Union Berlin – SGE 2:0 (0:0)

Nach dem Spiel sorgten vor allem Glasners Aussagen zu seiner Defensivabteilung für Aufsehen, das mangelhafte Abwehrverhalten sei demnach vor allem ein Qualitätsproblem. Was davon zu halten ist, wie immer hier in der Analyse.

Die Aufstellung

SGE: Trapp (4) – Tuta (3), Smolcic (4+), Ndicka (4) – Buta (3), Kamada (5), Sow (3), Lenz (2) – Borré (3), Kolo Muani (1-), Götze (3)

eingew.: 67. Alario (3) Borré, 73. Max (4) für Lenz, 82. Alidou für Kamada, 82. Aaronson für Götze

Die Noten in Klammern richten sich nach den Bewertungen von sofascore, die durch statistische Daten generiert werden.

FCU: Rönnow – Doekhi, Knoche, Baumgartl (86. Leite) – Juranovic, Seguin, Khedira, Haberer (86. Pantovic), Giesselmann (76. Roussillon) – Becker (76. Behrens), Jordan (67. Behrens)

Die Statistik

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Die Highlights

Quelle: Youtube

Die Spielanalyse

Zunächst zur Offensive. Besonders in der ersten Hälfte war die SGE vorne durchaus gefährlich, hätte in mehreren Situationen in Führung gehen können. Hier im Angriffsmomentum ist gut abzulesen, wie stark die erste Hälfte der SGE war und wie nah sie an der Führung waren (die Ausschläge zeigen jeweils die Druckphasen der beiden Teams, je höher der Balken, desto druckvoller und gefährlicher):

Das XGoals-Verhältnis der ersten Halbzeit betrug 0,27 : 1,67 bei 69 Prozent Ballbesitz zugunsten der SGE, die Eintracht war dominant und gefährlich, wenn auch etwas unglücklich im Abschluss (in der zweiten Hälfte änderten sich fast alle Werte zugunsten der Berliner). Die größte Chance in der ersten Halbzeit vergab Kamada in der 34. Minute, als er nach einem abgefälschten Tuta-Schuss aus der zweiten Reihe völlig frei aus 5 Metern den Ball nicht an Rönnow vorbei brachte. In dieser Szene, wie auch in vielen anderen zeigte sich aber auch, wie schwierig es ist, den häufig sehr tief und mit großer personeller Quantität verteidigenden Defensivblock der Unioner zu überspielen:

Die Situation beim Tuta-Schuss, der dann zur größten SGE-Chance der ersten Hälfte führte. Die Unioner sind mit allen 11 Spielern im eigenen Drittel versammelt, in der relevanten Zone Richtung eigenes Tor verteidigen sie hier mit 5er-Kette plus drei, in der Zentrale stehen sie 5 gg. 2, überall auf dem Platz können sie durch schnelles Schieben (kurze Abstände) Überzahl herstellen.

Dieser defensive Block ist natürlich schwer zu überspielen, hier ist es auch eher ein glückliches Abfälschen des Schusses, das Kamada den Abschluss beschert, aber der SGE gelang es, den Druck so hoch zu halten, auch durch solche Aktionen.

Aber die SGE spielte auch einige tolle Chancen über eigenes Aufbau- bzw. Kombinationsspiel heraus, etwa den Kolo Muani-Kopfball in der 38. Minute (eintracht.tv ab 44:29) nach einem starken Tuta- Flugball auf Borré, der auf Buta ablegt und dessen starke Flanke köpft Kolo Muani dann nur knapp über das Tor. Trainer Glasner hatte durchaus recht, wenn er nach dem Spiel darauf hinwies, dass seine Mannschaft in jeder Hinsicht, die irgendetwas mit konstruktivem Fußball zu tun hat, klar besser und auch überhaupt ambitioniert war. Wir könnten hier mindestens 5 Szenen zeigen, in denen die SGE den Gegner gut und mit Kontrolle und mit gutem Anlaufen der offensiven Räume und erkennbaren offensiven Mustern den Gegner ausspielte, während von Union deutlich weniger solcher Aktionen zu sehen waren, auch hier ist Glasner weitgehend zuzustimmen.

Allerdings bringt es wenig, sich darüber zu beklagen, wie destruktiv das Union-Spiel ist, so spielen sie nicht seit gestern und jeder weiß, dass sie mit Standards und langen Bällen immer gefährlich sind und einen Vorsprung mit Mann und Maus verteidigen können. Umso wichtiger ist es, in Spielen gegen sie, entweder selbst in Führung zu gehen, oder zumindest nicht in Rückstand zu geraten, weswegen ganz besonders darauf geachtet werden muss, möglichst keine Ecken zu produzieren und bei langen Bällen in der hinteren Reihe möglichst Überzahl zu halten und diese auszuspielen.

Das 1:0 für Berlin entstand aus einer Ecke und hier ist Glasner, der nach dem Spiel meinte, die Ecke sei „unnötig“ gewesen, zum ersten Mal zu widersprechen, denn so einfach war diese Ecke nicht zu verhindern. Sie entsprang einem der seltenen gut vorgetragenen Berliner Angriffe nach Positionsspiel aus der eigenen hinteren Reihe bis in die Spitze, bzw. die Rechtsaußenposition (eintracht.tv ab 8:09), von wo Juranovic dann flankte und Trapp den Ball (vermeintlich, denn ob er ihn überhaupt berührt hat, ist auf den Bildern nicht sicher zu erkennen) zur Ecke lenkte. Das Problem bei der Ecken-Entstehung war wie so oft, dass die defensive Zentrale mit nur einem einzigen Spieler besetzt war und die Abstände zwischen Kette und Mittelfeld viel zu groß wurden:

Während die Kette zur Konterabsicherung hier richtig steht, also nicht im Halbraum, sondern so tief, dass sie den Berlinern die zentrale Tiefe nimmt und zu breitem Spiel über außen zwingt, sind beide Sechser, Kamada und Sow zu weit aufgerückt, ohne Zugriff auf Haberer, der den Angriff dann über rechts außen fortsetzen kann.

Hier kann man sich durchaus einmal bei Union anschauen, wie solche stehenden Situationen korrekt verteidigt werden, nämlich aus einer tiefen Position mit engen Abständen Kette-Sechser. Einen solch gut gestellten, breiten Angriff der Berliner, die mit Seitenwechseln arbeiten und den Pressing-Zugriff so verhindern, „nach vorne verteidigen“ zu wollen, ist völlig hanebüchen und Sow hatte hier auch eigentlich genug Zeit, auf seine Position zurückzukehren. Stattdessen steht Haberer hier völlig frei und kann den Angriff fortsetzen.

Die Ecken-Situation, die dann zum Tor führt, entsteht nun u.a aus einem alten Bauerntrick:

Khedira „schleicht“ sich hinter die 5 SGE-Verteidiger, die an der Fünf-Meter Linie die Ecke erwarten, direkt neben Trapp, löst sich dann in dem Moment, wo der Ball gespielt wird, steht so frei vor dem Tor und schießt aus wenigen Metern ein – das ist der Grund, warum bei diesen Situationen immer ein direkter Gegenspieler auch bei dem Gegner stehen sollte, der sich direkt zum Torwart begibt und das ist der Grund, warum man Ecken auch ganz hinten in einer Mischung aus Mann- und Raumdeckung verteidigen sollte. Bei der Hereingabe selbst attackiert Jordan dann aus dem Rückraum den kurzen Pfosten (Sow lässt ihn laufen), weshalb dann Lenz und Smolcic dort 2 gg. 2 in die Duelle müssen und sie verlieren.

Auch Lenz und Smolcic sehen hier nicht sehr gut aus und Tuta läuft ohne ersichtlichen Grund auf die Torlinie, statt in seinem Raum zu bleiben (in dem der Ball dann landet und Khedira vor die Füße fällt), allerdings ist das von Union auch stark gestellt und angelaufen, so einfach ist es nicht, diese Ecken zu verteidigen.

Ähnlich verhält es sich mit langen Bällen. Klar hat dabei häufig der Verteidiger einen Vorteil, weil er „in den Ball“ laufen kann, dennoch muss man auch bei langen Torwartabschlägen darauf achten, dass sich die beteiligten Verteidiger entweder gegenseitig sichern (am besten in Überzahl) oder doch zumindest jeweils 1 gg. 1 stehen und keine Unterzahlsituationen direkt zum Tor oder zur Abschlussvorbereitung zulassen. Nichts davon gelingt der SGE beim zweiten Gegentor:

Bei Abschlag von Rönnow ist die defensive Organisation schon nicht optimal. Smolcic und Tuta stehen je 1 gg. 1 gegen Behrens und Becker, also in Gleichzahl ohne Absicherung, Ndicka ist zu weit weg, um sichern zu können, muss außerdem Haberer im Auge behalten, weil Sow und Kamada auch ohne Zugriff auf ihn sind. Dabei zeigen die beiden Union-Stürmer ja deutlich an, in welchen Raum sie den langen Ball haben wollen. Eine bessere Positionierung der SGE-Defensive mit Sow gegen Haberer und Nidcka als nahe Absicherung wäre durchaus möglich gewesen. Buta, Sow und Kamada haben überhaupt keine Gegenspieler und insgesamt steht die Mannschaft sehr weit aufgerückt, obwohl bekannt sein dürfte, dass Union solche aufgerückten Gegner gern und oft mit einem langen Ball überspielt.

Wenn nun schon Smolcic und Tuta 2 gg. 2 solche langen Bälle verteidigen müssen, muss das dann aber zumindest sauber verteidigt werden, d.h. die beiden Verteidiger müssen in Manndeckung bleiben. In dieser Situation kann man keinen Raum mehr verteidigen ohne direkt in Unterzahl zu geraten, zumal Rechtsverteidiger Buta überhaupt nicht in Schlagdistanz ist. Im Standbild oben kann man aber schon erahnen, dass die beiden Berliner Stürmer den Ball nach außen so attackieren, dass Tuta kontraintuitiv sich zum Ball orientiert, während Becker nach außen und Behrens direkt ins Kopfballduell gehen würde, was dann nach außen eine 2 gg. 1 – Überzahl der Berliner ergäbe. Und genau so kommt es:

Die Situation beim Kopfballduell Tuta-Behrens: Behrens hat es geschafft, dass Tuta Becker laufen lässt und Smolcic nun keinen Gegenspieler mehr hat, dafür Union außen 2 gg. 1 steht. Da auch Sow hinter Haberer herläuft, hat Behrens zwei Anspielmöglichkeiten. Nur nach innen hat die SGE (mit Smolcic, der Tuta sichert), Überzahl. Dass nun Behrens den Ball gar nicht nach außen abgelegt bekommt, sondern in den Raum Richtung Smolcic, was für die SGE eigentlich optimal ist, weil sie in diese Richtung ja Überzahl hat, sich Behrens dann aber in der 1 gg. 2 – Unterzahl durchsetzen kann, ist schon bemerkenswert.

Was Smolcic dann in seinem Zweikampf gegen Behrens veranstaltet, ist natürlich völlig hanebüchen. Er will den springenden Ball offenbar wegdreschen, kommt aber zu spät und tritt ein Luftloch, während Behrens den Ball an ihm vorbeispitzelt, allein Richtung Tor marschiert, wo er ihn dann Trapp durch die Hosenträger zum 2:0 ins Tor schießt. Der entscheidende und größte Fehler in dieser Situation liegt aber natürlich bei Smolcic, der als letzter Mann sich niemals selbst derart aus dem Spiel schießen darf. Er muss hier entweder mit dem dem Körper zum Ball, sodass Behrens ihn zumindest nicht einfach an ihm vorbeispitzeln kann, oder er muss wegbleiben und dann den Zweikampf mit Behrens seitlich aufnehmen.

Das Fazit

In der ersten Halbzeit war die SGE das bessere Team, hätte hier das Spiel für sich entscheiden können, scheiterte aber entweder an Rönnow (dem nach Sofascore-Werten stärksten Berliner) oder an eigenen Ungenauigkeiten im Spiel in die Spitze, auch hier ließen sich einige Szenen zeigen.

Außerdem verteidigten die Unioner wie üblich mit hoher Quantität und sehr tief, besonders nach der Führung, was es dann der SGE natürlich noch schwieriger machte, zu Abschlüssen zu kommen. Dennoch: Das Spiel war im vergleich zu den vorangegangenen eher wieder ein Schritt nach vorne, insbesondere in der Offensive gelang es der Eintracht, gegen defensiv sonst sehr stabile Berliner, Chancen herauszuspielen, sodass auch Union-Trainer Fischer nach dem Spiel das Spielglück seiner Mannschaft herausstellte.

Zu dem defensiven Problem und den wütenden Glasner-Reaktionen nach dem Spiel ist indes festzustellen:

Das Problem besteht seit Jahren. Von sgefussballanalyse wird seit Anfang der vergangenen Saison immer wieder darauf hingewiesen und demonstriert, dass während der Amtszeit von Glasner das defensive Chaos der Hütter-Ära kaum gelichtet werden konnte. Die beiden Situationen bei den Gegentoren im Union-Spiel waren im Vergleich zu den teilweise krassen Stellungs- und Kettenfehlern, der dauernden rundweg sorglosen Vernachlässigung der defensiven Positionen durch die beiden Sechser und dem fehlenden Zurückweichen bei isoliertem Konterverteidigen eher unglücklich als systemisch.

In beiden Szenen sehen Tuta und Smolcic nicht gut aus, allerdings war die Ecke der Berliner auch gut gespielt und angelaufen und beim zweiten Tor verliert Tuta das Kopfballduell und Smolcic macht einen krassen individualtaktischen Zweikampffehler. Bei allem Ärger über die beiden Spieler sollte aber nicht vergessen werden, dass sie gerade für Verteidiger sehr jung sind (Smolcic 22, Tuta 23). Den jungen Spielern die Qualität abzusprechen und zu behaupten, das könne man nicht trainieren, ist eine überaus bedenkliche Ansicht, denn selbstverständlich kann sowohl Kopfballverhalten, als auch korrektes Anlaufen von springenden Bällen geübt werden. Genauso kann eine Organisation bei Gegner-Ecken etabliert werden, die nicht unentwegt zu Gegentoren führt und selbstverständlich gehört all das zu den Aufgaben eines Profitrainers. Dafür ist er da, dafür erhält er ein üppiges Gehalt und insbesondere solch junge Spieler sind darauf angewiesen, im Training adäquat auf solche Situationen vorbereitet zu werden. Dass weder Tuta noch Smolcic und ebensowenig Ndicka während der Amtszeit von Glasner nennenswerte Fortschritte bezüglich Zweikampfverhalten (Individualtaktik) und Ketten- und Stellungsspiel (Gruppentaktik) gemacht haben, nun allein den Spielern anzukreiden, ist schon sehr schwach und spricht eher dafür, dass Glasner offenbar das Latein ausgegangen ist, jedenfalls sind solche Vorwürfe gegen die eigenen Spieler ein sicheres Zeichen dafür. Auch dass der einzige etwas erfahrenere Innenverteidiger Touré überhaupt keine Rolle mehr spielt, ist ja Glasner Entscheidung.

Während also die Entwicklung des Teams etwas ins Stocken geraten ist, zusätzlich momentan etwas das Spielglück fehlt und auch der Trainer eine ungefähr genauso unglückliche Figur abgibt wie seine Spieler, kann aus analytischer Sicht festgestellt werden, dass die Mannschaft nach wie vor auf recht hohem Niveau Fußball spielt, derzeit aber etwas mit der eigenen Sicherheit im Offensivspiel und dem eigenen Selbstvertrauen zu kämpfen hat (was sich meist in einer fehlenden Balance hinsichtlich Risiko-Entscheidungen niederschlägt, das haben wir zuletzt auch gezeigt), und Trainer und Team das defensive Problem nach wie vor nicht in den Griff bekommen haben.

Inwiefern diese Baustellen bearbeitet werden können, wird letztlich über den Mannschaftserfolg entscheiden. Dass sich auch bei Glasner, der die defensive Schwäche lange herunterspielte oder für behoben erklärte, inzwischen sich auch bei ihm ein sehr klares Problembewusstsein eingestellt hat, ist – immerhin – ein Hoffnungsschimmer auf baldiges ernsthaftes Angehen dieser Misere.

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SSC Neapel – SGE 3:0 (1:0)

Auch wenn die SGE chancenlos war, zeigte das Spiel einige interessante Eigenheiten. Ein Blick auf die Tore, das Spiel der SGE, die Kräfteverhältnisse in beiden Spielen, aber auch eine tolle Defensivaktion der SGE im Rückspiel in der Analyse.

Die Aufstellung

SGE: Trapp (2) – Buta (4), Tuta (4), Ndicka (5), Lenz (4) – Rode (3-), Sow (3) – Knauff (4-), Götze (3), Kamada (4) – Borré (3)

eingew. 62. Alidou (3), 67. Max (4+), 74. Jakic

SSC: Meret – Di Lorenzo, Rrahmani, Kim (66. Jesus), Rui – Anguissa, Lobotka, Zielinski (74. Ndombélé) – Politano (67. Lozano), Osimhen (81. Simeone), Kvaratskhelia (74. Elmas)

Die Statistik

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Die Highlights

Quelle: Youtube

Die Spielanalyse

Nach dem Neapel-Spiel herrschte auf Seiten der SGE ziemliche Ernüchterung. Analytisch kann man zunächst feststellen, dass bei dem für dieses Duell endgültig entscheidende Gegentor ein Einwurf der SGE vorausging, wonach Politano gegen Kamada den entscheidenden Zweikampf gewinnt, es danach zu einem Abstimmungsproblem auf der Linksverteidigerposition kommt:

Nach dem Einwurf sicherte Sow zunächst die Linksverteidigerposition, läuft von dieser aber weg, um die Unterzahl in der Zentrale zu beheben, allerdings übernehmen weder Kamada noch Lenz den nun in Kamadas Rücken völlig freien Politano, der dann auch die Flanke zum 1:0 schlägt.

Das ist ein reines Abstimmungsproblem, kein Kettenfehler oder Ähnliches. Macht Kamada hier einen Schritt nach hinten, ist Politano gesichert. Das macht er aber nicht und bekommt von Sow offenbar auch kein dahingehendes Kommando. Noch ein Wort zu der Boxorganisation bei der Flanke.

Bei der Flanke besetzt die SGE in einem 4 gg. 0 den vorderen Box-Bereich (was natürlich bei 0 Gegenspielern völlig sinnlos ist) und steht am langen Pfosten in 1 gg. 4 – Unterzahl, wenn man Tuta dem langen Pfosten zuschlägt, immer noch 2 gg. 4 Unterzahl. Weder Tuta noch Buta sind in Kopfballduell-Distanz zu einem Gegenspieler. So stehen sowohl Osimhen als auch Anguissa frei und Osimhen köpft dann auch ein.

Das ist natürlich ein sehr ärgerliches Gegentor, denn aufgrund des Einwurfes links war die SGE weit eingerückt, sodass hier eine gute Boxbesetzung nicht ganz einfach herzustellen war, dafür müsste man grundsätzlich defensiv breiter stehen und im Umschaltverhalten viel schneller auf Boxbesetzung umschalten. Problematisch ist, dass Tuta nicht sofort Kontakt zu Osimhen sucht, anders ist dieser extrem starke Kopfballspieler nicht zu verteidigen.

Das Gegentor direkt vor der Halbzeitpause war natürlich extrem bitter und spielentscheidend. Dass die SGE gegen diesen starken Gegner keine drei Tore erzielen würde, war absehbar, da hätte es mehr als ein Fußball-Wunder gebraucht.

Dabei hatte die Eintracht es in der ersten Halbzeit ganz gut geschafft, Neapel zumindest nicht allzu oft gefährlich werden zu lassen, hatte diesmal viel bessere Abstände zwischen den Ketten (vor allem die 4er-Kette war beim Nachrücken aufmerksam), zwang Neapel-Torwart Meret im Gesamtspiel zu 15 langen Pässen und in der 19. Minute zeigten Tuta und Ndicka einmal, wie zwei echte gelernte Innenverteidiger auch gegen Weltklasse-Stürmer gemeinsam ein 2 gg. 2 verteidigen können. Der Clip unten dauert 50 Sekunden und man sieht darin die vielleicht stärkste Szene der SGE-Innenverteidiger im bisherigen Saisonverlauf und wenn man hier Ndicka und Tuta bei der Arbeit zusieht, muss wirklich einmal die Frage erlaubt, sein, was das eigentlich bringen soll, ihnen praktisch die ganze Saison über einen Mittelfeldspieler (Jakic/Hasebe) dazwischenzustellen, der diese Manöver nicht richtig beherrscht und eher für Konfusion sorgt als für sichere Abläufe:

Noch zu den beiden weiteren Gegentoren.

Dem zweiten Gegentor geht ein zu kurzer Befreiungsschlag von Kamada voraus und dann ein Stellungsfehler von Kamada:

Relativ kurze Passdistanz bei dieser Seitenverlagerung von Kvaratskhelia hier. Die Viererkette hinten ist eigentlich recht gut sortiert, alle SSC-Offensiven in der Box gedeckt. Kamada müsste sich zumindest in die Nähe von Politano orientieren, macht aber wie üblich keinen Schulterblick. Da, wo Kamada hier steht, verteidigt er Luft, hier ist absolut keine Gefahr, Kamada könnte auch einen Kaffee trinken gehen, statt diesen Raum zu decken, das hätte den gleichen Effekt. Der Ball landet dann bei dem völlig freien Politano.

Danach spielen die Neapolitaner das sehr schnell und gut aus. Es gibt in der SGE-Kette dann zwar noch einen Abstimmungsfehler, die Kette versucht insgesamt zu sehr im Raum zu verteidigen, hat keine Notverteidigung/ Mann gg. Mann- Schnellzuordnung nach dem Steilpass Politano- Di Lorenzo und Tuta verliert auch Osimhen am langen Pfosten aus den Augen, aber das sind Fehlverhalten, die wir hier schon häufig gezeigt haben und ehrlich gesagt ist das dann von Neapel auch so präzise und schnell gespielt, dass es auch für eine fehlerärmere Kette nur schwer zu verteidigen gewesen wäre.

Vor dem Elfmeter verliert Ndicka die Orientierung und ermöglicht, indem er zu tief steht und damit das Abseits aufhebt, den entscheidenden Steilpass von Kvaretskhelia auf Di Lorenzo und wir haben inzwischen aufgehört, diese Gegentor provozierenden Abseitsaufhebungen von Ndicka zu zählen.

Das Fazit

Die Überlegenheit der Italiener war zu groß und spiegelt sich in dem Ergebnis auch korrekt wieder. Dafür, dass die SGE mit einem 0:2 – Rückstand ins Spiel gegangen ist, also den Anspruch haben musste und diesen ja auch formuliert hat, das Spiel mit 2 Toren Unterschied zu gewinnen, war das Spiel ein Desaster. In praktisch keinem relevanten Bereich war die SGE besser als der Gegner:

  • XGoals: 2,8 : 1,2
  • Torschüsse: 12 : 8
  • Ballbesitz: 60 : 40 %
  • Zweikämpfe: 55 : 45 %

Das sind natürlich Werte und Zahlen, mit denen man kein Spiel gegen einen Gegner dieser Kategorie mit 2:0 gewinnen kann.

Daher in aller Kürze: Die SGE hatte in den beiden Spielen gegen Neapel nicht den Hauch einer Chance, der Gegner war in allen Belangen besser als die Eintracht. Entscheidend war aber letztlich die enorme Defensivstärke der Italiener. In 180 Minuten flogen genau 2 Bälle auf das Tor der Italiener – das ist gegen die viertstärkste Offensive der Bundesliga einfach krass und wir könnten hier noch einige Szenen zeigen, in denen zu sehen ist, wie sie das machen, wie sie Räume auf dem ganzen Platz eng halten ohne zu große Räume in der Tiefe zu eröffnen, welch entscheidende Rolle bei alldem die Dreierbesetzung im Neapel-Mittelfeld spielt, die auch für die Offensive der Italiener eine zentrale Rolle spielt, allerdings müssten wir den Blog dann in sscfussballanalyse umbenennen und außerdem haben wir in einem Defensiv-Special im vergangenen Jahr hier die wichtigsten defensiven Bewegungen gezeigt. Allein ein Blick auf die Pass-Quoten der drei SSC-Mittelfeldspieler ist beeindruckend: Zielinski 86%, Lobotka 94%, Anguissa 93%. Auch hinsichtlich des Spielaufbaus war die SSC der Eintracht heillos überlegen, schaltete variabel von asymmetrischem Zweieraufbau um auf 3-3-4-Aufbau oder symmetrischen 4-3-Aufbau mit wechselnd hohen Außenverteidigern, und selbst das Pressing der Neapolitaner war etwas dynamischer, aggressiver und besser koordiniert als das der SGE.

Auf Augenhöhe war die SGE im Grunde nur in der ersten halben Stunde im Hinspiel, hier konnte sie mit enormem Laufaufwand und Aggressivität die Defizite ausgleichen und wenn man gegen einen derart überlegenen Gegner in zwei Spielen weiterkommen will, muss wirklich alles perfekt laufen. Das Gegenteil war bereits im Hinspiel der Fall, die Fehlentscheidung der Roten Karte gegen den Schlüsselspieler der SGE in der Offensive Kolo Muani war im Grunde bereits so etwas wie die entscheidende Schwächung eines ohnehin unterlegenen Teams.

Dafür, dass die Eintracht in praktisch allen taktischen und individuellen Belangen unterlegen war und zusätzlich durch eine harte Fehlentscheidung gegen ihren wichtigsten Offensivspieler geschwächt worden war und im Hinspiel über 30 Minuten in Unterzahl spielen musste, hat sie sich letztlich sogar mehr als beachtlich aus der Affäre gezogen: In der CL-Vorrunde kassierte Ajax Amsterdam gegen die SSC in 180 Minuten ein 3:10, die Glasgow Rangers, immerhin der Europa League-Endspielgegner der SGE im Sommer, ein 0:6, und sogar der FC Liverpool verlor in Neapel 1:4, konnte das Heimspiel dann aber immerhin mit 2:0 gewinnen, gegen Juventus Turin gewann die SSV vor vier Wochen ihr Heimspiel mit 5:1.

Die beiden Duelle gegen eines der derzeit besten Teams Europas haben aber auch deutlich gezeigt, in welchen Bereichen die Eintracht sich noch weiterentwickeln muss, um auch gegen Gegner dieser Qualität mithalten zu können, um, wer weiß? – irgendwann auch den Schritt auf dieses Niveau zu schaffen.

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SGE – VfB Stuttgart 1:1 (0:0)

Erneut reichte es für die SGE nicht für einen Sieg. Die letztlich spielentscheidende Szene und die Frage, warum die SGE kaum Chancen herausspielte in der Analyse

Die Aufstellung

SGE: Trapp (3) – Tuta (3), Hasebe (3), Ndicka (3) – Buta (4), Rode (3+), Sow (3), Max (3) – Borré (3), Kolo Muani (3), Götze (3)

eingew.: 71. Jakic (4), Kamada (4); 85. Alario; 90. Lenz

(die Noten in Klammern beruhen weitgehend auf den von sofascore.com berechneten Daten)

Die Statistik

gibt es hier, hier und hier

Die Highlights

Quelle: Youtube

Die Spielanalyse

Zunächst einmal ist festzustellen, dass die SGE in vielen Belangen die bessere Mannschaft war, auch wenn das in der Live-Betrachtung oft nicht so wirkte. Statistische Basiswerte wie XGoals (0,78 : 0,71), Ballbesitz (51:49 %), Torschüsse (10:9) oder auch die Laufdistanz (119:117) sprachen für die SGE, der VfB hatte leichte Vorteile bei der Passquote (78:80 %) und bei den gewonnenen Zweikämpfen (113:136).

Diese Daten sprechen für leichte Vorteile zugunsten der SGE, auch die Spielverteilung zeigt, dass die SGE deutlich mehr Druck aufbauen konnte als der VfB, der sich nur 18% der Spielzeit im SGE-Drittel aufhielt, während 35% der Spielzeit im hinteren Drittel der der Stuttgarter stattfand.

Die übergeordnete Frage ist also, warum die SGE aus diesem Übergewicht nicht mehr machen konnte, warum sie kaum gefährlich wurde.

Bevor wir uns dieser Frage etwas näher zuwenden aber zuerst ein Blick auf die für das Ergebnis letztlich entscheidende Szene, das Ausgleichstor der Gäste in der 75. Spielminute. Nachdem die SGE durch ein ziemlich glückliches Tor von Rode in Führung gegangen war, konnten die Stuttgarter eine Viertelstunde vor Schluss ausgleichen – ein ungünstiger Zeitpunkt, weil die verbleibende Zeit für den VfB gegen nur selten wirklich gefährliche Frankfurter recht gut zu verteidigen war.

Die Eintracht hatte nach der Führung ihre stärkste Phase und war drauf und dran das Spiel für sich zu entscheiden, bzw. schien in der Lage, es so zu dominieren, dass man es über die Zeit bekommen könnte, so ähnlich erlebte es ja auch Glasner, wie er nach dem Spiel kommentierte.

Dem Gegentor vorausgegangen war ein Aufbauspiel der SGE mit einem der typischen Aufbaumuster: Tuta sucht von der RV-Position den Innenbahnpass Richtung offensives Mittelfeld auf Kolo Muani halbrechts, der den Ball auch sichern kann, auf Jakic eine Position zurückspielt.

Jakic spielt dann einen Flugball auf den freien Kamada, soweit ist das eigentlich gut gedacht, aber wir sehen hier schon, dass die hintere Reihe den Kontakt zu den beiden Sechsern verliert. Sow und Jakic starten dann beide nach vorne, die Dreierkette verliert endgültig den Anschluss und die Zentrale defensive Mittelfeldposition wird komplett aufgegeben.

Das ist beim Stand von 1:0 in einem solchen Spiel natürlich indiskutabel. Wenn man schon mit nur einem 2er-Mittelfeld spielt, muss in einem solchen Spiel die Zentrale zumindest von einem Spieler ballnah gehalten werden. Auch die Kette darf nicht derart den Anschluss an den Rest der Mannschaft verlieren. Auch der Pass von Jakic auf Kamada ist alles andere als optimal, landet in Kamadas Rücken und er köpft dann einen Notball Richtung Kolo Muani, der aber bei einem Stuttgarter landet und weitergeleitet wird Richtung dem eingerückten Endo.

Beide Sechser Sow und Jakic gewissermaßen auf einer Position, nebeneinander, kein versetztes Sichern, kein Zugriff von hinten durch die Kette, mit dem Endo-Pass durch das Sechser-Spalier der SGE sind 7 SGE-Spieler, die komplette Mittelfeld- und Offensivreihe der SGE aus dem Spiel. Keine vier Minuten nach der Rode-Auswechslung entsteht auf der Position also Chaos.

Sehr ähnliche Fehler der Sechser führten bereits gegen Leipzig und Wolfsburg zu den Gegentoren, jetzt wieder. Und genau wie gegen Leipzig und Wolfsburg hätte die Dreierkette, obwohl sie viel zu weit hinten steht, das hier noch verteidigen können.

Das Verteidigen in der letzten Reihe der SGE ist aber, wie wir hier immer und immer wieder gezeigt haben, zu unkoordiniert, um irgendetwas zu retten.

Nach dem Endo-Pass auf Haraguchi hat dieser nun freie Bahn, ein 10-m-Streifen völlig unbesetzter Mittelfeldraum vor ihm. Immerhin bleibt die Dreierkette diesmal nicht einfach stehen, sondern weicht nach hinten zurück, versucht damit das Tempo des VfB-Angriffs zu verzögern. Die Konstellation hinten ist auch noch gut, insbesondere wenn Tuta und Ndicka ihre Innenbahnen gegen Führich und Coulibaly hätten halten können, hätte Haraguchi nur noch einen Pass Richtung außen spielen oder selbst abschließen können und die SGE hätte einen recht guten neuen Zugriffspunkt gehabt.

Der Konjunktiv zeigt schon, dass es wieder nicht geklappt hat, zumindest dieses einfache Standard-Manöver durchzuführen, das im Grunde die U15 der SGE beherrschen sollte.

Statt sich so schnell wie möglich rechts neben Hasebe in die Kette einzureihen, rennt nun Tuta Haaguchi an und öffnet damit den direkten Passweg Haraguchi-Silas zum Tor. Tuta hat überhaupt keine Chance, Haraguchi hier irgendwie zu erreichen und mit seinem falschen Laufweg eröffnet er dem VfB ein 2 gg. 1 direkt zum Tor. Hasebe macht es hier einmal richtig, versucht den Passweg auf Silas noch irgendwie zu schließen, indem er Haraguchi die Zentrale anbietet, ist dann aber auch zu unsicher und letztlich auch chancenlos und lässt Silas laufen.

Haraguchi und Silas können, wie schon die BL-Gegner zuvor ihr Glück kaum fassen, Tuta nimmt sich einfach selbst aus dem Spiel und so ein gruppentaktisches Geschenk nimmt einfach jeder Gegner in der Bundesliga an. Inzwischen kann man in solchen Situationen, in denen die Dreierkette isoliert irgendetwas verteidigen soll, buchstäblich zuschauen, wie bei den Profis Panik ausbricht, sie nicht wissen, wie sie die Situationen lösen können und bei aller Freude darüber, dass Glasner die Mannschaft in vielen Bereichen weitergebracht hat, muss man inzwischen feststellen, dass das nach eineinhalb Jahren Trainertätigkeit auch stark auf ihn zurückfällt.

Damit war die Mannschaft auch in diesem Spiel wieder auf die Torproduktion der Offensive angewiesen, jedoch tat diese sich erneut schwer, regelmäßig Torchancen herauszuspielen.

Noch ein Blick auf die Gründe dafür.

Zunächst ist das Offensivkonzept der SGE meistens, und auch so gegen den VfB ungefähr so priorisiert:

  1. Ballbesitz Gegner mit Angriffs- bzw. Mittelfeldpressing plus Abkippen ins Angriffspressing attackieren, um dann kontern zu können.
  2. Positionsspiel mit einigen wiederkehrenden Angriffsmustern über außen mit Passdrei- oder -vierecken und tief-quer-Kombinationen oder über die Innenbahn direkt in die Spitze (wie bei dem Angriff vor dem VfB-Konter zum 1:1).
  3. Spiel mit langen Bällen aus der letzten Reihe in die Spitze, hier meist mit dem Zielspieler Kolo Muani, der dann zur Angriffsfortsetzung ablegen soll.

Die Lieblingskonstellation der SGE, das Kontern aus Pressingballgewinnen, führte selten zum Erfolg, weil der VfB zwar durchaus eigenes Aufbauspiel betrieb, dabei aber mit relativ wenig Risiko agierte, also wenige Zugriffspunkte zuließ und immer mit relativ viel Personal hinter dem Ball blieb. Und wenn es einmal gelang, den Ball aussichtsreich zu gewinnen, vergab die SGE diese Situationen meistens durch zu geringes eigenes Risiko oder zögerliches Kombinationsspiel. Das ist der größte Unterschied zu den stärkeren Spielen in der Vorrunde. Hier ein recht repräsentatives Beispiel aus der 14. Minute (gesamter Clip ca. XX Sekunden):

In dieser Sequenz sind einige der ausschlaggebenden Probleme im Spiel zu sehen: Das hohe Risiko, das die Offensivspieler eingehen müssen, um Schnellkombinationen zum Tor zu spielen, geht Borré hier nicht ein, die Pass-Konstellation scheint ihm nicht aussichtsreicher als ein eigener Dribblingversuch am Flügel zu sein. Doch dieser ist, wie man im Clip sieht, gegen zwei gut zusammen arbeitende VfB-Verteidiger wenig erfolgversprechend und Borré muss die Aktion dann auch abbrechen, die SGE hat kein Tempo mehr in der Aktion und muss gegen eine stehende VfB-Abwehr flanken.

Das Fazit

In den beiden genauer betrachteten Sequenzen haben wir vieles, was zu dem vergleichsweise schwachen Spiel der SGE beitrug:

Fehlende Risikobereitschaft bei den eigenen Angriffskonstellationen der SGE, aber auch eine gut organisierte 4-3-Verteidigung des VfB, bei der die Mittelfeldspieler sehr aufmerksam zentrale Räume im Mittelfeld ebenso schließen konnten wie in der hinteren Reihe aushelfen, wenn gegen die SGE-Überladungen außen weit geschoben werden musste.

Gerade gegen eine gut und aufmerksam und auch quantitativ starke Verteidigung muss man als technisch-spielerisch stärkeres Team mit recht hohem Risiko spielen, dazu war die SGE zu selten bereit. Fast alle interessanteren Angriffe insbesondere in der Phase nach der Führung resultierten daraus, dass sie die Situationen wieder mit höherem Risiko spielten, was durchaus tatsächlich mit erhöhtem Selbstvertrauen zu tun haben kann.

Umso problematischer, dass gerade in der erhöhten Risiko-Phase das Gegentor fiel, denn der Konter war natürlich genau dem erhöhten Risiko geschuldet, das die SGE aber braucht, um gefährlich nach vorne zu sein.

Hier zeigt sich das derzeitige Problem in Reinform: Durch die eigene Fehlerhaftigkeit in der Defensive (in der Situation versagt zuerst die Sechser-Abstimmung bei der Konterabsicherung, weil beide Sechser im Grunde die gleiche Position spielen und so mit einem einfachen Pass überwunden werden können und danach gerät die Dreierkette angesichts der Aufgabe, einmal alleine verteidigen zu müssen, in Panik und Chaos und öffnet dem VfB den roten Teppich zum Tor freiwillig) ist inzwischen die ganze Mannschaft verunsichert. Die Offensivabteilung fühlt sich offenbar nicht mehr ausreichend abgesichert, um mit dem nötigen hohen Risiko Schnellkombinationen zu versuchen, von denen aber das ganze Eintracht-Spiel abhängt. Dazu ist das etwas risikoärmer spielbare Positionsspiel der SGE noch lange nicht schnell und präzise genug, um das ausfallende Schnellkombinationsspiel zu ersetzen, längere Passmanöver mit Seitenwechseln oder weiträumigen diagonalen Anschlüsse wurden zwar mehrfach versucht, scheiterten aber fast immer entweder an technischen Ungenauigkeiten oder verlorenen Zweikämpfen.

So wird wie schon in den vergangenen Spielzeiten erneut die krasse Defensivschwäche zum Hemmschuh der ganzen Mannschaft und gefährdet den Mannschaftserfolg. Eine etwas sicherere, zumindest auf mittlerem Bundesliganiveau agierende Defensive, die der Mannschaft das Gefühl geben würde, hinten zumindest nicht offen wie ein Scheunentor zu stehen, würde vermutlich reichen, um Spiele gegen Gegner wie den VfB, der sich in der zweiten Halbzeit bis zum Ausgleich nur noch in der Defensive befand und der SGE technisch-spielerisch wenig entgegenzusetzen hatte, zu gewinnen.

So ist derzeit leider eine Stagnation der Entwicklung des Teams zu beobachten. Nach wie vor auf recht hohem Niveau, aber insbesondere die offensive Schwäche ist durchaus bedenklich und die Mannschaft wird kaum eine andere Wahl haben, also das Risiko in den eigenen Angriffen wieder zu erhöhen, denn dass nun mitten in der Saison plötzlich das defensive Problem in den Griff bekommen wird, ist nicht sehr wahrscheinlich.

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VfL Wolfsburg – SGE 2:2 (2:2)

Während Glasner nach dem Spiel mit dem Punkt zufrieden war, blicken wir erneut auf die Abwehrleistung der SGE und die erneut auftretenden Fehler, aber auch auf die beiden erzielten Treffer.

Die Aufstellung

SGE: Trapp (3+) – Tuta (2), Hasebe (3), Ndicka (2-) – Buta (3+), Rode (3), Kamada (3), Max (3) – Lindström (4), Kolo Muani (3), Götze (4)

eingew. 74. Lenz (3), Jakic (3); 85. Knauff, Borré

VfL Casteels – Baku, Lacroix (75. Bornauw), van de Veen, Otavio – Svanberg (85. F. Nmecha), Arnold, Gerhardt – Wimmer (68. Paredes), Marmoush (85. L. Nmecha), Kaminski

Die Statistik

gibt es hier, hier und hier

Die Highlights

Quelle: Youtube

Die Spielanalyse

Die SGE versuchte es gegen Wolfsburg in der Anfangsphase mit Angriffspressing, versuchte bereits die Aufbaubemühungen der Gastgeber zu stören, offenbar hatten die SGE-Analysten dieses als Schwäche erblickt und tatsächlich hatte die SGE auch mehrere Ballgewinne, die daraus resultierten.

Die erste gute Abschlusschance hatte hingegen Kamada in der 9. Minute nach einem starken Aufbau-Flugball von Hasebe und folgender Schnellkombination über links.

Mit der nächsten Aktion fällt das 1:0 für Wolfsburg. Vorausgegangen war ein Ballbesitz der Eintracht, langer Ball Ndicka in die Spitze, der von den Wolfsburgern abgefangen wird. Nun geht die SGE ins Gegenpressing und zwar so:

Kamada rennt Richtung Arnold ohne wirkliche Chance auf den Ball, Rode steht fast auf einer Höhe, also ohne versetze Absicherung in die Zentrale zu sein und so steht Gerhardt hinter den beiden SGE-6ern völlig frei und kann den Steilpass auf Marmoush spielen, der dann zum Tor führt.
Gerhardt ist nach vorne völlig unbedrängt, kann den Pass in die Spitze frei spielen. Die hintere Reihe der SGE steht auf drei verschiedenen Höhen, Ndicka hebt hinten das Abseits auf, Tuta und Hasebe stehen viel zu weit auseinander, Tuta dazu noch zu weit aufgerückt.

Das ist ungefähr derselbe Abwehrfehler wie vor dem 2:0 gegen Leipzig: offene Mittelfeldzentrale, zu großer Abstand Hasebe-Tuta (gegen Leipzig Tuta-Knauff), Aufhebung der Abseitslinie, diesmal durch Ndicka und vor allem dass hier ohne Einrücken auf einer Linie verteidigt wird und ohne Rückwärtsbewegung (um Marmoush die Tiefe nehmen zu können), ist völlig indiskutabel. So kann man in der Bundesliga nicht verteidigen und so sehr Glasner die Mannschaft in anderen Bereichen weiterbringt: Er ist nun seit fast 2 Jahren Trainer und in dem isolierten Spiel der Dreierkette ist jegliche Weiterentwicklung ausgeblieben, die Mannschaft bewegt sich in diesem Bereich im Grunde auf einem Niveau, das kaum bundesligatauglich ist und man wird wohl bei wenigen anderen Bundesligisten eine letzte Reihe finden, die derart unfähig ist, Angriffe isoliert zu verteidigen. Dazu bedürfte es gruppentaktischer Detailarbeit, die offenbar seit fast zwei Jahren ausgeblieben ist und nachdem ja auch Glasner nun seit Wochen wieder in der Analyse immer wieder die gleichen Fehler von seinen Spielern präsentiert bekommt, ist das weiterhin schon sehr erstaunlich. In der Analyse zum Leipzig-Spiel wurde hier detailliert aufgeführt, welche Fehler die Kette macht, man möge das bitte dort nachlesen, es sind in dieser Situation exakt dieselben. In der zweiten Hälfte gegen Wolfsburg gab es einige weitere, zum Teil noch haarsträubendere Fehler der Kette, bei denen die SGE viel Glück hatte, das Spiel dadurch nicht noch zu verlieren.

Auch das zweite Gegentor ist in der Entstehung, man muss es so sagen, von der SGE-Abwehr geradezu provoziert:

Zunächst steht die SGE-Defensive hier wieder sehr optimistisch: In der gefährlichen Zone hinter Rode, also Richtung eigenes Tor, ist hier bereits eine 2 gg. 3 -Unterzahl entstanden, da sich mit Max, Götze und Kamada gleich drei Spieler Richtung dem Ballbesitzer Baku orientieren bzw, ihm entgegenrennen, und zwar, wie man sieht, auf einer Höhe. Rode lässt Svanberg in den dahinter sich öffnenden Raum laufen, womit er nun auf Rechtsaußenposition völlig frei steht. Selbstredend lässt sich Baku das nicht entgehen und spielt Svanberg umgehend an.

Um Svanberg nicht völlig frei sich aufdrehen zu lassen, muss Ndicka nun aus der Kette heraus (ganzer Ablauf im Clip):

Auch bei dem folgenden Freistoß sieht die SGE-Hintermannschaft nicht sonderlich gut aus:

Hier ist der Ball noch nicht einmal in der Luft und 6 SGE-Spieler sind schon fröhlich auf dem Weg Richtung eigenes Tor. Auch 5 Wolfsburger schließen sich an, Gerhardt köpft ihn dann auch ins Tor.

Auch wenn das bei den meisten Profiteams inzwischen so praktiziert wird, dürfen leise Zweifel angemeldet werden, ob das so geschickt ist, bei einem so weit vorne ausgeführten seitlichen Freistoß „16er Schluss“ zu proklamieren, damit man dann gemeinsam mit dem Gegner voll in den hineingeflankten Ball Richtung eigenes Tor rennen muss, insbesondere wenn man, wie die Eintracht hier, gar nicht auf Abseits spielt, sondern schon vor der Freistoßausführung Richtung eigenes Tor rennt.

Noch zu den beiden SGE-Toren:

Das erste Tor durch Kolo Muani ist nicht herausgespielt, entsteht nach einer eher unübersichtlichen Mittelfeldsituation und einer guten Einzelleistung von Kolo Muani, der den Ball sichern und auf Lindström außen weiterleiten kann. Lindström knallt den Ball aus wenig aussichtsreicher Position dann Richtung Tor, statt ihn nach außen auf den völlig freien Buta zu legen. Dort landet der abgewehrte Lindström-Schuss dann aber doch, Buta schlägt eine Manni-Kaltz-Gedächtnis-Präzisionsflanke (aber von rechts) und Kolo Muani köpft im direkten Duell mit Baku ein. Das Tor den starken Einzelaktionen von Kolo Muani und Buta zu verdanken.

Das zweite SGE-Tor hingegen entsteht aus einem Eintracht-typischen, extremen Offensiv (Gegen-)pressing, hier ausgeführt vor allem von Rode. Dessen Flanke wird zwar abgewehrt, aber der noch wegen einer vorherigen Ecke aufgerückte Ndicka schießt dann den abgewehrten Ball per Dropkick von der 16er-Linie ins Tor.

Das Fazit

Es gibt nach dem Wolfsburg-Spiel analytisch wenig Neues zu berichten: Die letzte Reihe ist nach wie vor ein extremer Schwachpunkt und es ist kaum absehbar, wie die SGE in dieser Konstellation nachhaltig und langfristig erfolgreich sein kann.

Dabei zeigte die Mannschaft zumindest beim zweiten Tor, wie stark sie gruppentaktisch arbeiten kann (Gegenpressing) und beim ersten Tor, welch großartige Fußballer sie in ihren Reihen hat (Buta, Kolo Muani).

So ist, nicht nur im Wolfsburg-Spiels derzeit eine Stagnation der Entwicklung des Teams auf allen Ebenen, allerdings auch auf recht hohem Niveau, zu beobachten. Da die Mannschaft inzwischen im Grunde in praktisch jeder Konstellation und gegen nahezu jeden Gegner ziemlich zuverlässig ein bis zwei eigene Tore produzieren kann, zur Not auch durch starke Einzelleistungen, gerät die Defensive naturgemäß wieder in den Fokus. Wir haben hier bereits mehrfach und immer wieder die Probleme in und mit der letzten Reihe gezeigt, es sind immer die gleichen, inzwischen fällt die Mannschaft zunehmend auch wieder in ältere falsche Muster zurück, die zwischenzeitlich schon einmal besser gemacht wurden, insbesondere was die Abstände in der letzten Reihe selbst betrifft, aber auch bezüglich der Abstände zwischen der letzten Reihe und dem Mittelfeld. Insbesondere letzteres wird von Jakic als zentralem IV deutlich konsequenter organisiert als von Hasebe.

Sowohl gegen Leipzig wie auch jetzt in Wolfsburg bot die SGE zu große Räume an, war gegen beide Gegner nicht in der Lage, im Grunde einfache Standard-Abwehraufgaben zu bewältigen. In beiden Spielen bekam sie völlig wehrlos, weil viel zu weit auseinander, Pässe in die Spitze auf der Innenbahn durchgespielt, in beiden Spielen stand die Kette dabei nicht auf einer Höhe und hob somit das Abseits auf, in beiden Spielen stand die letzte Reihe dabei so hoch, dass sie nach hinten den schnellen Spielern wie Werner (Leipzig) und Marmoush (Wolfsburg) viel zu große Räume bot (und das mit einem zu langsamen, fast 40jährigen zentralen IV), und so tief, dass kein Druck per Durchsichern auf die Passgeber ausgeübt werden konnte. Diese fehlerhaften Muster sind in den Spielen immer und immer wieder zu beobachten, sie sind also systematisch, müssten eigentlich vom Trainer bearbeitet werden.

Ein zunehmendes Problem wird auch die Doppelsechs, die, wie schon gegen Leipzig, oft weder Druck auf die offensive Zentrale des Gegners bekommt, noch die Gegenspieler in der Tiefe abdeckt (zweites Gegentor, Rode). Das Glasner-Muster, wonach diese freien Gegenspieler aus der letzten Reihe durchgesichert werden müssen, birgt enorme Risiken und braucht extrem starke 1 gg. 1 – Spieler in der Abwehrkette, über die die SGE schlicht nicht verfügt. Insbesondere Ndicka (wie vor dem zweiten Gegentor), aber ebenso Tuta sind oft mit den sehr anspruchsvollen Zweikampfsituationen (wie oben gezeigt) schlicht überfordert und auch nicht hinreichend darauf vorbereitet. Zu der Problematik, mit Hasebe einen positionsfremden zentralen Innenverteidiger zu haben, der mit seinem oft IV-inadäquaten Spiel und seiner inzwischen auch unübersehbar nachlassenden Schnelligkeit seit langem eher Teil des Problems als der Lösung ist, wurde hier ohnehin immer und immer wieder hingewiesen.

Dass die SGE seit Jahren in der letzten Reihe, im isolierten Verteidigen der Kette, in den Bereichen Ein- und Nachschieben und Höhehalten (Spiel mit Abseits) große Probleme hat, haben wir hier regelmäßig dokumentiert, inzwischen muss man feststellen, dass es in der Bundesliga kaum einen andere Mannschaft gibt, die dort derartig fehlerhaft arbeitet, was die Mannschaft natürlich dauernd vor das Problem stellt, mit einer extrem schwachen Defensive dauerhaft gegen stärkere Defensivreihen Tore erzielen zu müssen.

Das geht mit der sehr starken Offensive noch meistens gut und reicht eben auch, um gegen Mittelteams wie Wolfsburg auswärts einen Punkt zu holen, warum aber das Trainerteam kein zuverlässiges defensives Konzept erarbeitet hat, bleibt schleierhaft.

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Leipzig – SGE 2:1 (2:0)

Die wichtigsten Szenen des Spiels in der Analyse und etwas Ausführlicher die aktuelle Situation im Fazit.

Die Aufstellung:

SGE: Trapp (3) – Tuta (4), Hasebe (3-), Smolcic (3) – Knauff (3), Rode (3), Sow (3), Max (4) – Lindström (3), Kolo Muani (4), Kamada (3-)

eingew.: 60. Buta (3), Lenz (3), Jakic (3); 80. Borré (3-), 88. Alario

(die Noten in Klammern beruhen weitgehend auf den von sofascore.com berechneten Daten)

LEI: Blaswich – Henrichs (90. Simakan), Orban, Gvardiol, Halstenberg – Laimer, Kampl (69. Schlager) – Szoboszlai, Forsberg (69. Haidara) – Poulsen (59. Nkunku), Werner (69. Silva)

Die Statistik

gibt es hier, hier und hier

Die Highlights

Quelle: Youtube

Die Spielanalyse

Zunächst die drei Tore im Detail, dann im Fazit einige Anmerkungen zum Spielverlauf und den zuletzt wiederholt auftauchenden Problemen.

Das erste Gegentor fällt äußerst unglücklich. In der Sequenz, die dem Tor vorausgeht, macht die SGE eigentlich vieles richtig, presst die Leipziger früh und aggressiv an, verhindert damit kontrollierten Aufbau.

Der Aufbauball von Orban, den das SGE-Pressing erzwingt, ist schwach und der aufgerückte Smolcic gewinnt ihn. Allerdings kann die SGE ihn nicht richtig sichern, es kommt zu mehreren 50:50-Situationen.

Schließlich können sich die Leipziger mit einem schwachen, hohen Aufbauball „befreien“, es kommt zu mehreren Kopfbällen, der Ballbesitz wechselt ständig, keine Mannschaft kann die Situation kontrollieren. Man möge sich, bevor man erzählt, die SGE habe hier „geschlafen“ oder ähnliches, die Sequenz noch einmal anschauen (eintracht.tv ab 10:05).

Entscheidenden Anteil haben schließlich Hasebe mit einem schwachen Kopfball und allen voran Tuta, der den Ball mit einem Stockfehler verliert. Hier aber ein Blick auf ein Phänomen, das wir zuletzt auch im Spiel gegen Neapel schon beobachtet haben: Das sehr weite Aufrücken/Durchsichern, das das Glasner-Pressing notwendig macht (zumindest wenn man mit 3-2-Konstellation in der Zentrale spielt, statt wie beim Spiel mit Viererkette (2-3-Konstellation), ist vor allem gegen hoch stehende, starke Gegner mit starkem Gegenpressing äußerst riskant:

Man sieht hier, dass Smolcic, der von seiner Pressingposition zurückkommt, keine optimale Stellung zum Ball hat, in den Zweikampf mit Poulsen von der falschen Seite gehen muss und ihn deswegen nicht nach vorne köpfen kann, sondern nur Richtung Hasebe. Dessen Kopfball landet dann bei Szoboszlai, der ihn dann Tuta in die Füße köpft.

Klar ist das alles nicht der entscheidende Moment und man kann hier noch über einiges anderes diskutieren, z.B. ob es sinnvoll ist, Hasebe und Tuta, die beide keine Sprinter sind, in solchen Situationen in der letzten Reihe 2 gg. 3 stehen zu lassen, also ob hier ein Stellungsfehler von Knauff vorliegt. Dass der stärkste Kopfballspieler der SGE fast bis in die vordere Linie nachschieben muss, um die Pressingabteilung zu unterstützen und dann hinten beim Kopfballspiel fehlt, ist jedenfalls sicher nicht optimal, und genauso wenig, dass der fast 40jährige Hasebe gegen Werner die einzige Absicherung in so einer Situation ist.

Beim zweiten Tor ist es noch deutlicher:

Sow unterstützt die Pressinglinie wie vorgesehen vorne, Smolcic sichert an der Mittellinie durch (andernfalls hätte Kamada hier von vornherein 1 gg. 2 gestanden), die restliche hintere Reihe steht so weit entfernt, dass sie hier nicht einmal im Bild ist und verliert so jeden Kontakt zum Mittelfeld. Die Abstände zwischen den Ketten sind hier zu groß.

Nun verlieren Smolcic und Kamada das 2 gg. 2 gegen Forsberg/ Szoboszlai bzw. können darin den Ball nicht gewinnen, Rode sichert nicht die Halbposition, sondern rennt auch noch in das (schon verlorene) 2 gg. 2, womit das Mittelfeld der SGE ausgespielt ist, dann die hintere Reihe der SGE völlig isoliert steht und das geht bekanntlich selten gut:

Hier erwartet die letzte SGE-Reihe eigentlich noch in 4 gg. 4 – Gleichzahl den Szoboszlai-Pass, doch Tuta und Knauff stehen weit auseinander, weit aufgerückt (kein Space nach hinten zu Werner) und machen kein hinreichendes Verzögerungs-Tempo nach hinten (genaugenommen praktisch gar keines). Auf Szoboszlai gibt es keinerlei Zugriff mehr und so bekommen sie den Ball ziemlich wehrlos auf der Innenbahn in den Lauf von Werner gespielt.

Damit ist auch die SGE-Kette ausgespielt. In dieser Situation hier beim Pass von Szoboszlai in die Spitze muss die Kette entweder

a) auf Abseits spielen und Werner ins Abseits stellen. Das hebt Hasebe oben aber auf; oder

b) schnell bis 16- 20 m zum eigenen Tor zurückweichen und somit den freien tiefen Raum zum Anlaufen schließen und den Angriff verzögern; oder

c) mit korrekten Abständen hinten arbeiten, dafür müsste Knauff weiter innen stehen und in offener Stellung zum Ansprinten sein. Der Werner-Laufweg von außen nach innen hier ist ein Standardweg und eine von Werners Spezailitäten, das dürfte bekannt sein.

Nichts davon macht die SGE. Sie bleibt stattdessen mit offener Innenbahn viel zu weit draußen stehen – so weit vom eigenen Tor ohne nennenswerte Zurückweichbewegung, dass ein riesiger, anspielbarer und ansprintbarer Raum hinter ihnen entsteht.

Den Pass auf Werner kann die SGE so nicht verhindern und Hasebe steht am Ende 1 gg. 3 und kann auch das Tor nicht mehr verhindern.

Leipzig spielt die SGE hier zwar auch mit gutem Anlaufverhalten und Timing, einem guten Doppelpass im Mittelfeldbereich und einem guten Tempodribbling von Szoboszlai aus, aber die SGE ist in der Situation auch offen wie ein Scheunentor. Außerdem:

Die Situation beim Querpass von Werner. Hier war der Weg für Smolcic vom „Durchsichern“ bis zu Gegenspieler Forsberg erneut zu weit, Forsberg erzielt das Tor.

Noch zum Tor der SGE in der 61. Minute:

Die SGE spielt das Tor über Kombinationsspiel heraus. Es geht wieder einmal schnell quer-tief-…, also ein typischer, stark gestellter SGE-Angriff (siehe ganzer Clip, ca. 1:40 Min.):

Damit sind die Leipziger auf außen ausgespielt. Sie haben zwar hinten immer noch Gleichzahl, die Box-Besetzung bzw. das Nachrückverhalten der SGE ist dann bei dem Rückpass von Buta aber so stark, dass es kaum noch zu verteidigen ist. Sow ist völlig blank und schießt ein.

Das Fazit

Das Spiel gegen Leipzig erhärtet mehrere in den letzten Spielen zu beobachtende Erkenntnisse:

  1. Das Spiel mit 5er-Kette und Durchsichern ist riskant, besonders wenn die letzte Reihe Fehler beim Nachschieben usw. macht und die Räume, die sich dadurch im hinteren Bereich öffnen, werden zunehmend von Gegnern genutzt. Das ist anspruchsvoll und nur von technisch starken Teams auszuführen. Gegen Leipzig war, wie gezeigt, zweimal das weite Aufrücken von Smolcic problematisch, nachdem das Pressing samt Smolcic überspielt war. Dem Spieler kann man wenig Vorwurf machen, er hält sich da wohl an den Plan. Die Frage ist, ob das gegen technisch starke und ballsichere Teams wie Leipzig, Neapel u.ä. wirklich noch ein guter Plan ist. Allerdings stellt sich diese Frage schon länger und in vielen Spielen hat es ja auch gut funktioniert. Im Moment lässt sich aber beobachten, dass gleichstarke/stärkere Gegner das als Einfallstor nutzen, was bedenklich ist.
  2. Die Eintracht hat in der Offensive einige funktionierende Angriffsmuster, legt sich aber zu sehr auf das Mittelfeld-Konter-Spiel fest und vertraut zu selten dem eigenen Positionsspiel/Aufbauspiel/Ballbesitz. Das Pressing/Konterspiel aus dem Mittelfeldpressing mit Abkippen ins Angriffspressing wird von den Gegnern aber inzwischen wo immer möglich verhindert. Von den 56 Pässen des Leipziger Keepers Blaswich waren nur 14 Kurzpässe bis 14 m, alles andere waren mittellange oder lange Bälle und man konnte das im Spiel auch sehr gut beobachten: Die Leipziger überspielten die Pressinglinie der SGE immer wieder mit langen Bällen, sobald sie ihr zu Nahe kam. Erst als die SGE in der zweiten Halbzeit auf echtes Angriffspressing umschaltete, also nicht mehr versuchte, aus dem Mittelfeldpressing ins Angriffspressing zu „kippen“, sondern die Leipziger mit dem ersten Ballkontakt in vorderster Front presste, konnte sie Bälle gewinnen, Druck aufbauen, ihren Ballbesitzanteil (von 46 auf 47 Prozent) leicht steigern und wurde deutlich gefährlicher (von XGoals 1.14 : 0.15 in der ersten HZ auf 0.58 : 0.69 in der zweiten Hälfte, dort war die SGE also nach XG sogar die gefährlichere Mannschaft). Das reine Spiel auf Konter aus dem Mittelfeldpressing ist zu wenig, um nachhaltig gegen die Top-6 der Bundesliga gewinnen zu können und es ist bezeichnend, dass das einzige SGE-Tor nach einem Positionsangriff mit Seitenwechsel gefallen ist, der bereits im Aufbau Tiefe hatte, also kein Konter war, sondern ein gezieltes Ballbesitz-Manöver. Siehe oben.
  3. Die letzte Reihe der SGE ist nach wie vor viel zu fehleranfällig. Was hier schon lange thematisiert wurde, zeigt sich in den letzten Wochen wieder zunehmend: Die ohnehin nicht sehr sattelfeste Hintermannschaft mit positionsfremden Spielern wie diesmal Knauff und Hasebe tut sich mit der Aufgabe, sowohl dauernd ins Mittelfeld durchsichern und aufrücken zu müssen und andererseits isoliert die dennoch entstehenden Durchbrüche der Gegner verteidigen zu müssen, sehr schwer. Die Gegentorflut rollt in den letzten Spielen bereits wieder bedrohlich heran und auch im zweiten Glasner-Jahr zeichnet sich ab, dass ein entscheidender Entwicklungsschritt des Teams (auch ergebnisseitig) in der letzten Reihe nach wie vor noch aussteht. Daran wird weder taktisch noch personell ein Weg vorbeiführen.
  4. Die totale taktische Fixierung auf 3er/5er-Kette und Doppelsechs wird, wie schon gegen Neapel und wie hier seit langem thematisiert, insbesondere gegen technisch-spielerisch gleichwertige oder überlegene Gegner zum Problem. Systemumstellungen finden bei Glasner praktisch nicht statt. Die durchaus sinnvollen Versuche mit der Viererkette zu Beginn beider Glasner-Spielzeiten wurden viel zu schnell wieder aufgegeben und offenbar nicht daran weitergearbeitet. So wissen die Gegner nun auch, dass sie mit einem Dreiermittelfeld immerzu Überzahl in der Zentrale haben, außerdem alle Sechser-Kandidaten im Glasner-System auch sehr oft bis in die vordere Reihe ins Pressing mitschieben (müssen) und die Verteidiger nachrücken müssen. Das ist von vielen inzwischen ausgelesen und wird als Einfallstor genutzt. Und zwar im Wissen, dass die SGE taktisch darauf nur reagieren kann, indem sie ihr starkes Angriffspressing komplett abschaltet und vorsichtiger agiert. Selbst gegen Leipzig, wo auch ein Laie ohne Probleme erkennen konnte, dass dieses Angriffspressing ein wichtiges Element ist, um Druck auszuüben, auf Ballbesitzzeiten zu kommen, das Spiel vom eigenen Tor fern zu halten und evtl. zweites SGE-Tor ermöglichen würde, stellte Glasner erst in der 88. Minute auf 4-3-3 bzw. 4-2-4 um, zu spät, um noch etwas bewirken zu können. Völlig alternativlos nur ein einziges System spielen zu können, ist, um es vorsichtig zu sagen, riskant und umso riskanter, je höher Niveau und Ansprüche werden.

Um das noch einmal klarzumachen:

Die SGE kassierte in der vergangenen Bundesliga-Saison 1,44 Gegentore pro Spiel. Die Top 4 der Bundesliga im Durchschnitt 1,27. Das ist im internationalen Vergleich übrigens noch sehr viel. Die Top-4 in England kamen 2021/22 auf 0,82 Gegentore, die italienischen CL-Qualifikanten auf 0,86, die spanischen auf 0,93 und die französischen Konkurrenten auf 1,01 (hier auch die Top 4 als Maßstab, obwohl die Ligue-1 momentan nur 2 CL-Plätze hat). Eine Quote von 1,44 Gegentoren ist international nicht konkurrenzfähig und in der laufenden Saison ist die SGE mit aktuell 1,41 Gegentoren pro Spiel kaum besser. Einen besonders triftigen Grund, keinerlei Alternative zu dem sehr wackligen 5-2-3 / 3-4-3 zu erarbeiten, geben diese Daten jedenfalls nicht her.

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SGE – SSC Neapel 0:2 (0:1)

Die SGE wurde von vielen Beobachtern sehr negativ gesehen. Die üblichen Schwächen wurden erwartungsgemäß von den Italienern ausgenutzt, dazu ist in K.O.-Spielen gegen solch starke Gegner die Unfähigkeit zu Systemumstellungen ein Problem. Die Analyse.

Die Aufstellung

SGE: Trapp (2) – Tuta (4), Jakic (3-), Ndicka (3) – Buta (4), Kamada (3), Sow (3), Max (3-) – Lindström (3-), Kolo Muani (4), Götze (3-)

eingew.: 69. Knauff (3), Borré (3-); 81. Alidou (3); 92. Lenz (-)

(die Noten in Klammern beruhen weitgehend auf den von sofascore.com berechneten Daten)

SSC: Meret – Di Lorenzo, Rrahmani, Kim, Olivera – Anguissa (80. Ndombele), Lobotka, Zielinski – Lozano (80. Elmas), Osimhem (84. Simeone), Kvaratskhelia (84. Politano)

Die Statistik

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Die Highlights

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Die Spielanalyse

Die sicher wichtigste analytische Frage nach dem Spiel ist die nach den Chancen der SGE im Rückspiel und die Antwort darauf findet sich hauptsächlich in den ersten 20 bis 25 Minuten des Spiels, da die Eintracht es hier durchaus schaffte, den Gegner vor Probleme zu stellen.

Zunächst aber war von Beginn an zu sehen, dass die Mannschaft aus Neapel taktisch ein ganzes Stück weiter ist als die SGE, dauerhaft Angriffspressing spielte und viel über den eigenen, sehr ambitionierte Aufbau, während die Eintracht fast ausschließlich auf Mittelfeldpressing setzte und so von Beginn an in eine sehr defensive Position geriet (Im Gesamtspiel nur 31% Ballbesitz) Warum, dazu mehr im Fazit.

Den ersten interessanten Abschluss hatte die SGE indes bereits in der 5. Minute, als sich Lindström rechts im 1 gg. 1 gegen Oliveira durchsetzen konnte, ebenso wie dann in der Box Kolo Muani gegen Rrahmani. Entstanden war die Situation nach einem langen Ball von Trapp ins Mittelfeld und einem schwachen Kopfball der Italiener auf Kamada, also ein zweiter Ball, der bei der SGE landet.

Das ist der Flugball von Trapp. Der Ball überspielt hier beide 3er-Pressing-Linien der Italiener und isoliert damit die Viererkette von Neapel. Hier sind die SSC-Abstände etwas zu groß und der linke Verteidiger Olivera muss weit aus der Kette heraus, um diesen Ball köpfen zu können. Dadurch entsteht ein 2 gg. 1 Götze/Lindström gegen Olivera, dass die SGE dann sofort ausspielt. Über Kamada und Götze wird Lindström dann mit etwas Vorsprung gegen Olivera ins 1 gg. 1 geschickt und kann sich durchsetzen.

Der Angriff scheitert letztlich hauptsächlich an der schwachen Boxbesetzung der SGE, trotzdem kommt Kolo Muani letztlich noch zum Abschluss. Hier konnte Neapel durchaus froh sein, dass die Eintracht das im Sechzehner nicht besser besetzt hat, sonst wäre hier das 1:0 durchaus möglich gewesen. (der ganze Angriff bei eintracht.tv ab 14:03).

Eine erste Möglichkeit für das Rückspiel, vielleicht die Wichtigste wird hier aber sichtbar: Gezielte Bälle aus dem eigenen (tiefen) Aufbau hinter die beiden 3er-Linien der Italiener und diese (zweiten) Bälle intensiv attackieren, um die hintere Kette zu isolieren oder – noch besser – flache, gezielte Anspiele in diese Zone.

Ebenfalls durchaus effektiv, aber von der SGE im gesamten Spiel viel zu selten angewendet, war das Abkippen ins Angriffspressing nach dem ersten Aufbauball der Italiener. Warum das nur selten durchgeführt werden konnte, dazu ebenfalls mehr im Fazit.

Nach dem Aufbauball von Kim ins Mittelfeld und dem Anlaufen von Lindström hat die SGE hier alle schnellen, also direkten Passwege von Lobotka zugestellt. Er muss jetzt den Ball am Fuß behalten und quer zum Feld laufen – eine optimale Situation, um ihn zu attackieren, was dann auch gelingt und den nächsten Abschluss der SGE einleitet.

Überhaupt stellte die SGE in der Anfangsphase mit der 5-2-3-Mittelfeldpressingformation fast alle Passwege nach vorne zu, sodass Neapel kaum zu offensiven Aktionen kam und viele Angriffe abgefangen werden konnten. In der 10. Minute hat Götze nach einem Freistoß von links einen weiteren Abschluss aus der zweiten Reihe, nachdem Neapel Lindström links nur mit Foul stoppen konnte. Die ersten zehn Minuten gingen an die SGE, das sah bis dahin sehr gut aus.

Auch in den zweiten 10 Minuten ändert sich wenig, die SGE versuchte so oft wie möglich vorne ins Gegenpressing zu kommen, bleibt sonst bei der Marschroute Mittelfeldpressing und kommt bspw. in der 16. Minute nach einem langen Trapp-Flugball erneut an den beiden Pressing-Reihen der Italiener vorbei und nach einem zwischenzeitlichen Ballverlust in zwei Offensivaktionen hintereinander (eintracht.tv ab 24:55), die schließlich mit einer (nicht ungefährlichen) Buta-Flanke abgeschlossen wird. Es kommt nach einer unnötig von Buta herbeigeführten Ecke zu einer Ecken-Serie der Italiener, bei der sie erstmals gefährlich werden, aber Trapp kann zweimal stark halten, die Situationen werden geklärt.

Bis zur 25. Minute haben die hoch gehandelten Gäste bis auf einen Konter und zwei Ecken kaum wirksame Aktionen nach vorne, die SGE hat die Sache bis dahin recht gut im Griff. In der 25. Minute hat sie auch nach einem längeren Positionsspiel über die linke Seite eine weitere interessante Szene Richtung Tor (eintracht.tv ab 33:23).

Das ist potenziell bis dahin die größte Möglichkeit des Spiels. Lindström startet in den völlig freien Raum in der Neapel-Box, aber Sow traut sich den Pass durch den engen Passweg nicht zu und dribbelt stattdessen weiter, versucht dann einen Pass auf Kolo Muani, der aber nicht ankommt.

Den ersten größeren (leider systemischen, dazu im Fazit mehr) Fehler der SGE nutzen die Gäste direkt zu ihrer ersten großen Chance, aus der dann auch der Elfmeter hervorgeht.

Die Situation entspringt einem Aufbau-Positionsspiel der SSC, die SGE schiebt im Mittelfeldpressing. Hier der entscheidende Moment der Szene, aus der zunächst ein Pfostenschuss für Neapel und schließlich der Elfmeter entspringt:

Di Lorenzo spielt den Ball one-touch in den Raum hinter Ndicka und zwischen Jakic und Max. Hier geht in der letzten SGE-Reihe alles schief. Ndicka muss weit ins Mittelfeld durchsichern, verlässt die Kette, wodurch zwischen Jakic und Max ein großer Raum aufgeht. Außerdem steht Max zu tief, schiebt die Abseitslinie dadurch drei Meter nach hinten und ermöglicht dadurch Lozano überhaupt erst, den Sprint in die Spitze so gefährlich anzusetzen. Das ist wirklich krass: Der Außenstürmer steht bei seinem Antritt näher zum Tor als der zentrale Innenverteidiger der SGE (Jakic) und trotzdem nicht im Abseits. Das ist Kettenspiel from hell und selbstredend nutzt das eine Mannschaft wie Neapel dankbar entgegen.

Das Foul von Buta ist dann sehr unglücklich, kein absichtliches Foul, Trapp hält dann aber den Elfmeter mit einer extrem starken Parade. Es wäre sehr interessant, von Trapp zu erfahren, ob er die Ecke aus Beobachtungen früherer Elfmeter von Kvaratskhelia kannte. Genau so sah es nämlich aus und anders ist die Bewegung von Trapp kaum zu erklären.

Diese Aktion ist zwar für die SGE glimpflich ausgegangen, brachte Neapel aber zu seiner besten Phase bis dahin, sie spielten in den Minuten danach wieder sehr aggressives Pressing und zwangen die SGE zu Fehlern. Die Spielentscheidung im Detail hier im Clip:

Der Konter ist dann für Jakic und Tuta kaum noch zu verteidigen.

Nach dem 0:1 wird die SGE sehr unsicher, den Anstoß nach dem Tor nutzen die Italiener nach einem Aufbau-Fehlpass von Ndicka direkt zum vermeintlichen 2:0, das aber wegen Abseits korrekt zurückgepfiffen wurde.

Danach fing sich die SGE allerdings bis zur Pause wieder, hatte auch noch eine stärkere Sequenz, bei der sie technisch stark und sauber das jetzt sehr aggressive SSC-Pressing überwand und bei der eine Ecke heraussprang in der 44. Minute (eintracht.tv ab 52:52).

Die erste Halbzeit der SGE war vollkommen in Ordnung, von der Mannschaft war nicht mehr und nicht weniger zu erwarten. Neapel konnte die SGE zweimal auskontern und einmal ausspielen.

Bis zu der Roten Karte gegen Kolo Muani ändert sich an dem Bild nicht allzu viel, allerdings versucht Neapel das Spiel jetzt früher und schneller in den vorderen Bereich zu verlagern, tiefe Aufbaubälle werden nun schneller und mit mehr Risiko gesucht. Das führt zu erhöhtem Druck auf die letzte Reihe der SGE, und ohne alle Szenen im Detail zu besprechen: Das erhöhte Pressingaufkommen zeigte durchaus Wirkung, zeitigte einen 16-Meter-Schuss von Lozano frontal auf Trapp in der 55. Minute, in der 56. Minute müssen die Gäste nach einem krassen Jakic-Fehlpass im Grunde das 0:2 erzielen, aber Trapp hält die SGE mit einer Weltklasseaktion noch einmal im Spiel (eintracht.tv ab 11:47).

Trotzdem blieb die SGE auch in der zweiten Hälfte durchaus im Spiel, konnte die meisten Angriffsversuche der Italiener mit der breiten 5er-Kette verteidigen und versuchte immer wieder, eigene Angriffe zu starten. Zumindest bis zur 57. Minute, als nicht der Gegner, sondern der Schiedsrichter mit der Roten Karte gegen Kolo Muani das Spiel entschied, denn dass die SGE in Unterzahl gegen die bereits zuvor besseren Italiener kaum mehr eine Chance haben würde, war klar. Die Rote Karte ist natürlich viel zu hart, Kolo Muani muss zum Ball gehen können ohne Angst zu haben vom Platz zu fliegen, wenn er dabei den Gegner trifft, insbesondere da er noch den Ball gespielt hatte.

Beim 0:2 schafften es die Italiener erst in der 65. Minute zum zweiten Mal im Spiel, die Eintracht über eigenen Ballbesitz und Kombinationsspiel nachhaltig auszuspielen. Die Situation ist ziemlich komplex und sicher eine der interessantesten im Spiel. Der SGE unterläuft zunächst ein mannschaftstaktischer Fehler:

Bei dem Rückpass von di Lorenzo auf Rrahmani muss der SGE-Block viel weiter herausschieben (was er sonst auch fast immer tat), bleibt aber hier sehr tief stehen. Diesen vollständigen Block muss man natürlich gerade gegen eine Mannschaft, die wie Neapel über sehr weiträumiges Ballbesitz- und Kurzpassspiel kommt, so weit wie irgend möglich herausschieben, um sie mit ihrer Kombinationsstärke nicht zu nah ans eigene Tor kommen zu lassen.

Warum auch immer das Team hier nicht mehr nachschiebt, es erhöht sich so das Risiko, dass Neapel eine Schnellkombination mit Ausgang Torabschluss organisieren kann.

Und so stellen sie links weit in der SGE-Hälfte ein Passviereck mit Ausgang Lobotka. Hier hat die SGE schon überhaupt keinen Druck mehr, steht in der Kombinationszone defensiv 2 gg. 5. Trotzdem spielen die Italiener die Situation eigentlich etwas zu langsam und zögerlich aus. Kvaratskheklia bewegt sich nach seinem Pass auf Zielinski im Joggingtempo Richtung Zentrale, sodass Kamada eigentlich Zeit genug hat, um sich zu orientieren und Kvaratskhelia auf der Innenbahn zu folgen.

Hier passiert aber Kamada der entscheidende Fehler: Er erkennt erst als es längst zu spät ist, dass Kvaratskhelia hier einen gezielten Positionswechsel durchführt und den Angriff direkt Richtung Zentrale fortsetzen will und gerät so auf die Außenbahn. Hier:

Kamada gerät auf die Außenbahn, Sow deckt ebenfalls nicht den tiefen Passweg, sodass Zielinski hier mit seinem Pass auf Kvaratskhelia beide SGE-6er aus dem Spiel nimmt und die Italiener einen großen Freiraum mit direkter Passmöglichkeit in die Spitze ansteuern können.

Durch Kvaratskhelias anschließendes Tempodribbling ist die SGE-Kette isoliert und sofort bricht das übliche Chaos aus:

Tuta, Jakic und Götze stürzen ohne Rücksicht auf Verluste zu dritt auf Kvaratskhelia, schaffen es aber trotz 3 gg. 1 – Erstürmung nicht, den Ball zu gewinnen. Hinter dem 3er-Block entsteht, man sieht es hier, ein Freiraum, den die Italiener dann mit Doppelpass Kvaratskhelia-Anguissa und Nachrücken di Lorenzo extrem stark ausspielen.

Der Angriff der Italiener war eine Mischung aus bewusst gestellter Situation (Passviereck mit Ausgang Richtung Zentrale) und Improvisation (Spiel über die Zentrale über den einlaufenden Kvaratskhelia nachdem Kamada ihn laufen lässt, Angriffsfortsetzung mit diagonalem Anschluss). Das ist sehr stark gespielt und durchaus beeindruckend, nur ist der Spielzug auch bedingt durch die Stellungsfehler in der letzten Eintracht-Reihe.

Das Fazit

Damit ist das Spiel entschieden, für die SGE konnte es danach nur noch darum gehen, das Ergebnis nicht noch höher werden zu lassen, um zumindest noch eine Minimalchance im Rückspiel zu haben. Das gelang mit etwas Glück.

Alles in allem war das Ergebnis auch verdient, Neapel war in zu vielen Belangen das deutlich bessere, variablere Team, ihr Aufbauspiel konnte von der SGE nur sehr selten effektiv angepresst werden, ein eigenes konnte sie gegen das Napoli-Pressing praktisch nie organisieren. Insbesondere die dauernde, systematische Unterzahl im Mittelfeldbereich war ein echtes Problem. Hier zur Veranschaulichung eine Szene aus der 47. Minute:

Hier das asymmetrische Aufbauspiel der SSC. Manchem ist vielleicht schon im Live-Spiel aufgefallen, dass die Italiener immer leicht nach links abgekippt aufgebaut haben. Das lag nicht daran, dass wir vorm TV schon drei Bier intus hatten, sondern ist bewusst so gemacht und öffnet den diagonalen Flugball-Weg einerseits und bindet einen Offensiven (hier Lindström) im Mittelfeld. So hat die SGE nur noch zwei Spieler vorne. Auch gut zu sehen, wie breit und mit extrem langen Passwegen auch in der Tiefe Neapel im Aufbau steht, was die Wege für ein Angriffspressing noch zusätzlich sehr weit macht. Den diagonalen Aufbauball Kim-Anguissa muss Max hier aus der Abwehrkette nach vorne verteidigen. Auch wenn das meist von Max/Ndicka gut gemacht wurde, sind solche weiten Anlaufwege ebenfalls nicht optimal.

Mit dieser Strategie haben die Italiener es der Eintracht extrem schwer gemacht, sie im Aufbau anzupressen, dazu kommt die extreme Passhärte und -genauigkeit in ihren Pässen (was entscheidender ist als die reine Positionierung). Nur dadurch können sie das Spiel so weiträumig und dominant aufbauen. Die SGE hielt – so lange die Kräfte reichten – zunehmend nur noch dadurch dagegen, dass sie die hintere Aufbaureihe der Italiener möglichst weit hinten hielt. Sobald auch das nicht gehalten werden konnte und Neapel sein Kombinationsspiel weiter vorne ansetzen konnte, wurde es gefährlich.

In der Szene oben wird nicht von den 6ern nach vorne gepresst, also auch nicht von hinten durchgesichert, wie es der Pressingablauf der SGE eigentlich vorsieht. Aus gutem Grund: Diese Durchsicher-Aktionen aus der letzten Reihe öffnen in der letzten Reihe Räume, wie etwa bei der Entstehung des Elfers. Zur Erinnerung:

Hier war Sow aufgerückt, um Druck nach vorne auszuüben, Ndicka sichert durch, zwischen Jakic und Max entsteht ein großer Raum, den di Lorenzo und Lozano sofort bespielen.

So waren der SGE taktisch die Hände gebunden. Wenn sie anpressen wollte, ging das nur aus einer ohnehin schon strukturellen Unterzahlsituation im Mittelfeld, also nur mit Durchsichern aus der letzten Reihe, wodurch sich aber bespielbare Räume direkt zum Tor für die Italiener mit ihren messerscharfen Pässen und guten Angriffsmanövern aus dem Aufbau öffneten. Presste die SGE hingegen nicht an, wurde sie von dem Aufbauspiel der Italiener so lange zum Quer-Laufen gezwungen, bis entweder in den engen Kombinationsräumen rechts defensiv ein Fehler provoziert wurde (wie vor dem 0:2) oder die Italiener mit (diagonalen) Flugbällen (meist nach rechts) sich etwas Angriffsraum verschaffen konnten. (Es gab noch einige andere wiederkehrende Angriffsmuster, das würde hier aber den Rahmen sprengen.)

Dazu kam, dass Neapel selbst die Aufbauversuche der SGE (die deutlich weniger gut organisiert und ausgeführt wurden) sehr konsequent anpresste, was regelmäßig zu Ballgewinnen und guten Abschlüssen führte.

Für das Rückspiel wird sich Glasner überlegen müssen, ob er die Mannschaft wieder mit einer derartigen Dauerunterzahl im Mittelfeld antreten lassen will, die ihr im Grunde von vornherein alle Möglichkeiten nimmt, Neapel dauerhaft und länger als 20 Minuten unter Druck zu setzen und die die beiden 6er vor unlösbare Probleme stellte bzw. Fehler provozierte. Alle bekannten Probleme der SGE schlugen gegen einen derart starken, fehlerarmen und gut organisierten Gegner zu Buche: Dass mit Kamada und Jakic zwei positionsfremde (und dadurch fehleranfälligere) Spieler auf zentralen Positionen spielen, dass die Mannschaft derart einseitig auf 5er-Kette getrimmt und nicht in der Lage ist, ohne weiteres auf Viererkette umzustellen und daher kaum taktische Umstellungen möglich sind, ebenso dass die letzte Reihe isoliert nicht sehr zuverlässig ist. All das ist gegen einen Gegner wie Neapel natürlich ein (allerdings absehbares) Problem geworden. Es ist nach den Eindrücken des Spiels kaum vorstellbar, wie das mit dem 2er-Mittelfeld der SGE gegen das 4-3-3 der Italiener (das in vielen Hinsichten mehr Möglichkeiten bietet) im Rückspiel besser funktionieren könnte. Trotz allem war die SGE bei weitem nicht so weit entfernt von Neapel, wie es mancher Beobachter hinterher darstellte. Wer etwa eine völlig chancenlose SGE oder einen Klassenunterschied gesehen haben will, dürfte die ersten 20 Minuten noch im Stau vor dem Stadion gestanden haben. In dieser Phase waren durchaus auch Anknüpfungspunkte für das Rückspiel zu sehen, wie oben in der Analyse gezeigt.

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SGE – Werder Bremen 2:0 (1:0)

Bremen machte über 90 Minuten den Eindruck außer schnell wieder nach Hause nichts in Frankfurt zu wollen. Entsprechend wenig aufregend war das Spiel. Trotzdem hier ein Blick auf einige interessante Situationen und auf die Tore.

Die Aufstellung

SGE: Trapp (3) – Tuta (3), Jakic (2-), Ndicka (3) – Knauff (3), Kamada (3-), Sow (2-), Max (2) – Lindström (3), Kolo Muani (3+), Götze (3)

68. Borré (3) für Kolo Muani, 73. Lenz (3) für Max, 87. Alidou für Lindström u Alario für Götze

(die Noten in Klammern beruhen weitgehend auf den von sofascore.com berechneten Daten)

SVW: Pavlenka – Veljikovic, Stark (73. Pieper), Friedl – Gruev – Schmid (85. Dinkci), Schmidt, Stage (67. Philipp), Jung (68. Buchanan) – Füllkrug, Ducksch

Die Statistik

gibt es hier, hier und hier

Die Highlights

Die Spielanalyse

Um die Abläufe des Spiels und auch den Matchplan der SGE darzustellen, ist die Entstehung des 1:0 charakteristisch und enthält bereits die wichtigsten Elemente:

  • das eher auf Konter angelegte SGE-Spiel (Pressing-Zugriffe erfolgten meist vergleichsweise tief, die letzte Reihe der Bremer wurde erst in der Mittelzone attackiert)
  • die Bereitwilligkeit der Bremer, dieses Spielchen mitzuspielen, ihr breiter, vergleichsweise langsamer Aufbau mit relativ vielen (teils anspruchsvollen) Pässen und Passstafetten und
  • die individuelle (Tempo-) Überlegenheit der SGE-Offensiven gegen ihre Gegenspieler. Darüberhinaus der Tempounterschied der beiden Teams insgesamt.

Denn zunächst geht dem Freistoß, der dann zum Tor führt, eine lange Bremer Ballstafette voraus: 12 Pässe in den eigenen Reihen, 48 Sekunden lang Ballbesitz für Bremen und ein recht anspruchsvolles doppeltes Diagonal-Manöver mit zwei Seitenwechseln über Veljkovic-Jung und dann Richtung den rechten Schienenspieler Schmid, der bis in den SGE-16er aufgerückt ist. Das Kopfballduell gegen Schmid gewinnt Max und den daraus resultierenden Ball gewinnt Götze gegen den ebenfalls sehr weit aufgerückten Bremer Verteidiger Veljkovic am eigenen Sechzehner. Über Sow landet der Ball dann bei Max, der mit Ballannahme ins Tempo gehen kann (eintracht.tv ab 11:26):

Das ist der Moment, in dem die SGE mit Max den Konter startet. Mit dem Tempodribbling von Max ist das Gegenpressing der Bremer weitgehend überwunden, hier sind Schmid, Gruev und Vejkovic bereits überspielt, Max und Kolo Muani (ganz links am Bildrand) stehen schon 2 gg. 1 gegen Schmidt.

Den entscheidenden Fehler macht zuvor Gruev, der zu spät und mit zu viel Tempo in den Zweikampf (chancenlos, einen kontrollierten Zweikampf zu führen) mit Sow rennt und dann, wie auf dem Standbild zu sehen, auf der Außenbahn landet, womit das Zentrum der Bremer nicht mehr besetzt ist.

Dass man der SGE, man kann sich da nur wiederholen, niemals solche Kontermöglichkeiten geben darf, weil das Ausspielen dieser Situationen die Stärke der Mannschaft schlechthin ist, dürfte inzwischen allseits bekannt sein und während die Kölner letzte Woche noch vormachten, wie man die Eintracht gut verteidigt (nämlich mit relativ wenig Risiko im vorderen Pressing und mit dauerhafter Absicherung in der letzten Reihe), rennen die Bremer hier schlicht sehenden Auges ins Verderben: Die komplette rechte Seite der Bremer ist hier sehr weit aufgerückt im Gegenpressing inklusive des zentralen MF:

Das ist die grobe Aufstellung der Bremer. Wie man im obigen Standbild gesehen hat, sind an diesem Gegenpressing die gesamte rechte Defensivseite der Bremer beteiligt und weil Gruev hier die Bremer Pressingabteilung mit Druck auf den Ball unterstützen will, aber zu spät kommt, sind sie nun alle komplett überspielt. Stark muss dann als letzte Instanz raus und gegen Kolo Muani den Zweikampf führen, kann sich nur mit Foul helfen und daraus entsteht der Freistoß für die SGE, der dann zum 1:0-Eigentor führt.

Die frühe Führung spielte dem Matchplan der SGE durchaus in die Karten, denn die Mannschaft überließ nun den Bremern noch mehr den Ballbesitz (insgesamt hatte Bremen 55% Ballbesitz), räumte meist das komplette Angriffsdrittel und presste erst im Mittelfeld. Damit zwang die SGE den Gegner entweder zu langen Bällen oder zu gewagten Passmanövern, die aber fast immer an technischen Unzulänglichkeiten der Gäste scheiterten.

Die Bremer hatten zwar offenbar sehr klar die letzte Reihe der SGE samt Kopfballschwäche als Einfallstor ausgemacht und versuchten diese immer wieder zu bespielen, aber da sie meist aus dem eigenen Aufbau kommen mussten und praktisch keinen einzigen überragenden Offensiv-1 gg. 1 – Spieler in ihren Reihen haben, gelang es ihnen so gut wie nie, die SGE-Kette zu isolieren, sie also zum „alleine arbeiten“ zu zwingen. Außerdem war aufseiten der SGE in der IV-Zentrale diesmal ein Spieler mit starker Antizipation und recht sicherem Kopfballspiel aufgeboten, bei dem mehrere der langen Bälle landeten und der diese sichern oder klären konnte.

Da uns hier weniger die Probleme der Bremer interessieren und das Spiel vollkommen einseitig war, kann man nach Betrachten des Re-Live feststellen, dass die Gäste in keiner einzigen Disziplin der SGE voraus waren und in den meisten heillos unterlegen. Wir könnten eine Unmenge an technischen Fehlern präsentieren, zu langsames Umschaltverhalten, hektisches Pressing und immer und immer wieder technische Schwächen und eine SGE, die dem Gegner in allen Belangen überlegen war und spätestens nach dem 2:0 das Spiel im zweiten Gang über die Zeit schaukelte.

Das dürfte aber jeder im Live-Spiel selbst gesehen haben und ab einem bestimmten technisch-individuellen Unterlegenheitsfaktor werden taktische Fragen weniger relevant, aber genau darum geht es ja hier.

Der einfache „Trick“ der SGE, ihnen den Ball zu überlassen, die eigenen Reihen zu schließen und vor allem die Abstände zwischen den Reihen eng zu halten, genügte, um die Bremer vor unlösbare Probleme zu stellen. So ergab sich im Spiel immer und immer wieder dieses Bild:

Die SGE im echten, klassischen Mittelfeldpressing, enge Reihen, 5er-Kette. Bremen stellt das im Aufbau eigentlich ganz gut, ist diagonal außen doppelt und ballnah auch mit 3 Spielern besetzt, spielt dann auch den Diagonalball, aber die technische Umsetzung (eintracht.tv ab 36:50) ist zu schwach, um schnell genug, also ohne von der SGE in Zweikämpfe verwickelt zu werden, in ein Kombinationsspiel zu kommen. So auch in dieser Situation aus der 31. Minute, in der dann zwar der Diagonalball gespielt wird und auch beim Mitspieler landet, dieser dann aber direkt von der SGE angeschoben und verteidigt werden kann. Der Diagonalpass ist ebenso wie die Ballverarbeitung nicht optimal.

Da das wie gesagt aber eher Probleme des Gegners sind und die SGE weitgehend kaum mehr machen musste, als auf deren Fehler zu warten (besonders geduldig mussten sie aber meist gar nicht sein), hier noch ein Blick auf das spielentscheidende 2:0.

Zunächst sieht man, dass die Bremer weit in der SGE-Hälfte ein Pressing in der Seitenzone bei einem SGE-Einwurf aufbauen, der zentrale IV Stark bis weit in die SGE-Hälfte nachrückt. Hier im Clip:

Damit ist das Spiel geöffnet, Kamada setzt es dann auf Max fort, der aber keine Unterstützung mehr hat und 1 gg. 1 gegen Gruev gehen muss. Dessen Zweikampfverhalten ist so indiskutabel wie nicht unser Thema, Max macht es zwar auch stark, ein Antritt genügt aber im Grunde, um Gruev abzuschütteln. Max´ kann frei flanken, Kolo Muani gewinnt das Kopfballduell, seinen Abschluss kann Pavlenka noch halten, aber dann machen Knauff und Kolo Muani das Tor ohne weitere Gegenwehr (da ist es aber auch wirklich schwierig zu verteidigen – ganzer Ablauf siehe oben in den Highlights).

Das Fazit

Die SGE war den Bremern heillos überlegen, hätte das Spiel auch höher gewinnen können.

Analytisch war das Spiel nicht sonderlich interessant, auf Seiten der SGE gab es wenig Neues zu beobachten, der Matchplan war klar ersichtlich und ging vollkommen auf, die Bremer waren chancenlos und spielten exakt die Rolle, die der SGE-Plan für sie vorsah. Sie spielten breit, mit viel Aufbau, aber vielen technischen bzw. spielerischen Ungenauigkeiten und waren so immer wieder gut zu attackieren und auszukontern. Besonders erfreulich zu sehen war, dass Glasner diesmal mit seinem Matchplan stark gecoacht und so das Spiel mitbestimmt hat. Dass derartiges Eingehen auf Stärken/Schwächen des Gegners ein Erfolgsfaktor sein kann, war diesmal deutlich zu sehen.

Auffällig war, dass die Bremer, ähnlich wie die SGE in vielen Spielen, sehr früh attackierten und die defensiven MF bzw. die Verteidiger der letzten Reihe teils bis tief in die Gegnerhälfte nachrückten/durchsicherten. Das ging mehrmals schief, unter anderem vor den beiden Toren und man sah in beiden Situationen, dass es nicht reicht, Überzahl/ Gleichzahl – Situationen in engen Spielräumen herzustellen. Insbesondere passtechnisch sehr starke Spieler wie Götze, Kolo Muani, Lindström, Kamada, Sow können sich, sofern Gegenspieler etwas zu spät kommen, sich zwei Spieler in die gleiche Richtung orientieren und damit Passwege öffnen oder Gegenspieler nicht press im Zweikampf sind, aus den engen Räumen lösen und über Ausgänge das Spiel verlagern/ Konter bzw. Angriffe einleiten. Entscheidend dafür ist die technische Möglichkeit, also die Pass- und Timinggenauigkeit. Was so ein mannschaftlicher technischer Unterschied ausmacht, war in diesem Spiel gut zu sehen.

Die Entwicklung des Teams schreitet sichtbar voran, es wird sicherer in allen Aktionen, gerade bezüglich gruppentaktischer Abstimmungen und Automatismen.

Auch wenn Jakic als IV besonders in der Antizipation langer Bälle / Kopfballspiel insgesamt etwas sicherer war als sein Vorgänger auf der Position (man könnte einige Kopfballsituationen von Jakic zeigen, die er weitgehend gut und aktiv löst) und er auch insgesamt der dynamischere Zweikämpfer ist, dürfte diese letzte Reihe weiter Thema bleiben. Die Schwäche bei Standards spielte diesmal keine Rolle, aber auch hier dürfte auch zukünftig manches von der Besetzung in der letzten Reihe abhängen.

Schon im anstehenden Spiel gegen Neapel dürfte die letzte Reihe wieder stärker gefordert sein und inwiefern auch dort Fortschritte stattgefunden haben, ist sicher interessant zu beobachten.

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1.FC Köln – SGE 3:0 (0:0)

Die SGE wurde von Baumgarts FC ziemlich ausgekuckt. Dennoch war zu sehen, dass sie individuell sowie technisch die bessere Mannschaft ist. Ein Blick auf die Gründe für die Niederlage.

Die Aufstellungen

KOE: Schwäbe – Schmitz, Hübers, Chabot, Hector – Martel (88. Lemperle), Skhiri – Maina (80. Schindler), Huseinbasic (67. Olesen), Kainz (80. Thielmann) – Tigges (67. Adamyan)

SGE: Trapp (4) – Tuta (4), Hasebe (4), Ndicka (3) – Buta (3), Kamada (4), Sow (4), Max (3) – Lindström (3-), Kolo Muani (3), Götze (4+)

eingewechselt: Knauff (3-), Rode (4+), Alario (4+), Borré (3)

(die Noten in Klammern beruhen weitgehend auf den von sofascore.com berechneten Daten)

Die Statistik

gibt es hier, hier und hier

Die Highlights

Die Spielanalyse

Zunächst einmal: Das Spiel war lange kein so großes Drama wie man angesichts des Ergebnisses denken könnte, im Gegenteil war das Kölner 3:0 eher schmeichelhaft. Bereits nach 30 Sekunden hat die Eintracht eine erste Großchance (entstanden aus Positionsspiel Ndicka-Götze-Kolo Muani) durch Lindström, allerdings war Kolo Muani zuvor knapp im Abseits. Dennoch waren hier die Kölner ein erstes Mal ausgespielt. (eintracht.tv ab 6:28).

Weitere SGE-Chancen folgten, etwa in der 11. Minute (Kolo Muani verpasst Lindström-Hereingabe nach Buta-Pressingballgewinn gegen Hector), Problem: ungenaue Hereingabe Lindström, eintracht.tv ab 16:42) – viel Glück hier für Köln.

In den ersten 15 Minuten war schon sichtbar, wie die Kölner das SGE-Spiel zu unterbinden gedachten: In den typischen Spielräumen der SGE sollte der Raum extrem verengt werden, also vor allem in den offensiven Spielräumen außen und im Kölner Verteidigungsdrittel. Die beiden von der SGE üblicherweise am häufigsten angesteuerten Räume außen und genauso die Innenbahnpässe aus dem Aufbau wurden sehr konsequent zugestellt.

Das gelang zwar recht gut, aber die Kombinationsstärke der SGE konnten die Kölner oft erst in der letzten Linie, beim letzten Pass abwehren, ein schönes Beispiel ist die 16 Minute: Starker Aufbauflugball Kamada, Doppelpass Max-Sow halblinks am Strafraum, erst die Hereingabe von Max kann dann Hübers zur Ecke klären (Ecken-Verhältnis 1. HZ 1:4 pro SGE, insgesamt 3:9, bildet die vielen Notverteidigungen der Kölner in der letzten Reihe gut ab). Im Anschluss an diese Ecke ging dann der Kölner Martel mit dem Oberarm zum Ball, Schiedsrichter Siebert entschied nach Ansicht der Fernsehbilder, dass das kein Elfmeter war (siehe oben in den Highlights). Das ist sicher eine diskutable Szene, und auch wenn andere Schiedsrichter da einen Elfmeter gegeben hätten, ist es definitiv eine kann-Entscheidung, die Entscheidung hier also keine totale Fehleinschätzung. Trotzdem auch hier wieder viel Glück für den FC. Mit ein bisschen mehr Spiel-/ Schiriglück kann die SGE hier auch schon mit 2:0 führen.

Die Kölner hatten bis zur 25. Minute maximal einige Halbchancen nach (Halbfeld-)Flanken, vor allem von Kainz und eine gute Konterchance nach Aufbau-Fehlpass Hasebe.

Die größte SGE-Chance vergibt Kolo Muani in der 24. Minute, als er schon frei vor Kölns Torwart Schwäbe ziemlich genau am Elfmeterpunkt den Ball von Benno Schmitz noch vom Fuß gespitzelt bekommt (eine überragende Verteidigungsaktion von Schmitz im Übrigen). Die Entstehung dieser Szene ist interessant, da sie zeigt, wie das Defensivkonzept der Kölner besser zu überwinden gewesen wäre.

Köln mit 4 Pressingspielern ganz vorne und dann wieder mit der Überzahlformation ganz hinten, dazwischen ein relativ breiter, völlig unbesetzter Mittelfeldraum. Durch die breite Besetzung vorne mit Götze sehr weit links außen ist die Kölner Kette gezwungen, relativ breit zu stehen, so ergibt sich zwischen Schmitz und Chabot und hinter dem richtig herausgerückten Hübers ein großer Freiraum, den Kolo Muani anlaufen kann. Auch die Doppelsechs der Kölner, die (nicht nur) hier nebeneinander statt abgesetzt verteidigt, kann auf Lindström so in der Zentrale nicht zugreifen.

Diese beste Chance der SGE im gesamten Spiel entsteht also durch einen Angriff durch die Zentrale, der allerdings eher zufällig zustande kommt, denn der Pass von Tuta ist ein reiner Notball/Befreiungsschlag, da er zuvor einen technischen Fehler macht und daher keinen kontrollierten Pass spielen kann. Hier steht Lindström direkt auf der 10er-Position, die bei der SGE systematisch eigentlich nicht besetzt ist und die die Kölner daher in ihrem Defensivkonzept vernachlässigten, kein Wunder also, dass genau ein solcher Ball von der SGE dann so genutzt werden konnte. Diese Lücke hätte öfter angelaufen werden können.

In der 2. Halbzeit können die Kölner das Spielgeschehen insgesamt zu ihren Gunsten verschieben. Zwar bleibt die SGE die spieldominante Mannschaft (57 Prozent Ballbesitz) und auch stärker in den technischen Disziplinen (Passgenauigkeit 77:74 Prozent pro SGE, erste Halbzeit 82:76 pro SGE), aber die Kölner werden in der zweiten Halbzeit deutlich gefährlicher (XGoals 0,91 : 0,11 pro Köln, 1. HZ war ausgeglichen 0,26 : 0,23 pro Köln, die XGoals-Angaben stammen von sofascore.com, bei anderen Portalen sind sie noch eindeutiger pro Köln).

Entscheidend für den Erfolg der Kölner ist aber nicht ihre starke Offensive, sondern vor allem ihr starkes Defensivverhalten, so lassen sich relativ klar 3 Gründe für Spielverlauf und das Ergebnis festhalten:

1. Das Defensivkonzept des FC,

das sich besonders darauf konzentrierte, die äußeren Offensiv-Räume, die von der SGE gern mit Passdrei- und -vierecken bespielt werden, zuzustellen und dann sehr aggressiv in den Zweikämpfen auf Ballgewinne zu setzen:

Der FC erzielte in der 2. HZ ein Tackle-Übergewicht von 16:8 (Gesamtspiel sagenhafte 30:12) und einen Zweikampfvorteil von 41:33 (Gesamtspiel 69:59).

Besonders diese Außenräume waren meistens dicht, dennoch gelangen der SGE auch in der zweiten Halbzeit durchaus gute Kombinationen, allerdings wie schon in der 1. HZ eher nach (hohen) Bällen durch die Zentrale oder Richtung Halbpositionen, bspw. der Götze-Tiefenpass auf Lindström in der 47. Minute, eintracht.tv ab 2:03.

2. Das (hohe) Pressing des FC,

das die SGE oft zu langen, unkontrollierten Flugbällen zwang (sehr oft, zu oft durch Trapp, der mit 69,4 % eine für einen Torwart extrem niedrige Passquote hatte), die dann von den kopfballstarken Kölnern gewonnen werden konnten. Allerdings ließ sich die SGE, auch hier besonders Trapp, auch zu oft zu früh und zu bereitwillig auf diese langen Bälle ein. Die Sequenz, die zu der Ecke führte, nach der die Kölner dann das 1:0 erzielten, zeigt das:

Sobald es der SGE hingegen gelang, die gruppentaktischen Überzahlsituationen der Kölner einmal zu überspielen, wurde es sofort gefährlich (Bsp. 70. Minute, eintracht.tv ab 25:33, Borré setzt sich links gegen 2 Kölner durch, schließlich fast-Abschluss Kamada)

3. Die Schwäche der SGE in der Defensive

Die Ecke, die zum 1:0 führt, ist von der SGE extrem schwach verteidigt. Zunächst können die Kölner die Ecke ohne große Gegenwehr kurz ausführen,

Der Moment der Kainz-Flanke. Lindström ist im 1 gg. 2 oben zu spät/chancenlos, Sow lässt Hübers in der Zentrale einfach laufen, so kann er dann einköpfen.

Wenn man das außen verteidigen will, muss dabei ein zweiter Mann helfen. Wenn man es in der Zentrale verteidigen will, muss Sow natürlich Hübers folgen und zumindest versuchen, ihn entscheidend zu stören, aber Sow lässt Hübers einfach laufen und bleibt stehen (siehe oben in den Highlights oder eintracht.tv ab 5:09).

Beim zweiten Tor fehlt die Konterabsicherung bei der Ecke, Glasner erklärte später, die Ecke sei so schnell ausgeführt worden, dass die Absicherung noch nicht gestanden habe, nunja. Die Ausführung der Ecke ist dann auch extrem schwach und hektisch, der Ball von Kamada auf Borré schon ungenau und die Borré-Flanke eine Katastrophe. Allerdings ist die Kontersituation der Kölner nicht unmöglich zu verteidigen:

Die SGE hat nach innen hier eine 2 gg. 3 Unterzahl, aber Borré ist im Sprint noch nicht ganz aus dem Spiel, kann das Ganze zu einem 3 gg. 3 ergänzen. Alles kommt darauf an, dass Hasebe Maina hier hinreichend lange verzögert, ihm etwas Tempo nimmt und so Borré ermöglicht, in den Zweikampf zu kommen und Knauff ermöglicht, die Zentrale zu halten.

Doch das gelingt nicht. Hasebe lässt Maina zu nah an sich herankommen, wird von ihm dann klassisch verladen:

Hasebe verabschiedet sich aus dem 1 gg. 1 freiwillig, deshalb muss Knauff sich (richtig) Richtung Maina orientieren, wodurch hinter ihm Adamyan völlig frei steht und dann auch den Pass von Maina erhält.

Trapp verteidigt Adamyan dann im 1 gg. 1 zwar noch überragend, aber der Ball landet etwas unglücklich für die SGE auf Skhiris Kopf, der nur noch einköpfen muss.

Das Fazit

Baumgarts Kölner waren sehr gut auf die SGE eingestellt, bemühten sich, die von der SGE immer wieder angesteuerten Außenräume zu schließen, Passwege tief und quer entweder zuzustellen oder die Passempfänger eng zu decken und Innenbahn-Aufbau-Passbahnen zu schließen. Das gelang mit zunehmender Spieldauer besser, aber obwohl der FC es gut verteidigte, kam die SGE zumindest bis zum 2:0 in der 71. Minute immer wieder zu Chancen. Über das gesamte Spiel, das räumte auch Baumgart danach ein, war der FC sicher nicht die 3 Tore bessere Mannschaft, insgesamt, so sagte der FC-Trainer, hätte er auch mit einem Unentschieden zufrieden sein müssen – eine realistische Einschätzung.

Letztlich verlor die SGE das Spiel in der eigenen hinteren Reihe, bzw. im eigenen Defensivbereich. Die Mannschaft war in den Kategorien defensiver Zweikampf und im Luftbereich den Kölnern heillos unterlegen, insbesondere in der Innenverteidigung und alle dürfen sich gerne einmal das Spiel des FC in der letzten Reihe anschauen, das ist ziemlich guter Anschauungsunterricht in gruppentaktischem Timing. Man kann an der Kölner letzten Reihe ganz gut lernen, wann, wie und wie lange verzögert werden sollte, wann Zugriffe sinnvoll sind und dass es kein Problem ist, wenn so eine Kette sich auch einmal bis 15-20 Meter vor das eigene Tor zurückziehen muss. Bei der SGE bleiben solche defensiven gruppentaktischen (aber leider auch oft individualtaktischen Basics) leider nach wie vor zu oft ein Buch mit sieben Siegeln, zumindest dann, wenn die letzte Reihe alleine verteidigen muss.

So konnte das 0:1 nicht verhindert werden (wobei das Abwehrverhalten von Sow im Grunde Verweigerung ist) und das 0:2 ebensowenig, diesmal weil der zentrale Innenverteidiger der SGE einen üblichen Letzte-Reihe-Zweikampf gegen einen schnellen und halbwegs geschickten Gegner wie Maina individualtaktisch nicht gewinnen kann. Dass Hasebe mit vielen dieser für einen Innenverteidiger üblichen Zweikämpfe überfordert ist, wird hier seit nun fast 2 Jahren regelmäßig dokumentiert, den gegnerischen Trainern bleibt das kaum verborgen und vielmehr ist dazu nicht mehr zu sagen.

Insgesamt ist der Spielverlauf keine große Überraschung, denn dass ein Trainer wie Baumgart sich etwa das SGE-Spiel gegen Mainz genau angeschaut und gesehen hat, wie die Mainzer das Offensivspiel der Eintracht recht gut in Schach halten konnten, kann erwartet werden. Dennoch: Die SGE war trotz eines taktisch starken, extrem lauffreudigen (125,3 Kilometer) und defensiv zweikampfstarken Gegners keineswegs ungefährlich und hätte nach 20 Minuten auch gut und gerne 2:0 in Führung liegen können. Trotz all der hier gezeigten Schwächen war die SGE durchaus nicht die schwächere Mannschaft.

Dass sie das Spiel letztlich verlor, lag fast ausschließlich an der eigenen Defensivschwäche und ob es gegen Gegner wie den FC wirklich eine sehr gute Idee ist, mit im Grunde 8 offensiv denkenden/ ausgerichteten Feldspielern (wirkliche Defensivspieler waren auf Seiten der SGE nur Tuta und Ndicka) und ohne einen überragenden Kopfballspieler in der letzten Reihe anzutreten, sei einmal dahingestellt.

Jedenfalls darf man sich dann nicht allzu sehr wundern, wenn der kopfball- und zweikampfstarke Gegner seine Überlegenheit in diesen Bereichen ausspielt.

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SGE – SV Darmstadt 98 4:2 (2:2)

Wieder viele Tore bei einem Spiel der SGE. Die Spielanalyse zum Einzug der SGE ins Viertelfinale.

Die Aufstellung

SGE: Trapp – Tuta, Hasebe, Ndicka (46. Smolcic) – Buta (82. Knauff), Kamada, Rode (70. Sow), Max (90. Lenz) – Borré (90. Jakic), Kolo Muani, Götze

SVD: Schuhen – Karic (90. Bennetts), Müller, Zimmermann, Holland, Ronstadt – Schnellhardt (73. Vilhelmsson), Kempe (85. Stojilkovic) – Mehlem, Tietz (73. Manu), Honsak (90. Torsiello)

Die Statistik

gibt es hier und hier.

Die Highlights

Die Spielanalyse

Erwartungsgemäß und taktisch vollkommen nachvollziehbar versuchten es die Darmstädter in der Anfangsphase immer wieder mit verschiedenen Anspielen aus dem Aufbau auf ihren großen, körperlich starken Mittelstürmer Philipp Tietz, der von Kamada und Hasebe an den Kopfballweitergaben und -ablagen der ersten Minuten überhaupt nicht gehindert werden konnte, was in der 5. Minute auch zur ersten großen Chance der Gäste führte (Mehlem-Hereingabe verpasst Honsak knapp, eintracht.tv ab 11:02). Glück für die SGE, dass es da nicht 0:1 stand.

Nach der folgenden Ecke der Darmstädter entsteht das 1:0 für die Eintracht. Zunächst kann die SGE die Ecke klären, den Ball sichern und die Darmstädter haben genug Zeit, um in ihre defensive Grundordnung zurückzukehren:

Die Darmstädter sind mit der 3er-Pressinglinie besetzt, dahinter auch in der Mittelfeldzentrale mit 3 Spielern besetzt. Allerdings sieht man, dass nach dem Rückzug nach der Ecke die Linien noch recht weit auseinanderstehen und Kamada sich dazwischen sehr frei bewegen kann. Hier der erste Aufbauball von NDicka Richtung Buta.

Bereits im Hertha-Spiel haben wir uns hier anhand des 2:0 dem (relativ neuen) Element im SGE-Spiel, dem Positionsspiel, etwas genauer gewidmet und festgestellt, dass es oft von einem Wechsel von tiefen Pässen und Querpässen gezeichnet ist. Bei dem Spielzug zum 1:0 gegen Darmstadt sieht man das auch. Im Detail hier im Videoclip:

Video-Zitat. Material von eintracht.tv; Bildrechte: DFB

Der letzte Steilpass Borré-Buta ist für die Darmstädter kaum noch zu verteidigen, ebensowenig die Flanke Buta-Kolo Muani.

Neben dem tief-quer-Positionsspiel waren für die Darmstädter auch andere Kombinationsformen und Angriffsmuster, insbesondere das Dreiecksspiel der SGE auf der rechten Mittelfeldseite, kaum zu verteidigen. Sie finden keinen Zugriff auf das Kombinationsspiel der SGE, lassen sich von dem Überladen der Außen durch die SGE immer wieder in Unterzahlsituationen drängen und verteidigen diese Situationen im Mittelfeld mit zu viel Distanz:

10. Minute: 4 gg. 2 im rechten Mittelfeldbereich, Darmstadt überlädt nicht dagegen (wie es bspw. die Mainzer im letzten Spiel vor der Winterpause erfolgreich praktizierten) und stehen auch nicht eng Mann gegen Mann, die zweite Möglichkeit, solche Überladungen zu verteidigen. Dadurch sind sie chancenlos, werden klassisch ausgepasst und Götze spielt dann den ausgehenden Tiefenpass auf den mit (3) Rode-Götze ausgelösten tief sprintenden Buta.

Dessen Hereingabe vergibt in der Zentrale Borré völlig freistehend, das hätte eigentlich das 2:0 sein müssen. (eintracht.tv ab 16:39)

So waren die Darmstädter in zu vielen Situationen heillos überfordert und konnten froh sein, dass erstens die SGE größte Chancen vergab, und zweitens, dass die Eintracht im hinteren Bereich selbst zu schwach war, um die Darmstädter dauerhaft wirkungsvoll zu verteidigen.

Das erste Gegentor geht zweifach auf die Kappe von Hasebe.

Video-Zitat. Material von eintracht.tv; Bildrechte: DFB

Das zweite Gegentor ist hingegen ein Kettenfehler. Vorausgegangen war ein langer, hoher, eigentlich schwacher Befreiungsschlag des Darmstädter Keepers, doch weder Kamada (mit sehr schwachem Kopfballtiming gegen Mehlem) noch Rode (nach einem eigentlich gewonnen Kopfballduell von Ndicka) können den Ball im Mittelfeld gewinnen, sodass die Darmstädter aus dem zentralen Mittelfeldbereich frei auf die SGE-Kette zulaufen können. Dass das reine Kettenverteidigen einer der größten Schwachpunkte der SGE ist, wurde hier oft gezeigt. Die Kettenfehler sind zuletzt deutlich weniger geworden, allerdings ist anzunehmen, dass das auch daran liegt, dass die SGE in den letzten Monaten enorm viel Spielkontrolle (Positionsspiel, Dreiecksspiel, Ballbesitz) hinzugewonnen hat und dass das Zusammenspiel mit der Mittelfeld- Angriffsreihe besser funktioniert, die Linien enger zusammenstehen. Umso interessanter sind Situationen, in denen die Kette einmal „alleine“ verteidigen muss und siehe da: Es werden direkt wieder krasse Kettenfehler produziert:

Tuta steht rund 5 Meter zu tief. Schnellhardt agiert hier in seinem Raum, er müsste also in der Gesmtrückwärtsbewegung höhenmäßig etwas vor Buta-Hasebe-Max stehen, aber niemals dahinter. So geht der bekannte No-Abseits-Raum auf, Schnellhardt spielt auf Honsak, der genau auf einen solchen Stellungsfehler in der Zentrale spekuliert und es steht 1:2

Das Ausgleichstor in der 44. Minute ist ein eher klassisches SGE-Tor nach starkem Anlaufen und Pressing-Ballgewinn von Max links gegen den Darmstädter Ronstadt. Das ging relativ leicht und nach der eigentlich abgewehrten Hereingabe von Max bekommt Rode den Rebound und spielt einen überragenden Steilpass in den Sechzehner, wo Götze und Borré die Situation stark zu Ende spielen. (eintracht.tv ab 50:20). Übrigens liegt hier weder im Zweikampf Max-Ronstadt, noch Götze-Holland ein Foul vor, wie einige Darmstädter reklamierten.

Mitte der zweiten Hälfte erhöhte die SGE deutlich den Druck, indem sie deutlich früher und häufiger und mit höherer Intensität ganz vorne anpresste und produzierte so Torchancen. Die Führung war in dieser Phase eine Frage der Zeit und fällt dann auch in der 62. Minute folgerichtig aus einer der Dauerpressingphasen. Zunächst können sich die Darmstädter in zwei Einwürfe retten, mit denen sie sich aber ebenfalls nicht befreien können. Aus einem solchen Einwurf entsteht dann die Pressingsituation im rechten Mittelfeld, bei der Rode und Borré den Ball gewinnen. Die komplette Herstellung einer adäquaten Angriffsstrukter funktioniert bei der SGE erstaunlich automatisiert und schnell, nur deshalb kann das Tor fallen. Alle Details im Clip:

Video-Zitat. Material von eintracht.tv, Bildrechte: DFB

Das entscheidende 4:2 ist dann wieder ein klassischer Konter, die Darmstädter mit einem sehr einfachen Passfehler im vorderen Bereich, Max und Götze gewinnen den Ball, Götze spielt einen Traumpass auf den startenden Kolo Muani, der im 1 gg 1 gegen Schuhen trifft, eintracht.tv ab 48:12.

Das Fazit

Die SGE war auch gegen Darmstadt in fast allen taktischen, spielerischen und individuellen Belangen klar besser, auch wenn sich die Lilien etwas besser wehren konnten, als zuletzt die Hertha. Das lag vor allem an der starken Darmstädter Offensive und den starken Schnellhardt, Mehlem und Honsak, die ohne große Probleme das SGE-Tempo mitgehen konnten.

Auch der taktische Move, Tietz gezielt gegen Hasebe und Kamada ins Spiel bringen zu wollen, war ein guter des Darmstädter Trainers und damit hatte die SGE ihre Schwierigkeiten.

Bei der SGE traten wieder die üblichen Fehler auf, die immer auftreten, wenn die hintere Reihe „alleine“ verteidigen muss, fehlendes IV-adäquates Stellungsspiel bei Hasebe (siehe erstes Gegentor) und Kettenstellungsfehler bei Tuta (zweites Gegentor). Auch dass Kamada auf der Sechserposition ein defensives Einfalltor ist, konnte gut beobachtet werden.

Solange die SGE es kollektiv verhindern kann, dass der defensive 3-2 bzw. 5-2 – Block alleine verteidigen muss, kann die Mannschaft zu null spielen, sobald aber die defensive Reihe eigenständig arbeiten muss, passieren nach wie vor zu viele Fehler, die die Darmstädter zu zwei Treffern nutzten. Die positionsfremd eingesetzten Spieler (diesmal Kamada, Hasebe) und die Kettenabstimmung bleiben Angriffspunkte für die Gegner.

Allerdings tritt dieses Problem mit zunehmender Spielkontrolle in den Hintergrund und Glasner hat die Mannschaft inzwischen von einer in erster Linie Kontermannschaft zu einem Team entwickelt, das neben Kontern auch verschiedene Angriffsmuster für das Positionsspiel (tief-quer, Passdrei- bzw. vierecke) und das Reboundspiel nahezu perfekt beherrscht und auch technisch stark genug ist, das regelmäßig anzuwenden. Gleichzeitig ist die Offensive derzeit vielleicht sogar die stärkste der Liga. In der aktuellen Form von dem gegen Darmstadt überragenden Borré hat die SGE jedenfalls mit ihm, Kolo Muani, Lindström, Götze und Kamada 5 absolute Top-Offensive und eine solche Besetzung findet man in der Bundesliga sonst nur noch bei Bayern, Dortmund oder Leipzig.

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SGE – Hertha BSC Berlin 3:0 (2:0)

Die Hertha war in der aktuellen Form kein echter Gegner für die SGE. In der zweiten Halbzeit schaltete die SGE einen Gang zurück, was beinahe ins Auge gegangen wäre. Eine Analyse anhand von vier Highlights.

Die Aufstellung

SGE: Trapp – Tuta, Hasebe, Ndicka – Buta, Kamada (69. Rode), Sow (90. Jakic), Max (70. Lenz) – Lindström (69. Borré), Kolo Muani (84. Alario), Götze

Hertha: Christensen – Kenny (46. Mittelstädt), Uremovic, Kempf, Plattenhardt – Serdar, Tousart (80. Boateng), Boetius (46. Cigerci) – Richter, Niederlechner (76. Scherhant), Lukebakio (46. Ngankam)

Die Statistik

Attack-Momentum:

weitere Statistiken hier, hier und hier

Die Highlights

Die Spielanalyse

Um zu erkennen, dass die SGE in fast allen, auch taktischen Belangen besser und besser automatisiert war als die Hertha, dazu brauchte es keine Analyse, daher hier diesmal ausschließlich ein Blick auf vier Highlights, nämlich die vier SGE-Tore und die größte Chance der Hertha.

Zunächst also zum 1:0.

Der SGE-Konter zum Tor wird nach einem Hertha-Ballverlust gefahren, der viel über den derzeitigen Zustand der Berliner verrät, denn eigentlich war das ein klarer Ballbesitz der Hertha nach einem Abschluss vorne. Die halbe Hertha-Mannschaft konzentriert sich darauf, nach einem angeblichen Handspiel von Hasebe (das keins war) Elfmeter zu fordern, statt nach dem abgewehrten Ball die offensiven Positionen wieder anzulaufen (eintracht.tv ab 25:05). So entsteht diese Situation:

Aus dem eigenen Aufbau spielt Boetius einen vollkommen wahllosen Pass Richtung linksaußen, wo, man sieht es, nun weit und breit kein Herthaner steht. Der Ball landet bei Buta, der sofort den Konter einleitet und man sieht, dass hier die komplette Offensivabteilung der SGE anwesend ist und in den Startlöchern steht.

Wenn man gegen die SGE derzeit etwas nicht tun sollte, dann in einer solchen Situation derartig unmotiviert den Ball zu verlieren. Denn wenn die SGE etwas kann, dann solche Situationen Richtung Tor aufzulösen.

Buta geht zunächst vollkommen richtig ins Tempodribbling, stellt damit sofort ein 3 gg. 2 in dem abgedunkelten Bereich. Die einzige Chance der Hertha würde nun darin besteht, entweder den Initialpass von Buta zu verhindern oder den Angriff insgesamt zu verzögern. Zweiteres wäre aber nur mit einem 3 gg. 2 außen irgendwie möglich. Doch Boetius begeht seinen zweiten Fehler, stürzt ohne eine Chance auf den Ball Richtung Buta, der auf Lindström passt, sich sofort zum Doppelpass anbietet und den Ball von Lindström auch wiederbekommt.

Damit ist Buta aufgedreht, also mit Gesicht Richtung Gegnertor in vollem Tempo Richtung Hertha-Abwehrreihe unterwegs…

…die durch das freiwillige Entfernen von Boetius und dem per Doppelpass ausgespielten Plattenhardt nun im vorderen Bereich eine 2 gg. 3 – Situation zu bearbeiten hat: Kempf muss sich Richtung Ballführendem und Uremovic Richtung ballnahem Stürmer (Götze) orientieren. Damit ist Kolo Muani hinten komplett frei, bekommt von Buta den Ball und holt dann im 1 gg. 1 gegen Uremovic den Elfmeter zum 1:0 heraus.

Dabei sind weder der Pass von Buta, noch die erste Ballannahme von Kolo Muani optimal (eintracht.tv ab 25:11) und man muss den Elfmeter vielleicht auch nicht unbedingt geben, aber dass die SGE derzeit ungefähr die stärkste Kontermannschaft der Liga ist, darf man wissen und dass es sehr schwer wird, sie in der hinteren Reihe mit Tempo zu verteidigen, ebenso. Was Boetius in der Situation (zweimal) veranstaltet, ist schlicht eine Einladung zum Toreschießen für die SGE. Buta, Lindström und Kolo Muani spielen die Situation dann schnell und vom Angriffsmuster her sauber, aber mit zwei kleineren technischen Fehlern aus.

Das zweite Tor der SGE war erneut begünstigt durch wildes Anlaufverhalten der Hertha (diesmal nimmt sich Lukebakio vorne selbst aus dem Spiel und ermöglicht so den ersten Initialpass von Tuta), aber wir wollen uns hier nicht allzu sehr den Kopf der Hertha zerbrechen und stattdessen einmal das Positionsspiel der SGE betrachten. Bei diesem Angriff lässt sich nämlich sehr gut ein Prinzip des Positionsspiel beobachten: Das gegenläufige Passen.

Häufig hört man von Passdreiecken. Diese sollen vor allem ermöglichen, dass Passkombinationen tief-quer-tief-… usw. gespielt werden können. Im Positionsspiel ist dieser Wechsel wichtig, da so die Laufwege der gegnerischen Verteidiger immerzu „gebrochen“ werden können, man den Verteidiger also gewissermaßen auf dem falschen Fuß erwischt, er seine Laufrichtung ändern muss, was immer Zeit kostet und damit der angreifenden Mannschaft Raum verschafft.

Dem 2:0 geht eine solche tief-quer-tief-Kombination voraus, die jedem besseren Lehrbuch entstammen könnte:

Zu dem Tor gäbe es noch manches zu sagen, etwa die Bedeutung des richtigen Timings, vor allem bei dem Buta-Pass auf Lindström, aber auch bei dem Laufweg von Kolo Muani, das würde hier aber etwas den Rahmen sprengen. Demnächst werden wir aber anhand eines Positionsspiel-Special diesen Spielzug noch einmal im Detail und mit Bewegtbildern betrachten, in denen man dann auch sieht, wie durch das tief-quer-tief-… und die dadurch erzwungenen Richtungswechsel der gegnerischen Verteidiger die notwendigen Passwege aufgehen, bzw. dieses „Öffnen der Passwege“ erzwungen wird. Das ist aber schon die ganz hohe Fußballkunst und kann nur an Bewegtbildern gezeigt werden.

Solche Positionsspielfolgen gelingen nur absoluten Topmannschaften in der Bundesliga und wenn die SGE in diesem Bereich weiterhin derartige Fortschritte macht wie in dieser Saison, muss sie zu diesem Kreis gezählt werden.

Zu Tor Nr. 3:

Die Tor-Entstehung ist analytisch nicht sehr relevant, Buta versenkt aus der zweiten Reihe eine von der Hertha schwach abgewehrte Tuta-Flanke in der 93. Minute. Interessant ist allerdings die Leistung von Buta nicht nur in dieser Situation. Dazu gleich mehr im Fazit.

Zuvor aber noch ein kurzer Blick auf das Beinahe-Tor der Hertha.

Dem Tor geht ein Kettenfehler voraus. Max steht zu tief und hebt das Abseits auf:

Gut zu sehen, dass Max 2 bis 3 Meter hinter Kettenhöhe steht, damit einen No-Abseits-Raum für Richter öffnet. Dieser macht auch einen tollen Weg, holt sich von der Außenlinie Anlauf und kann so den Ball gefährlich machen.

Im weiteren Verlauf (ab eintracht.tv 17:28) sieht man dann noch einen völlig verwaisten Rückraum im SGE-Sechzehner (z.T hervorgerufen durch fehlende Box-Orientierung/Schulterblick, das wurde hier anhand der vergangenen Spiele bereits gezeigt und war in der Situation ja auch nicht spielentscheidend, aber das ist derzeit das größte Thema der SGE in der Defensive) und Tuta kann den Ball auf der Torlinie (durchaus mit etwas Glück) abwehren.

Das Fazit

Das Hertha-Spiel führte die SGE weitgehend souverän, ließ im Grunde nie einen Zweifel daran, die bessere Mannschaft zu sein, spielte ihre alte Stärke (Konter, beim 1:0) und ihre neue Stärke (Positionsspiel, beim 2:0) zweimal aus. Der XGoals – Wert von 2,24 : 0,92 entspricht dem Spielverlauf.

Besonders interessant ist derzeit die Personalie Buta. Der Spieler war an allen drei Toren entscheidend beteiligt, leitete die beiden ersten mit starkem Lauf- und Passtiming und großartiger Übersicht ein und erzielte das dritte selbst. Es lagen zwar bei den beiden ersten Toren auch krasse Anlauffehler seitens der Hertha vor, aber dass Buta das in seinen ersten Bundesligaspielen so stark, sicher und ruhig löst, ist schon sehr beeindruckend.

Schließlich noch der Spezial-Service für die Frankfurter Sportjournalisten-Hasebe-Fanboy-Bubble: Diesmal auch aus analytischer Sicht nichts zu meckern an Hasebes (allerdings auch kaum geforderten) Defensivspiel. Im Gegenteil: Hasebe machte ein sehr gutes, weitgehend fehlerloses Spiel, war diesmal auch wieder viel mehr ins Aufbauspiel einbezogen als noch gegen die Bayern, spielte einige seiner überragenden Aufbaupässe und führte einige „klassische“ Libero-Zweikämpfe sehr konzentriert. Es ist ja auch herzallerliebst, dass hier offenbar ausgiebig mitgelesen und die Fanseele dann dem SGE-Trainer Glasner in der Pressekonferenz ausgeschüttet wird (Hasebe ist doch viel besser als Smolcic, gell? Und macht alle anderen durch seine pure Anwesenheit besser, stimmt´s?) Dass Glasner sich davon zu albernen Prozentrechnungskunststücken motivieren lässt, damit dann alle Eintracht-Reporter beruhigt nach Hause fahren können, ändert an den analytischen und statistischen Tatsachen freilich nichts, sei aber allen Beteiligten gegönnt.

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