquote (78:80 %) und bei den gewonnenen Zweikämpfen (113:136).
Diese Daten sprechen für leichte Vorteile zugunsten der SGE, auch die Spielverteilung zeigt, dass die SGE deutlich mehr Druck aufbauen konnte als der VfB, der sich nur 18% der Spielzeit im SGE-Drittel aufhielt, während 35% der Spielzeit im hinteren Drittel der der Stuttgarter stattfand.
Die übergeordnete Frage ist also, warum die SGE aus diesem Übergewicht nicht mehr machen konnte, warum sie kaum gefährlich wurde.
Bevor wir uns dieser Frage etwas näher zuwenden aber zuerst ein Blick auf die für das Ergebnis letztlich entscheidende Szene, das Ausgleichstor der Gäste in der 75. Spielminute. Nachdem die SGE durch ein ziemlich glückliches Tor von Rode in Führung gegangen war, konnten die Stuttgarter eine Viertelstunde vor Schluss ausgleichen – ein ungünstiger Zeitpunkt, weil die verbleibende Zeit für den VfB gegen nur selten wirklich gefährliche Frankfurter recht gut zu verteidigen war.
Die Eintracht hatte nach der Führung ihre stärkste Phase und war drauf und dran das Spiel für sich zu entscheiden, bzw. schien in der Lage, es so zu dominieren, dass man es über die Zeit bekommen könnte, so ähnlich erlebte es ja auch Glasner, wie er nach dem Spiel kommentierte.
Dem Gegentor vorausgegangen war ein Aufbauspiel der SGE mit einem der typischen Aufbaumuster: Tuta sucht von der RV-Position den Innenbahnpass Richtung offensives Mittelfeld auf Kolo Muani halbrechts, der den Ball auch sichern kann, auf Jakic eine Position zurückspielt.

Das ist beim Stand von 1:0 in einem solchen Spiel natürlich indiskutabel. Wenn man schon mit nur einem 2er-Mittelfeld spielt, muss in einem solchen Spiel die Zentrale zumindest von einem Spieler ballnah gehalten werden. Auch die Kette darf nicht derart den Anschluss an den Rest der Mannschaft verlieren. Auch der Pass von Jakic auf Kamada ist alles andere als optimal, landet in Kamadas Rücken und er köpft dann einen Notball Richtung Kolo Muani, der aber bei einem Stuttgarter landet und weitergeleitet wird Richtung dem eingerückten Endo.

Sehr ähnliche Fehler der Sechser führten bereits gegen Leipzig und Wolfsburg zu den Gegentoren, jetzt wieder. Und genau wie gegen Leipzig und Wolfsburg hätte die Dreierkette, obwohl sie viel zu weit hinten steht, das hier noch verteidigen können.
Das Verteidigen in der letzten Reihe der SGE ist aber, wie wir hier immer und immer wieder gezeigt haben, zu unkoordiniert, um irgendetwas zu retten.

Der Konjunktiv zeigt schon, dass es wieder nicht geklappt hat, zumindest dieses einfache Standard-Manöver durchzuführen, das im Grunde die U15 der SGE beherrschen sollte.

Haraguchi und Silas können, wie schon die BL-Gegner zuvor ihr Glück kaum fassen, Tuta nimmt sich einfach selbst aus dem Spiel und so ein gruppentaktisches Geschenk nimmt einfach jeder Gegner in der Bundesliga an. Inzwischen kann man in solchen Situationen, in denen die Dreierkette isoliert irgendetwas verteidigen soll, buchstäblich zuschauen, wie bei den Profis Panik ausbricht, sie nicht wissen, wie sie die Situationen lösen können und bei aller Freude darüber, dass Glasner die Mannschaft in vielen Bereichen weitergebracht hat, muss man inzwischen feststellen, dass das nach eineinhalb Jahren Trainertätigkeit auch stark auf ihn zurückfällt.
Damit war die Mannschaft auch in diesem Spiel wieder auf die Torproduktion der Offensive angewiesen, jedoch tat diese sich erneut schwer, regelmäßig Torchancen herauszuspielen.
Noch ein Blick auf die Gründe dafür.
Zunächst ist das Offensivkonzept der SGE meistens, und auch so gegen den VfB ungefähr so priorisiert:
- Ballbesitz Gegner mit Angriffs- bzw. Mittelfeldpressing plus Abkippen ins Angriffspressing attackieren, um dann kontern zu können.
- Positionsspiel mit einigen wiederkehrenden Angriffsmustern über außen mit Passdrei- oder -vierecken und tief-quer-Kombinationen oder über die Innenbahn direkt in die Spitze (wie bei dem Angriff vor dem VfB-Konter zum 1:1).
- Spiel mit langen Bällen aus der letzten Reihe in die Spitze, hier meist mit dem Zielspieler Kolo Muani, der dann zur Angriffsfortsetzung ablegen soll.
Die Lieblingskonstellation der SGE, das Kontern aus Pressingballgewinnen, führte selten zum Erfolg, weil der VfB zwar durchaus eigenes Aufbauspiel betrieb, dabei aber mit relativ wenig Risiko agierte, also wenige Zugriffspunkte zuließ und immer mit relativ viel Personal hinter dem Ball blieb. Und wenn es einmal gelang, den Ball aussichtsreich zu gewinnen, vergab die SGE diese Situationen meistens durch zu geringes eigenes Risiko oder zögerliches Kombinationsspiel. Das ist der größte Unterschied zu den stärkeren Spielen in der Vorrunde. Hier ein recht repräsentatives Beispiel aus der 14. Minute (gesamter Clip ca. XX Sekunden):
In dieser Sequenz sind einige der ausschlaggebenden Probleme im Spiel zu sehen: Das hohe Risiko, das die Offensivspieler eingehen müssen, um Schnellkombinationen zum Tor zu spielen, geht Borré hier nicht ein, die Pass-Konstellation scheint ihm nicht aussichtsreicher als ein eigener Dribblingversuch am Flügel zu sein. Doch dieser ist, wie man im Clip sieht, gegen zwei gut zusammen arbeitende VfB-Verteidiger wenig erfolgversprechend und Borré muss die Aktion dann auch abbrechen, die SGE hat kein Tempo mehr in der Aktion und muss gegen eine stehende VfB-Abwehr flanken.
Das Fazit
In den beiden genauer betrachteten Sequenzen haben wir vieles, was zu dem vergleichsweise schwachen Spiel der SGE beitrug:
Fehlende Risikobereitschaft bei den eigenen Angriffskonstellationen der SGE, aber auch eine gut organisierte 4-3-Verteidigung des VfB, bei der die Mittelfeldspieler sehr aufmerksam zentrale Räume im Mittelfeld ebenso schließen konnten wie in der hinteren Reihe aushelfen, wenn gegen die SGE-Überladungen außen weit geschoben werden musste.
Gerade gegen eine gut und aufmerksam und auch quantitativ starke Verteidigung muss man als technisch-spielerisch stärkeres Team mit recht hohem Risiko spielen, dazu war die SGE zu selten bereit. Fast alle interessanteren Angriffe insbesondere in der Phase nach der Führung resultierten daraus, dass sie die Situationen wieder mit höherem Risiko spielten, was durchaus tatsächlich mit erhöhtem Selbstvertrauen zu tun haben kann.
Umso problematischer, dass gerade in der erhöhten Risiko-Phase das Gegentor fiel, denn der Konter war natürlich genau dem erhöhten Risiko geschuldet, das die SGE aber braucht, um gefährlich nach vorne zu sein.
Hier zeigt sich das derzeitige Problem in Reinform: Durch die eigene Fehlerhaftigkeit in der Defensive (in der Situation versagt zuerst die Sechser-Abstimmung bei der Konterabsicherung, weil beide Sechser im Grunde die gleiche Position spielen und so mit einem einfachen Pass überwunden werden können und danach gerät die Dreierkette angesichts der Aufgabe, einmal alleine verteidigen zu müssen, in Panik und Chaos und öffnet dem VfB den roten Teppich zum Tor freiwillig) ist inzwischen die ganze Mannschaft verunsichert. Die Offensivabteilung fühlt sich offenbar nicht mehr ausreichend abgesichert, um mit dem nötigen hohen Risiko Schnellkombinationen zu versuchen, von denen aber das ganze Eintracht-Spiel abhängt. Dazu ist das etwas risikoärmer spielbare Positionsspiel der SGE noch lange nicht schnell und präzise genug, um das ausfallende Schnellkombinationsspiel zu ersetzen, längere Passmanöver mit Seitenwechseln oder weiträumigen diagonalen Anschlüsse wurden zwar mehrfach versucht, scheiterten aber fast immer entweder an technischen Ungenauigkeiten oder verlorenen Zweikämpfen.
So wird wie schon in den vergangenen Spielzeiten erneut die krasse Defensivschwäche zum Hemmschuh der ganzen Mannschaft und gefährdet den Mannschaftserfolg. Eine etwas sicherere, zumindest auf mittlerem Bundesliganiveau agierende Defensive, die der Mannschaft das Gefühl geben würde, hinten zumindest nicht offen wie ein Scheunentor zu stehen, würde vermutlich reichen, um Spiele gegen Gegner wie den VfB, der sich in der zweiten Halbzeit bis zum Ausgleich nur noch in der Defensive befand und der SGE technisch-spielerisch wenig entgegenzusetzen hatte, zu gewinnen.
So ist derzeit leider eine Stagnation der Entwicklung des Teams zu beobachten. Nach wie vor auf recht hohem Niveau, aber insbesondere die offensive Schwäche ist durchaus bedenklich und die Mannschaft wird kaum eine andere Wahl haben, also das Risiko in den eigenen Angriffen wieder zu erhöhen, denn dass nun mitten in der Saison plötzlich das defensive Problem in den Griff bekommen wird, ist nicht sehr wahrscheinlich.
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