Leipzig – SGE 2:1 (2:0)

Die wichtigsten Szenen des Spiels in der Analyse und etwas Ausführlicher die aktuelle Situation im Fazit.

Die Aufstellung:

SGE: Trapp (3) – Tuta (4), Hasebe (3-), Smolcic (3) – Knauff (3), Rode (3), Sow (3), Max (4) – Lindström (3), Kolo Muani (4), Kamada (3-)

eingew.: 60. Buta (3), Lenz (3), Jakic (3); 80. Borré (3-), 88. Alario

(die Noten in Klammern beruhen weitgehend auf den von sofascore.com berechneten Daten)

LEI: Blaswich – Henrichs (90. Simakan), Orban, Gvardiol, Halstenberg – Laimer, Kampl (69. Schlager) – Szoboszlai, Forsberg (69. Haidara) – Poulsen (59. Nkunku), Werner (69. Silva)

Die Statistik

gibt es hier, hier und hier

Die Highlights

Quelle: Youtube

Die Spielanalyse

Zunächst die drei Tore im Detail, dann im Fazit einige Anmerkungen zum Spielverlauf und den zuletzt wiederholt auftauchenden Problemen.

Das erste Gegentor fällt äußerst unglücklich. In der Sequenz, die dem Tor vorausgeht, macht die SGE eigentlich vieles richtig, presst die Leipziger früh und aggressiv an, verhindert damit kontrollierten Aufbau.

Der Aufbauball von Orban, den das SGE-Pressing erzwingt, ist schwach und der aufgerückte Smolcic gewinnt ihn. Allerdings kann die SGE ihn nicht richtig sichern, es kommt zu mehreren 50:50-Situationen.

Schließlich können sich die Leipziger mit einem schwachen, hohen Aufbauball „befreien“, es kommt zu mehreren Kopfbällen, der Ballbesitz wechselt ständig, keine Mannschaft kann die Situation kontrollieren. Man möge sich, bevor man erzählt, die SGE habe hier „geschlafen“ oder ähnliches, die Sequenz noch einmal anschauen (eintracht.tv ab 10:05).

Entscheidenden Anteil haben schließlich Hasebe mit einem schwachen Kopfball und allen voran Tuta, der den Ball mit einem Stockfehler verliert. Hier aber ein Blick auf ein Phänomen, das wir zuletzt auch im Spiel gegen Neapel schon beobachtet haben: Das sehr weite Aufrücken/Durchsichern, das das Glasner-Pressing notwendig macht (zumindest wenn man mit 3-2-Konstellation in der Zentrale spielt, statt wie beim Spiel mit Viererkette (2-3-Konstellation), ist vor allem gegen hoch stehende, starke Gegner mit starkem Gegenpressing äußerst riskant:

Man sieht hier, dass Smolcic, der von seiner Pressingposition zurückkommt, keine optimale Stellung zum Ball hat, in den Zweikampf mit Poulsen von der falschen Seite gehen muss und ihn deswegen nicht nach vorne köpfen kann, sondern nur Richtung Hasebe. Dessen Kopfball landet dann bei Szoboszlai, der ihn dann Tuta in die Füße köpft.

Klar ist das alles nicht der entscheidende Moment und man kann hier noch über einiges anderes diskutieren, z.B. ob es sinnvoll ist, Hasebe und Tuta, die beide keine Sprinter sind, in solchen Situationen in der letzten Reihe 2 gg. 3 stehen zu lassen, also ob hier ein Stellungsfehler von Knauff vorliegt. Dass der stärkste Kopfballspieler der SGE fast bis in die vordere Linie nachschieben muss, um die Pressingabteilung zu unterstützen und dann hinten beim Kopfballspiel fehlt, ist jedenfalls sicher nicht optimal, und genauso wenig, dass der fast 40jährige Hasebe gegen Werner die einzige Absicherung in so einer Situation ist.

Beim zweiten Tor ist es noch deutlicher:

Sow unterstützt die Pressinglinie wie vorgesehen vorne, Smolcic sichert an der Mittellinie durch (andernfalls hätte Kamada hier von vornherein 1 gg. 2 gestanden), die restliche hintere Reihe steht so weit entfernt, dass sie hier nicht einmal im Bild ist und verliert so jeden Kontakt zum Mittelfeld. Die Abstände zwischen den Ketten sind hier zu groß.

Nun verlieren Smolcic und Kamada das 2 gg. 2 gegen Forsberg/ Szoboszlai bzw. können darin den Ball nicht gewinnen, Rode sichert nicht die Halbposition, sondern rennt auch noch in das (schon verlorene) 2 gg. 2, womit das Mittelfeld der SGE ausgespielt ist, dann die hintere Reihe der SGE völlig isoliert steht und das geht bekanntlich selten gut:

Hier erwartet die letzte SGE-Reihe eigentlich noch in 4 gg. 4 – Gleichzahl den Szoboszlai-Pass, doch Tuta und Knauff stehen weit auseinander, weit aufgerückt (kein Space nach hinten zu Werner) und machen kein hinreichendes Verzögerungs-Tempo nach hinten (genaugenommen praktisch gar keines). Auf Szoboszlai gibt es keinerlei Zugriff mehr und so bekommen sie den Ball ziemlich wehrlos auf der Innenbahn in den Lauf von Werner gespielt.

Damit ist auch die SGE-Kette ausgespielt. In dieser Situation hier beim Pass von Szoboszlai in die Spitze muss die Kette entweder

a) auf Abseits spielen und Werner ins Abseits stellen. Das hebt Hasebe oben aber auf; oder

b) schnell bis 16- 20 m zum eigenen Tor zurückweichen und somit den freien tiefen Raum zum Anlaufen schließen und den Angriff verzögern; oder

c) mit korrekten Abständen hinten arbeiten, dafür müsste Knauff weiter innen stehen und in offener Stellung zum Ansprinten sein. Der Werner-Laufweg von außen nach innen hier ist ein Standardweg und eine von Werners Spezailitäten, das dürfte bekannt sein.

Nichts davon macht die SGE. Sie bleibt stattdessen mit offener Innenbahn viel zu weit draußen stehen – so weit vom eigenen Tor ohne nennenswerte Zurückweichbewegung, dass ein riesiger, anspielbarer und ansprintbarer Raum hinter ihnen entsteht.

Den Pass auf Werner kann die SGE so nicht verhindern und Hasebe steht am Ende 1 gg. 3 und kann auch das Tor nicht mehr verhindern.

Leipzig spielt die SGE hier zwar auch mit gutem Anlaufverhalten und Timing, einem guten Doppelpass im Mittelfeldbereich und einem guten Tempodribbling von Szoboszlai aus, aber die SGE ist in der Situation auch offen wie ein Scheunentor. Außerdem:

Die Situation beim Querpass von Werner. Hier war der Weg für Smolcic vom „Durchsichern“ bis zu Gegenspieler Forsberg erneut zu weit, Forsberg erzielt das Tor.

Noch zum Tor der SGE in der 61. Minute:

Die SGE spielt das Tor über Kombinationsspiel heraus. Es geht wieder einmal schnell quer-tief-…, also ein typischer, stark gestellter SGE-Angriff (siehe ganzer Clip, ca. 1:40 Min.):

Damit sind die Leipziger auf außen ausgespielt. Sie haben zwar hinten immer noch Gleichzahl, die Box-Besetzung bzw. das Nachrückverhalten der SGE ist dann bei dem Rückpass von Buta aber so stark, dass es kaum noch zu verteidigen ist. Sow ist völlig blank und schießt ein.

Das Fazit

Das Spiel gegen Leipzig erhärtet mehrere in den letzten Spielen zu beobachtende Erkenntnisse:

  1. Das Spiel mit 5er-Kette und Durchsichern ist riskant, besonders wenn die letzte Reihe Fehler beim Nachschieben usw. macht und die Räume, die sich dadurch im hinteren Bereich öffnen, werden zunehmend von Gegnern genutzt. Das ist anspruchsvoll und nur von technisch starken Teams auszuführen. Gegen Leipzig war, wie gezeigt, zweimal das weite Aufrücken von Smolcic problematisch, nachdem das Pressing samt Smolcic überspielt war. Dem Spieler kann man wenig Vorwurf machen, er hält sich da wohl an den Plan. Die Frage ist, ob das gegen technisch starke und ballsichere Teams wie Leipzig, Neapel u.ä. wirklich noch ein guter Plan ist. Allerdings stellt sich diese Frage schon länger und in vielen Spielen hat es ja auch gut funktioniert. Im Moment lässt sich aber beobachten, dass gleichstarke/stärkere Gegner das als Einfallstor nutzen, was bedenklich ist.
  2. Die Eintracht hat in der Offensive einige funktionierende Angriffsmuster, legt sich aber zu sehr auf das Mittelfeld-Konter-Spiel fest und vertraut zu selten dem eigenen Positionsspiel/Aufbauspiel/Ballbesitz. Das Pressing/Konterspiel aus dem Mittelfeldpressing mit Abkippen ins Angriffspressing wird von den Gegnern aber inzwischen wo immer möglich verhindert. Von den 56 Pässen des Leipziger Keepers Blaswich waren nur 14 Kurzpässe bis 14 m, alles andere waren mittellange oder lange Bälle und man konnte das im Spiel auch sehr gut beobachten: Die Leipziger überspielten die Pressinglinie der SGE immer wieder mit langen Bällen, sobald sie ihr zu Nahe kam. Erst als die SGE in der zweiten Halbzeit auf echtes Angriffspressing umschaltete, also nicht mehr versuchte, aus dem Mittelfeldpressing ins Angriffspressing zu „kippen“, sondern die Leipziger mit dem ersten Ballkontakt in vorderster Front presste, konnte sie Bälle gewinnen, Druck aufbauen, ihren Ballbesitzanteil (von 46 auf 47 Prozent) leicht steigern und wurde deutlich gefährlicher (von XGoals 1.14 : 0.15 in der ersten HZ auf 0.58 : 0.69 in der zweiten Hälfte, dort war die SGE also nach XG sogar die gefährlichere Mannschaft). Das reine Spiel auf Konter aus dem Mittelfeldpressing ist zu wenig, um nachhaltig gegen die Top-6 der Bundesliga gewinnen zu können und es ist bezeichnend, dass das einzige SGE-Tor nach einem Positionsangriff mit Seitenwechsel gefallen ist, der bereits im Aufbau Tiefe hatte, also kein Konter war, sondern ein gezieltes Ballbesitz-Manöver. Siehe oben.
  3. Die letzte Reihe der SGE ist nach wie vor viel zu fehleranfällig. Was hier schon lange thematisiert wurde, zeigt sich in den letzten Wochen wieder zunehmend: Die ohnehin nicht sehr sattelfeste Hintermannschaft mit positionsfremden Spielern wie diesmal Knauff und Hasebe tut sich mit der Aufgabe, sowohl dauernd ins Mittelfeld durchsichern und aufrücken zu müssen und andererseits isoliert die dennoch entstehenden Durchbrüche der Gegner verteidigen zu müssen, sehr schwer. Die Gegentorflut rollt in den letzten Spielen bereits wieder bedrohlich heran und auch im zweiten Glasner-Jahr zeichnet sich ab, dass ein entscheidender Entwicklungsschritt des Teams (auch ergebnisseitig) in der letzten Reihe nach wie vor noch aussteht. Daran wird weder taktisch noch personell ein Weg vorbeiführen.
  4. Die totale taktische Fixierung auf 3er/5er-Kette und Doppelsechs wird, wie schon gegen Neapel und wie hier seit langem thematisiert, insbesondere gegen technisch-spielerisch gleichwertige oder überlegene Gegner zum Problem. Systemumstellungen finden bei Glasner praktisch nicht statt. Die durchaus sinnvollen Versuche mit der Viererkette zu Beginn beider Glasner-Spielzeiten wurden viel zu schnell wieder aufgegeben und offenbar nicht daran weitergearbeitet. So wissen die Gegner nun auch, dass sie mit einem Dreiermittelfeld immerzu Überzahl in der Zentrale haben, außerdem alle Sechser-Kandidaten im Glasner-System auch sehr oft bis in die vordere Reihe ins Pressing mitschieben (müssen) und die Verteidiger nachrücken müssen. Das ist von vielen inzwischen ausgelesen und wird als Einfallstor genutzt. Und zwar im Wissen, dass die SGE taktisch darauf nur reagieren kann, indem sie ihr starkes Angriffspressing komplett abschaltet und vorsichtiger agiert. Selbst gegen Leipzig, wo auch ein Laie ohne Probleme erkennen konnte, dass dieses Angriffspressing ein wichtiges Element ist, um Druck auszuüben, auf Ballbesitzzeiten zu kommen, das Spiel vom eigenen Tor fern zu halten und evtl. zweites SGE-Tor ermöglichen würde, stellte Glasner erst in der 88. Minute auf 4-3-3 bzw. 4-2-4 um, zu spät, um noch etwas bewirken zu können. Völlig alternativlos nur ein einziges System spielen zu können, ist, um es vorsichtig zu sagen, riskant und umso riskanter, je höher Niveau und Ansprüche werden.

Um das noch einmal klarzumachen:

Die SGE kassierte in der vergangenen Bundesliga-Saison 1,44 Gegentore pro Spiel. Die Top 4 der Bundesliga im Durchschnitt 1,27. Das ist im internationalen Vergleich übrigens noch sehr viel. Die Top-4 in England kamen 2021/22 auf 0,82 Gegentore, die italienischen CL-Qualifikanten auf 0,86, die spanischen auf 0,93 und die französischen Konkurrenten auf 1,01 (hier auch die Top 4 als Maßstab, obwohl die Ligue-1 momentan nur 2 CL-Plätze hat). Eine Quote von 1,44 Gegentoren ist international nicht konkurrenzfähig und in der laufenden Saison ist die SGE mit aktuell 1,41 Gegentoren pro Spiel kaum besser. Einen besonders triftigen Grund, keinerlei Alternative zu dem sehr wackligen 5-2-3 / 3-4-3 zu erarbeiten, geben diese Daten jedenfalls nicht her.

Das Erstellen der analytischen Beiträge ist ziemlich zeitaufwendig. Ich freue mich über jede Spende (PayPal), auch Kleinbeträge sind hilfreich. (Über den Link kann auch per Kreditkarte gespendet werden).  Wer die PayPal-Gebühren umgehen möchte, kann gerne eine PN an abdom@gmx.de senden, um die Kontodaten für eine Überweisung zu erfragen.

Vielen Dank allen Spenderinnen und Spendern.

In eigener Sache: Wer sgefussballanalyse folgen oder über neue Artikel informiert werden möchte, kann das bei TwitterFacebookTelegram oder einfach hier unten auf dieser Seite bei WordPress via Abonnieren-Button tun.

SGE – SSC Neapel 0:2 (0:1)

Die SGE wurde von vielen Beobachtern sehr negativ gesehen. Die üblichen Schwächen wurden erwartungsgemäß von den Italienern ausgenutzt, dazu ist in K.O.-Spielen gegen solch starke Gegner die Unfähigkeit zu Systemumstellungen ein Problem. Die Analyse.

Die Aufstellung

SGE: Trapp (2) – Tuta (4), Jakic (3-), Ndicka (3) – Buta (4), Kamada (3), Sow (3), Max (3-) – Lindström (3-), Kolo Muani (4), Götze (3-)

eingew.: 69. Knauff (3), Borré (3-); 81. Alidou (3); 92. Lenz (-)

(die Noten in Klammern beruhen weitgehend auf den von sofascore.com berechneten Daten)

SSC: Meret – Di Lorenzo, Rrahmani, Kim, Olivera – Anguissa (80. Ndombele), Lobotka, Zielinski – Lozano (80. Elmas), Osimhem (84. Simeone), Kvaratskhelia (84. Politano)

Die Statistik

gibt es hier, hier und hier

Die Highlights

gibt es hier

Die Spielanalyse

Die sicher wichtigste analytische Frage nach dem Spiel ist die nach den Chancen der SGE im Rückspiel und die Antwort darauf findet sich hauptsächlich in den ersten 20 bis 25 Minuten des Spiels, da die Eintracht es hier durchaus schaffte, den Gegner vor Probleme zu stellen.

Zunächst aber war von Beginn an zu sehen, dass die Mannschaft aus Neapel taktisch ein ganzes Stück weiter ist als die SGE, dauerhaft Angriffspressing spielte und viel über den eigenen, sehr ambitionierte Aufbau, während die Eintracht fast ausschließlich auf Mittelfeldpressing setzte und so von Beginn an in eine sehr defensive Position geriet (Im Gesamtspiel nur 31% Ballbesitz) Warum, dazu mehr im Fazit.

Den ersten interessanten Abschluss hatte die SGE indes bereits in der 5. Minute, als sich Lindström rechts im 1 gg. 1 gegen Oliveira durchsetzen konnte, ebenso wie dann in der Box Kolo Muani gegen Rrahmani. Entstanden war die Situation nach einem langen Ball von Trapp ins Mittelfeld und einem schwachen Kopfball der Italiener auf Kamada, also ein zweiter Ball, der bei der SGE landet.

Das ist der Flugball von Trapp. Der Ball überspielt hier beide 3er-Pressing-Linien der Italiener und isoliert damit die Viererkette von Neapel. Hier sind die SSC-Abstände etwas zu groß und der linke Verteidiger Olivera muss weit aus der Kette heraus, um diesen Ball köpfen zu können. Dadurch entsteht ein 2 gg. 1 Götze/Lindström gegen Olivera, dass die SGE dann sofort ausspielt. Über Kamada und Götze wird Lindström dann mit etwas Vorsprung gegen Olivera ins 1 gg. 1 geschickt und kann sich durchsetzen.

Der Angriff scheitert letztlich hauptsächlich an der schwachen Boxbesetzung der SGE, trotzdem kommt Kolo Muani letztlich noch zum Abschluss. Hier konnte Neapel durchaus froh sein, dass die Eintracht das im Sechzehner nicht besser besetzt hat, sonst wäre hier das 1:0 durchaus möglich gewesen. (der ganze Angriff bei eintracht.tv ab 14:03).

Eine erste Möglichkeit für das Rückspiel, vielleicht die Wichtigste wird hier aber sichtbar: Gezielte Bälle aus dem eigenen (tiefen) Aufbau hinter die beiden 3er-Linien der Italiener und diese (zweiten) Bälle intensiv attackieren, um die hintere Kette zu isolieren oder – noch besser – flache, gezielte Anspiele in diese Zone.

Ebenfalls durchaus effektiv, aber von der SGE im gesamten Spiel viel zu selten angewendet, war das Abkippen ins Angriffspressing nach dem ersten Aufbauball der Italiener. Warum das nur selten durchgeführt werden konnte, dazu ebenfalls mehr im Fazit.

Nach dem Aufbauball von Kim ins Mittelfeld und dem Anlaufen von Lindström hat die SGE hier alle schnellen, also direkten Passwege von Lobotka zugestellt. Er muss jetzt den Ball am Fuß behalten und quer zum Feld laufen – eine optimale Situation, um ihn zu attackieren, was dann auch gelingt und den nächsten Abschluss der SGE einleitet.

Überhaupt stellte die SGE in der Anfangsphase mit der 5-2-3-Mittelfeldpressingformation fast alle Passwege nach vorne zu, sodass Neapel kaum zu offensiven Aktionen kam und viele Angriffe abgefangen werden konnten. In der 10. Minute hat Götze nach einem Freistoß von links einen weiteren Abschluss aus der zweiten Reihe, nachdem Neapel Lindström links nur mit Foul stoppen konnte. Die ersten zehn Minuten gingen an die SGE, das sah bis dahin sehr gut aus.

Auch in den zweiten 10 Minuten ändert sich wenig, die SGE versuchte so oft wie möglich vorne ins Gegenpressing zu kommen, bleibt sonst bei der Marschroute Mittelfeldpressing und kommt bspw. in der 16. Minute nach einem langen Trapp-Flugball erneut an den beiden Pressing-Reihen der Italiener vorbei und nach einem zwischenzeitlichen Ballverlust in zwei Offensivaktionen hintereinander (eintracht.tv ab 24:55), die schließlich mit einer (nicht ungefährlichen) Buta-Flanke abgeschlossen wird. Es kommt nach einer unnötig von Buta herbeigeführten Ecke zu einer Ecken-Serie der Italiener, bei der sie erstmals gefährlich werden, aber Trapp kann zweimal stark halten, die Situationen werden geklärt.

Bis zur 25. Minute haben die hoch gehandelten Gäste bis auf einen Konter und zwei Ecken kaum wirksame Aktionen nach vorne, die SGE hat die Sache bis dahin recht gut im Griff. In der 25. Minute hat sie auch nach einem längeren Positionsspiel über die linke Seite eine weitere interessante Szene Richtung Tor (eintracht.tv ab 33:23).

Das ist potenziell bis dahin die größte Möglichkeit des Spiels. Lindström startet in den völlig freien Raum in der Neapel-Box, aber Sow traut sich den Pass durch den engen Passweg nicht zu und dribbelt stattdessen weiter, versucht dann einen Pass auf Kolo Muani, der aber nicht ankommt.

Den ersten größeren (leider systemischen, dazu im Fazit mehr) Fehler der SGE nutzen die Gäste direkt zu ihrer ersten großen Chance, aus der dann auch der Elfmeter hervorgeht.

Die Situation entspringt einem Aufbau-Positionsspiel der SSC, die SGE schiebt im Mittelfeldpressing. Hier der entscheidende Moment der Szene, aus der zunächst ein Pfostenschuss für Neapel und schließlich der Elfmeter entspringt:

Di Lorenzo spielt den Ball one-touch in den Raum hinter Ndicka und zwischen Jakic und Max. Hier geht in der letzten SGE-Reihe alles schief. Ndicka muss weit ins Mittelfeld durchsichern, verlässt die Kette, wodurch zwischen Jakic und Max ein großer Raum aufgeht. Außerdem steht Max zu tief, schiebt die Abseitslinie dadurch drei Meter nach hinten und ermöglicht dadurch Lozano überhaupt erst, den Sprint in die Spitze so gefährlich anzusetzen. Das ist wirklich krass: Der Außenstürmer steht bei seinem Antritt näher zum Tor als der zentrale Innenverteidiger der SGE (Jakic) und trotzdem nicht im Abseits. Das ist Kettenspiel from hell und selbstredend nutzt das eine Mannschaft wie Neapel dankbar entgegen.

Das Foul von Buta ist dann sehr unglücklich, kein absichtliches Foul, Trapp hält dann aber den Elfmeter mit einer extrem starken Parade. Es wäre sehr interessant, von Trapp zu erfahren, ob er die Ecke aus Beobachtungen früherer Elfmeter von Kvaratskhelia kannte. Genau so sah es nämlich aus und anders ist die Bewegung von Trapp kaum zu erklären.

Diese Aktion ist zwar für die SGE glimpflich ausgegangen, brachte Neapel aber zu seiner besten Phase bis dahin, sie spielten in den Minuten danach wieder sehr aggressives Pressing und zwangen die SGE zu Fehlern. Die Spielentscheidung im Detail hier im Clip:

Der Konter ist dann für Jakic und Tuta kaum noch zu verteidigen.

Nach dem 0:1 wird die SGE sehr unsicher, den Anstoß nach dem Tor nutzen die Italiener nach einem Aufbau-Fehlpass von Ndicka direkt zum vermeintlichen 2:0, das aber wegen Abseits korrekt zurückgepfiffen wurde.

Danach fing sich die SGE allerdings bis zur Pause wieder, hatte auch noch eine stärkere Sequenz, bei der sie technisch stark und sauber das jetzt sehr aggressive SSC-Pressing überwand und bei der eine Ecke heraussprang in der 44. Minute (eintracht.tv ab 52:52).

Die erste Halbzeit der SGE war vollkommen in Ordnung, von der Mannschaft war nicht mehr und nicht weniger zu erwarten. Neapel konnte die SGE zweimal auskontern und einmal ausspielen.

Bis zu der Roten Karte gegen Kolo Muani ändert sich an dem Bild nicht allzu viel, allerdings versucht Neapel das Spiel jetzt früher und schneller in den vorderen Bereich zu verlagern, tiefe Aufbaubälle werden nun schneller und mit mehr Risiko gesucht. Das führt zu erhöhtem Druck auf die letzte Reihe der SGE, und ohne alle Szenen im Detail zu besprechen: Das erhöhte Pressingaufkommen zeigte durchaus Wirkung, zeitigte einen 16-Meter-Schuss von Lozano frontal auf Trapp in der 55. Minute, in der 56. Minute müssen die Gäste nach einem krassen Jakic-Fehlpass im Grunde das 0:2 erzielen, aber Trapp hält die SGE mit einer Weltklasseaktion noch einmal im Spiel (eintracht.tv ab 11:47).

Trotzdem blieb die SGE auch in der zweiten Hälfte durchaus im Spiel, konnte die meisten Angriffsversuche der Italiener mit der breiten 5er-Kette verteidigen und versuchte immer wieder, eigene Angriffe zu starten. Zumindest bis zur 57. Minute, als nicht der Gegner, sondern der Schiedsrichter mit der Roten Karte gegen Kolo Muani das Spiel entschied, denn dass die SGE in Unterzahl gegen die bereits zuvor besseren Italiener kaum mehr eine Chance haben würde, war klar. Die Rote Karte ist natürlich viel zu hart, Kolo Muani muss zum Ball gehen können ohne Angst zu haben vom Platz zu fliegen, wenn er dabei den Gegner trifft, insbesondere da er noch den Ball gespielt hatte.

Beim 0:2 schafften es die Italiener erst in der 65. Minute zum zweiten Mal im Spiel, die Eintracht über eigenen Ballbesitz und Kombinationsspiel nachhaltig auszuspielen. Die Situation ist ziemlich komplex und sicher eine der interessantesten im Spiel. Der SGE unterläuft zunächst ein mannschaftstaktischer Fehler:

Bei dem Rückpass von di Lorenzo auf Rrahmani muss der SGE-Block viel weiter herausschieben (was er sonst auch fast immer tat), bleibt aber hier sehr tief stehen. Diesen vollständigen Block muss man natürlich gerade gegen eine Mannschaft, die wie Neapel über sehr weiträumiges Ballbesitz- und Kurzpassspiel kommt, so weit wie irgend möglich herausschieben, um sie mit ihrer Kombinationsstärke nicht zu nah ans eigene Tor kommen zu lassen.

Warum auch immer das Team hier nicht mehr nachschiebt, es erhöht sich so das Risiko, dass Neapel eine Schnellkombination mit Ausgang Torabschluss organisieren kann.

Und so stellen sie links weit in der SGE-Hälfte ein Passviereck mit Ausgang Lobotka. Hier hat die SGE schon überhaupt keinen Druck mehr, steht in der Kombinationszone defensiv 2 gg. 5. Trotzdem spielen die Italiener die Situation eigentlich etwas zu langsam und zögerlich aus. Kvaratskheklia bewegt sich nach seinem Pass auf Zielinski im Joggingtempo Richtung Zentrale, sodass Kamada eigentlich Zeit genug hat, um sich zu orientieren und Kvaratskhelia auf der Innenbahn zu folgen.

Hier passiert aber Kamada der entscheidende Fehler: Er erkennt erst als es längst zu spät ist, dass Kvaratskhelia hier einen gezielten Positionswechsel durchführt und den Angriff direkt Richtung Zentrale fortsetzen will und gerät so auf die Außenbahn. Hier:

Kamada gerät auf die Außenbahn, Sow deckt ebenfalls nicht den tiefen Passweg, sodass Zielinski hier mit seinem Pass auf Kvaratskhelia beide SGE-6er aus dem Spiel nimmt und die Italiener einen großen Freiraum mit direkter Passmöglichkeit in die Spitze ansteuern können.

Durch Kvaratskhelias anschließendes Tempodribbling ist die SGE-Kette isoliert und sofort bricht das übliche Chaos aus:

Tuta, Jakic und Götze stürzen ohne Rücksicht auf Verluste zu dritt auf Kvaratskhelia, schaffen es aber trotz 3 gg. 1 – Erstürmung nicht, den Ball zu gewinnen. Hinter dem 3er-Block entsteht, man sieht es hier, ein Freiraum, den die Italiener dann mit Doppelpass Kvaratskhelia-Anguissa und Nachrücken di Lorenzo extrem stark ausspielen.

Der Angriff der Italiener war eine Mischung aus bewusst gestellter Situation (Passviereck mit Ausgang Richtung Zentrale) und Improvisation (Spiel über die Zentrale über den einlaufenden Kvaratskhelia nachdem Kamada ihn laufen lässt, Angriffsfortsetzung mit diagonalem Anschluss). Das ist sehr stark gespielt und durchaus beeindruckend, nur ist der Spielzug auch bedingt durch die Stellungsfehler in der letzten Eintracht-Reihe.

Das Fazit

Damit ist das Spiel entschieden, für die SGE konnte es danach nur noch darum gehen, das Ergebnis nicht noch höher werden zu lassen, um zumindest noch eine Minimalchance im Rückspiel zu haben. Das gelang mit etwas Glück.

Alles in allem war das Ergebnis auch verdient, Neapel war in zu vielen Belangen das deutlich bessere, variablere Team, ihr Aufbauspiel konnte von der SGE nur sehr selten effektiv angepresst werden, ein eigenes konnte sie gegen das Napoli-Pressing praktisch nie organisieren. Insbesondere die dauernde, systematische Unterzahl im Mittelfeldbereich war ein echtes Problem. Hier zur Veranschaulichung eine Szene aus der 47. Minute:

Hier das asymmetrische Aufbauspiel der SSC. Manchem ist vielleicht schon im Live-Spiel aufgefallen, dass die Italiener immer leicht nach links abgekippt aufgebaut haben. Das lag nicht daran, dass wir vorm TV schon drei Bier intus hatten, sondern ist bewusst so gemacht und öffnet den diagonalen Flugball-Weg einerseits und bindet einen Offensiven (hier Lindström) im Mittelfeld. So hat die SGE nur noch zwei Spieler vorne. Auch gut zu sehen, wie breit und mit extrem langen Passwegen auch in der Tiefe Neapel im Aufbau steht, was die Wege für ein Angriffspressing noch zusätzlich sehr weit macht. Den diagonalen Aufbauball Kim-Anguissa muss Max hier aus der Abwehrkette nach vorne verteidigen. Auch wenn das meist von Max/Ndicka gut gemacht wurde, sind solche weiten Anlaufwege ebenfalls nicht optimal.

Mit dieser Strategie haben die Italiener es der Eintracht extrem schwer gemacht, sie im Aufbau anzupressen, dazu kommt die extreme Passhärte und -genauigkeit in ihren Pässen (was entscheidender ist als die reine Positionierung). Nur dadurch können sie das Spiel so weiträumig und dominant aufbauen. Die SGE hielt – so lange die Kräfte reichten – zunehmend nur noch dadurch dagegen, dass sie die hintere Aufbaureihe der Italiener möglichst weit hinten hielt. Sobald auch das nicht gehalten werden konnte und Neapel sein Kombinationsspiel weiter vorne ansetzen konnte, wurde es gefährlich.

In der Szene oben wird nicht von den 6ern nach vorne gepresst, also auch nicht von hinten durchgesichert, wie es der Pressingablauf der SGE eigentlich vorsieht. Aus gutem Grund: Diese Durchsicher-Aktionen aus der letzten Reihe öffnen in der letzten Reihe Räume, wie etwa bei der Entstehung des Elfers. Zur Erinnerung:

Hier war Sow aufgerückt, um Druck nach vorne auszuüben, Ndicka sichert durch, zwischen Jakic und Max entsteht ein großer Raum, den di Lorenzo und Lozano sofort bespielen.

So waren der SGE taktisch die Hände gebunden. Wenn sie anpressen wollte, ging das nur aus einer ohnehin schon strukturellen Unterzahlsituation im Mittelfeld, also nur mit Durchsichern aus der letzten Reihe, wodurch sich aber bespielbare Räume direkt zum Tor für die Italiener mit ihren messerscharfen Pässen und guten Angriffsmanövern aus dem Aufbau öffneten. Presste die SGE hingegen nicht an, wurde sie von dem Aufbauspiel der Italiener so lange zum Quer-Laufen gezwungen, bis entweder in den engen Kombinationsräumen rechts defensiv ein Fehler provoziert wurde (wie vor dem 0:2) oder die Italiener mit (diagonalen) Flugbällen (meist nach rechts) sich etwas Angriffsraum verschaffen konnten. (Es gab noch einige andere wiederkehrende Angriffsmuster, das würde hier aber den Rahmen sprengen.)

Dazu kam, dass Neapel selbst die Aufbauversuche der SGE (die deutlich weniger gut organisiert und ausgeführt wurden) sehr konsequent anpresste, was regelmäßig zu Ballgewinnen und guten Abschlüssen führte.

Für das Rückspiel wird sich Glasner überlegen müssen, ob er die Mannschaft wieder mit einer derartigen Dauerunterzahl im Mittelfeld antreten lassen will, die ihr im Grunde von vornherein alle Möglichkeiten nimmt, Neapel dauerhaft und länger als 20 Minuten unter Druck zu setzen und die die beiden 6er vor unlösbare Probleme stellte bzw. Fehler provozierte. Alle bekannten Probleme der SGE schlugen gegen einen derart starken, fehlerarmen und gut organisierten Gegner zu Buche: Dass mit Kamada und Jakic zwei positionsfremde (und dadurch fehleranfälligere) Spieler auf zentralen Positionen spielen, dass die Mannschaft derart einseitig auf 5er-Kette getrimmt und nicht in der Lage ist, ohne weiteres auf Viererkette umzustellen und daher kaum taktische Umstellungen möglich sind, ebenso dass die letzte Reihe isoliert nicht sehr zuverlässig ist. All das ist gegen einen Gegner wie Neapel natürlich ein (allerdings absehbares) Problem geworden. Es ist nach den Eindrücken des Spiels kaum vorstellbar, wie das mit dem 2er-Mittelfeld der SGE gegen das 4-3-3 der Italiener (das in vielen Hinsichten mehr Möglichkeiten bietet) im Rückspiel besser funktionieren könnte. Trotz allem war die SGE bei weitem nicht so weit entfernt von Neapel, wie es mancher Beobachter hinterher darstellte. Wer etwa eine völlig chancenlose SGE oder einen Klassenunterschied gesehen haben will, dürfte die ersten 20 Minuten noch im Stau vor dem Stadion gestanden haben. In dieser Phase waren durchaus auch Anknüpfungspunkte für das Rückspiel zu sehen, wie oben in der Analyse gezeigt.

Das Erstellen der analytischen Beiträge ist ziemlich zeitaufwendig. Ich freue mich über jede Spende (PayPal), auch Kleinbeträge sind hilfreich. (Über den Link kann auch per Kreditkarte gespendet werden).  Wer die PayPal-Gebühren umgehen möchte, kann gerne eine PN an abdom@gmx.de senden, um die Kontodaten für eine Überweisung zu erfragen.

Vielen Dank allen Spenderinnen und Spendern.

In eigener Sache: Wer sgefussballanalyse folgen oder über neue Artikel informiert werden möchte, kann das bei TwitterFacebookTelegram oder einfach hier unten auf dieser Seite bei WordPress via Abonnieren-Button tun.

SGE – Werder Bremen 2:0 (1:0)

Bremen machte über 90 Minuten den Eindruck außer schnell wieder nach Hause nichts in Frankfurt zu wollen. Entsprechend wenig aufregend war das Spiel. Trotzdem hier ein Blick auf einige interessante Situationen und auf die Tore.

Die Aufstellung

SGE: Trapp (3) – Tuta (3), Jakic (2-), Ndicka (3) – Knauff (3), Kamada (3-), Sow (2-), Max (2) – Lindström (3), Kolo Muani (3+), Götze (3)

68. Borré (3) für Kolo Muani, 73. Lenz (3) für Max, 87. Alidou für Lindström u Alario für Götze

(die Noten in Klammern beruhen weitgehend auf den von sofascore.com berechneten Daten)

SVW: Pavlenka – Veljikovic, Stark (73. Pieper), Friedl – Gruev – Schmid (85. Dinkci), Schmidt, Stage (67. Philipp), Jung (68. Buchanan) – Füllkrug, Ducksch

Die Statistik

gibt es hier, hier und hier

Die Highlights

Die Spielanalyse

Um die Abläufe des Spiels und auch den Matchplan der SGE darzustellen, ist die Entstehung des 1:0 charakteristisch und enthält bereits die wichtigsten Elemente:

  • das eher auf Konter angelegte SGE-Spiel (Pressing-Zugriffe erfolgten meist vergleichsweise tief, die letzte Reihe der Bremer wurde erst in der Mittelzone attackiert)
  • die Bereitwilligkeit der Bremer, dieses Spielchen mitzuspielen, ihr breiter, vergleichsweise langsamer Aufbau mit relativ vielen (teils anspruchsvollen) Pässen und Passstafetten und
  • die individuelle (Tempo-) Überlegenheit der SGE-Offensiven gegen ihre Gegenspieler. Darüberhinaus der Tempounterschied der beiden Teams insgesamt.

Denn zunächst geht dem Freistoß, der dann zum Tor führt, eine lange Bremer Ballstafette voraus: 12 Pässe in den eigenen Reihen, 48 Sekunden lang Ballbesitz für Bremen und ein recht anspruchsvolles doppeltes Diagonal-Manöver mit zwei Seitenwechseln über Veljkovic-Jung und dann Richtung den rechten Schienenspieler Schmid, der bis in den SGE-16er aufgerückt ist. Das Kopfballduell gegen Schmid gewinnt Max und den daraus resultierenden Ball gewinnt Götze gegen den ebenfalls sehr weit aufgerückten Bremer Verteidiger Veljkovic am eigenen Sechzehner. Über Sow landet der Ball dann bei Max, der mit Ballannahme ins Tempo gehen kann (eintracht.tv ab 11:26):

Das ist der Moment, in dem die SGE mit Max den Konter startet. Mit dem Tempodribbling von Max ist das Gegenpressing der Bremer weitgehend überwunden, hier sind Schmid, Gruev und Vejkovic bereits überspielt, Max und Kolo Muani (ganz links am Bildrand) stehen schon 2 gg. 1 gegen Schmidt.

Den entscheidenden Fehler macht zuvor Gruev, der zu spät und mit zu viel Tempo in den Zweikampf (chancenlos, einen kontrollierten Zweikampf zu führen) mit Sow rennt und dann, wie auf dem Standbild zu sehen, auf der Außenbahn landet, womit das Zentrum der Bremer nicht mehr besetzt ist.

Dass man der SGE, man kann sich da nur wiederholen, niemals solche Kontermöglichkeiten geben darf, weil das Ausspielen dieser Situationen die Stärke der Mannschaft schlechthin ist, dürfte inzwischen allseits bekannt sein und während die Kölner letzte Woche noch vormachten, wie man die Eintracht gut verteidigt (nämlich mit relativ wenig Risiko im vorderen Pressing und mit dauerhafter Absicherung in der letzten Reihe), rennen die Bremer hier schlicht sehenden Auges ins Verderben: Die komplette rechte Seite der Bremer ist hier sehr weit aufgerückt im Gegenpressing inklusive des zentralen MF:

Das ist die grobe Aufstellung der Bremer. Wie man im obigen Standbild gesehen hat, sind an diesem Gegenpressing die gesamte rechte Defensivseite der Bremer beteiligt und weil Gruev hier die Bremer Pressingabteilung mit Druck auf den Ball unterstützen will, aber zu spät kommt, sind sie nun alle komplett überspielt. Stark muss dann als letzte Instanz raus und gegen Kolo Muani den Zweikampf führen, kann sich nur mit Foul helfen und daraus entsteht der Freistoß für die SGE, der dann zum 1:0-Eigentor führt.

Die frühe Führung spielte dem Matchplan der SGE durchaus in die Karten, denn die Mannschaft überließ nun den Bremern noch mehr den Ballbesitz (insgesamt hatte Bremen 55% Ballbesitz), räumte meist das komplette Angriffsdrittel und presste erst im Mittelfeld. Damit zwang die SGE den Gegner entweder zu langen Bällen oder zu gewagten Passmanövern, die aber fast immer an technischen Unzulänglichkeiten der Gäste scheiterten.

Die Bremer hatten zwar offenbar sehr klar die letzte Reihe der SGE samt Kopfballschwäche als Einfallstor ausgemacht und versuchten diese immer wieder zu bespielen, aber da sie meist aus dem eigenen Aufbau kommen mussten und praktisch keinen einzigen überragenden Offensiv-1 gg. 1 – Spieler in ihren Reihen haben, gelang es ihnen so gut wie nie, die SGE-Kette zu isolieren, sie also zum „alleine arbeiten“ zu zwingen. Außerdem war aufseiten der SGE in der IV-Zentrale diesmal ein Spieler mit starker Antizipation und recht sicherem Kopfballspiel aufgeboten, bei dem mehrere der langen Bälle landeten und der diese sichern oder klären konnte.

Da uns hier weniger die Probleme der Bremer interessieren und das Spiel vollkommen einseitig war, kann man nach Betrachten des Re-Live feststellen, dass die Gäste in keiner einzigen Disziplin der SGE voraus waren und in den meisten heillos unterlegen. Wir könnten eine Unmenge an technischen Fehlern präsentieren, zu langsames Umschaltverhalten, hektisches Pressing und immer und immer wieder technische Schwächen und eine SGE, die dem Gegner in allen Belangen überlegen war und spätestens nach dem 2:0 das Spiel im zweiten Gang über die Zeit schaukelte.

Das dürfte aber jeder im Live-Spiel selbst gesehen haben und ab einem bestimmten technisch-individuellen Unterlegenheitsfaktor werden taktische Fragen weniger relevant, aber genau darum geht es ja hier.

Der einfache „Trick“ der SGE, ihnen den Ball zu überlassen, die eigenen Reihen zu schließen und vor allem die Abstände zwischen den Reihen eng zu halten, genügte, um die Bremer vor unlösbare Probleme zu stellen. So ergab sich im Spiel immer und immer wieder dieses Bild:

Die SGE im echten, klassischen Mittelfeldpressing, enge Reihen, 5er-Kette. Bremen stellt das im Aufbau eigentlich ganz gut, ist diagonal außen doppelt und ballnah auch mit 3 Spielern besetzt, spielt dann auch den Diagonalball, aber die technische Umsetzung (eintracht.tv ab 36:50) ist zu schwach, um schnell genug, also ohne von der SGE in Zweikämpfe verwickelt zu werden, in ein Kombinationsspiel zu kommen. So auch in dieser Situation aus der 31. Minute, in der dann zwar der Diagonalball gespielt wird und auch beim Mitspieler landet, dieser dann aber direkt von der SGE angeschoben und verteidigt werden kann. Der Diagonalpass ist ebenso wie die Ballverarbeitung nicht optimal.

Da das wie gesagt aber eher Probleme des Gegners sind und die SGE weitgehend kaum mehr machen musste, als auf deren Fehler zu warten (besonders geduldig mussten sie aber meist gar nicht sein), hier noch ein Blick auf das spielentscheidende 2:0.

Zunächst sieht man, dass die Bremer weit in der SGE-Hälfte ein Pressing in der Seitenzone bei einem SGE-Einwurf aufbauen, der zentrale IV Stark bis weit in die SGE-Hälfte nachrückt. Hier im Clip:

Damit ist das Spiel geöffnet, Kamada setzt es dann auf Max fort, der aber keine Unterstützung mehr hat und 1 gg. 1 gegen Gruev gehen muss. Dessen Zweikampfverhalten ist so indiskutabel wie nicht unser Thema, Max macht es zwar auch stark, ein Antritt genügt aber im Grunde, um Gruev abzuschütteln. Max´ kann frei flanken, Kolo Muani gewinnt das Kopfballduell, seinen Abschluss kann Pavlenka noch halten, aber dann machen Knauff und Kolo Muani das Tor ohne weitere Gegenwehr (da ist es aber auch wirklich schwierig zu verteidigen – ganzer Ablauf siehe oben in den Highlights).

Das Fazit

Die SGE war den Bremern heillos überlegen, hätte das Spiel auch höher gewinnen können.

Analytisch war das Spiel nicht sonderlich interessant, auf Seiten der SGE gab es wenig Neues zu beobachten, der Matchplan war klar ersichtlich und ging vollkommen auf, die Bremer waren chancenlos und spielten exakt die Rolle, die der SGE-Plan für sie vorsah. Sie spielten breit, mit viel Aufbau, aber vielen technischen bzw. spielerischen Ungenauigkeiten und waren so immer wieder gut zu attackieren und auszukontern. Besonders erfreulich zu sehen war, dass Glasner diesmal mit seinem Matchplan stark gecoacht und so das Spiel mitbestimmt hat. Dass derartiges Eingehen auf Stärken/Schwächen des Gegners ein Erfolgsfaktor sein kann, war diesmal deutlich zu sehen.

Auffällig war, dass die Bremer, ähnlich wie die SGE in vielen Spielen, sehr früh attackierten und die defensiven MF bzw. die Verteidiger der letzten Reihe teils bis tief in die Gegnerhälfte nachrückten/durchsicherten. Das ging mehrmals schief, unter anderem vor den beiden Toren und man sah in beiden Situationen, dass es nicht reicht, Überzahl/ Gleichzahl – Situationen in engen Spielräumen herzustellen. Insbesondere passtechnisch sehr starke Spieler wie Götze, Kolo Muani, Lindström, Kamada, Sow können sich, sofern Gegenspieler etwas zu spät kommen, sich zwei Spieler in die gleiche Richtung orientieren und damit Passwege öffnen oder Gegenspieler nicht press im Zweikampf sind, aus den engen Räumen lösen und über Ausgänge das Spiel verlagern/ Konter bzw. Angriffe einleiten. Entscheidend dafür ist die technische Möglichkeit, also die Pass- und Timinggenauigkeit. Was so ein mannschaftlicher technischer Unterschied ausmacht, war in diesem Spiel gut zu sehen.

Die Entwicklung des Teams schreitet sichtbar voran, es wird sicherer in allen Aktionen, gerade bezüglich gruppentaktischer Abstimmungen und Automatismen.

Auch wenn Jakic als IV besonders in der Antizipation langer Bälle / Kopfballspiel insgesamt etwas sicherer war als sein Vorgänger auf der Position (man könnte einige Kopfballsituationen von Jakic zeigen, die er weitgehend gut und aktiv löst) und er auch insgesamt der dynamischere Zweikämpfer ist, dürfte diese letzte Reihe weiter Thema bleiben. Die Schwäche bei Standards spielte diesmal keine Rolle, aber auch hier dürfte auch zukünftig manches von der Besetzung in der letzten Reihe abhängen.

Schon im anstehenden Spiel gegen Neapel dürfte die letzte Reihe wieder stärker gefordert sein und inwiefern auch dort Fortschritte stattgefunden haben, ist sicher interessant zu beobachten.

Das Erstellen der analytischen Beiträge ist ziemlich zeitaufwendig. Ich freue mich über jede Spende (PayPal), auch Kleinbeträge sind hilfreich. (Über den Link kann auch per Kreditkarte gespendet werden).  Wer die PayPal-Gebühren umgehen möchte, kann gerne eine PN an abdom@gmx.de senden, um die Kontodaten für eine Überweisung zu erfragen.

Vielen Dank allen Spenderinnen und Spendern.

In eigener Sache: Wer sgefussballanalyse folgen oder über neue Artikel informiert werden möchte, kann das bei TwitterFacebookTelegram oder einfach hier unten auf dieser Seite bei WordPress via Abonnieren-Button tun.

1.FC Köln – SGE 3:0 (0:0)

Die SGE wurde von Baumgarts FC ziemlich ausgekuckt. Dennoch war zu sehen, dass sie individuell sowie technisch die bessere Mannschaft ist. Ein Blick auf die Gründe für die Niederlage.

Die Aufstellungen

KOE: Schwäbe – Schmitz, Hübers, Chabot, Hector – Martel (88. Lemperle), Skhiri – Maina (80. Schindler), Huseinbasic (67. Olesen), Kainz (80. Thielmann) – Tigges (67. Adamyan)

SGE: Trapp (4) – Tuta (4), Hasebe (4), Ndicka (3) – Buta (3), Kamada (4), Sow (4), Max (3) – Lindström (3-), Kolo Muani (3), Götze (4+)

eingewechselt: Knauff (3-), Rode (4+), Alario (4+), Borré (3)

(die Noten in Klammern beruhen weitgehend auf den von sofascore.com berechneten Daten)

Die Statistik

gibt es hier, hier und hier

Die Highlights

Die Spielanalyse

Zunächst einmal: Das Spiel war lange kein so großes Drama wie man angesichts des Ergebnisses denken könnte, im Gegenteil war das Kölner 3:0 eher schmeichelhaft. Bereits nach 30 Sekunden hat die Eintracht eine erste Großchance (entstanden aus Positionsspiel Ndicka-Götze-Kolo Muani) durch Lindström, allerdings war Kolo Muani zuvor knapp im Abseits. Dennoch waren hier die Kölner ein erstes Mal ausgespielt. (eintracht.tv ab 6:28).

Weitere SGE-Chancen folgten, etwa in der 11. Minute (Kolo Muani verpasst Lindström-Hereingabe nach Buta-Pressingballgewinn gegen Hector), Problem: ungenaue Hereingabe Lindström, eintracht.tv ab 16:42) – viel Glück hier für Köln.

In den ersten 15 Minuten war schon sichtbar, wie die Kölner das SGE-Spiel zu unterbinden gedachten: In den typischen Spielräumen der SGE sollte der Raum extrem verengt werden, also vor allem in den offensiven Spielräumen außen und im Kölner Verteidigungsdrittel. Die beiden von der SGE üblicherweise am häufigsten angesteuerten Räume außen und genauso die Innenbahnpässe aus dem Aufbau wurden sehr konsequent zugestellt.

Das gelang zwar recht gut, aber die Kombinationsstärke der SGE konnten die Kölner oft erst in der letzten Linie, beim letzten Pass abwehren, ein schönes Beispiel ist die 16 Minute: Starker Aufbauflugball Kamada, Doppelpass Max-Sow halblinks am Strafraum, erst die Hereingabe von Max kann dann Hübers zur Ecke klären (Ecken-Verhältnis 1. HZ 1:4 pro SGE, insgesamt 3:9, bildet die vielen Notverteidigungen der Kölner in der letzten Reihe gut ab). Im Anschluss an diese Ecke ging dann der Kölner Martel mit dem Oberarm zum Ball, Schiedsrichter Siebert entschied nach Ansicht der Fernsehbilder, dass das kein Elfmeter war (siehe oben in den Highlights). Das ist sicher eine diskutable Szene, und auch wenn andere Schiedsrichter da einen Elfmeter gegeben hätten, ist es definitiv eine kann-Entscheidung, die Entscheidung hier also keine totale Fehleinschätzung. Trotzdem auch hier wieder viel Glück für den FC. Mit ein bisschen mehr Spiel-/ Schiriglück kann die SGE hier auch schon mit 2:0 führen.

Die Kölner hatten bis zur 25. Minute maximal einige Halbchancen nach (Halbfeld-)Flanken, vor allem von Kainz und eine gute Konterchance nach Aufbau-Fehlpass Hasebe.

Die größte SGE-Chance vergibt Kolo Muani in der 24. Minute, als er schon frei vor Kölns Torwart Schwäbe ziemlich genau am Elfmeterpunkt den Ball von Benno Schmitz noch vom Fuß gespitzelt bekommt (eine überragende Verteidigungsaktion von Schmitz im Übrigen). Die Entstehung dieser Szene ist interessant, da sie zeigt, wie das Defensivkonzept der Kölner besser zu überwinden gewesen wäre.

Köln mit 4 Pressingspielern ganz vorne und dann wieder mit der Überzahlformation ganz hinten, dazwischen ein relativ breiter, völlig unbesetzter Mittelfeldraum. Durch die breite Besetzung vorne mit Götze sehr weit links außen ist die Kölner Kette gezwungen, relativ breit zu stehen, so ergibt sich zwischen Schmitz und Chabot und hinter dem richtig herausgerückten Hübers ein großer Freiraum, den Kolo Muani anlaufen kann. Auch die Doppelsechs der Kölner, die (nicht nur) hier nebeneinander statt abgesetzt verteidigt, kann auf Lindström so in der Zentrale nicht zugreifen.

Diese beste Chance der SGE im gesamten Spiel entsteht also durch einen Angriff durch die Zentrale, der allerdings eher zufällig zustande kommt, denn der Pass von Tuta ist ein reiner Notball/Befreiungsschlag, da er zuvor einen technischen Fehler macht und daher keinen kontrollierten Pass spielen kann. Hier steht Lindström direkt auf der 10er-Position, die bei der SGE systematisch eigentlich nicht besetzt ist und die die Kölner daher in ihrem Defensivkonzept vernachlässigten, kein Wunder also, dass genau ein solcher Ball von der SGE dann so genutzt werden konnte. Diese Lücke hätte öfter angelaufen werden können.

In der 2. Halbzeit können die Kölner das Spielgeschehen insgesamt zu ihren Gunsten verschieben. Zwar bleibt die SGE die spieldominante Mannschaft (57 Prozent Ballbesitz) und auch stärker in den technischen Disziplinen (Passgenauigkeit 77:74 Prozent pro SGE, erste Halbzeit 82:76 pro SGE), aber die Kölner werden in der zweiten Halbzeit deutlich gefährlicher (XGoals 0,91 : 0,11 pro Köln, 1. HZ war ausgeglichen 0,26 : 0,23 pro Köln, die XGoals-Angaben stammen von sofascore.com, bei anderen Portalen sind sie noch eindeutiger pro Köln).

Entscheidend für den Erfolg der Kölner ist aber nicht ihre starke Offensive, sondern vor allem ihr starkes Defensivverhalten, so lassen sich relativ klar 3 Gründe für Spielverlauf und das Ergebnis festhalten:

1. Das Defensivkonzept des FC,

das sich besonders darauf konzentrierte, die äußeren Offensiv-Räume, die von der SGE gern mit Passdrei- und -vierecken bespielt werden, zuzustellen und dann sehr aggressiv in den Zweikämpfen auf Ballgewinne zu setzen:

Der FC erzielte in der 2. HZ ein Tackle-Übergewicht von 16:8 (Gesamtspiel sagenhafte 30:12) und einen Zweikampfvorteil von 41:33 (Gesamtspiel 69:59).

Besonders diese Außenräume waren meistens dicht, dennoch gelangen der SGE auch in der zweiten Halbzeit durchaus gute Kombinationen, allerdings wie schon in der 1. HZ eher nach (hohen) Bällen durch die Zentrale oder Richtung Halbpositionen, bspw. der Götze-Tiefenpass auf Lindström in der 47. Minute, eintracht.tv ab 2:03.

2. Das (hohe) Pressing des FC,

das die SGE oft zu langen, unkontrollierten Flugbällen zwang (sehr oft, zu oft durch Trapp, der mit 69,4 % eine für einen Torwart extrem niedrige Passquote hatte), die dann von den kopfballstarken Kölnern gewonnen werden konnten. Allerdings ließ sich die SGE, auch hier besonders Trapp, auch zu oft zu früh und zu bereitwillig auf diese langen Bälle ein. Die Sequenz, die zu der Ecke führte, nach der die Kölner dann das 1:0 erzielten, zeigt das:

Sobald es der SGE hingegen gelang, die gruppentaktischen Überzahlsituationen der Kölner einmal zu überspielen, wurde es sofort gefährlich (Bsp. 70. Minute, eintracht.tv ab 25:33, Borré setzt sich links gegen 2 Kölner durch, schließlich fast-Abschluss Kamada)

3. Die Schwäche der SGE in der Defensive

Die Ecke, die zum 1:0 führt, ist von der SGE extrem schwach verteidigt. Zunächst können die Kölner die Ecke ohne große Gegenwehr kurz ausführen,

Der Moment der Kainz-Flanke. Lindström ist im 1 gg. 2 oben zu spät/chancenlos, Sow lässt Hübers in der Zentrale einfach laufen, so kann er dann einköpfen.

Wenn man das außen verteidigen will, muss dabei ein zweiter Mann helfen. Wenn man es in der Zentrale verteidigen will, muss Sow natürlich Hübers folgen und zumindest versuchen, ihn entscheidend zu stören, aber Sow lässt Hübers einfach laufen und bleibt stehen (siehe oben in den Highlights oder eintracht.tv ab 5:09).

Beim zweiten Tor fehlt die Konterabsicherung bei der Ecke, Glasner erklärte später, die Ecke sei so schnell ausgeführt worden, dass die Absicherung noch nicht gestanden habe, nunja. Die Ausführung der Ecke ist dann auch extrem schwach und hektisch, der Ball von Kamada auf Borré schon ungenau und die Borré-Flanke eine Katastrophe. Allerdings ist die Kontersituation der Kölner nicht unmöglich zu verteidigen:

Die SGE hat nach innen hier eine 2 gg. 3 Unterzahl, aber Borré ist im Sprint noch nicht ganz aus dem Spiel, kann das Ganze zu einem 3 gg. 3 ergänzen. Alles kommt darauf an, dass Hasebe Maina hier hinreichend lange verzögert, ihm etwas Tempo nimmt und so Borré ermöglicht, in den Zweikampf zu kommen und Knauff ermöglicht, die Zentrale zu halten.

Doch das gelingt nicht. Hasebe lässt Maina zu nah an sich herankommen, wird von ihm dann klassisch verladen:

Hasebe verabschiedet sich aus dem 1 gg. 1 freiwillig, deshalb muss Knauff sich (richtig) Richtung Maina orientieren, wodurch hinter ihm Adamyan völlig frei steht und dann auch den Pass von Maina erhält.

Trapp verteidigt Adamyan dann im 1 gg. 1 zwar noch überragend, aber der Ball landet etwas unglücklich für die SGE auf Skhiris Kopf, der nur noch einköpfen muss.

Das Fazit

Baumgarts Kölner waren sehr gut auf die SGE eingestellt, bemühten sich, die von der SGE immer wieder angesteuerten Außenräume zu schließen, Passwege tief und quer entweder zuzustellen oder die Passempfänger eng zu decken und Innenbahn-Aufbau-Passbahnen zu schließen. Das gelang mit zunehmender Spieldauer besser, aber obwohl der FC es gut verteidigte, kam die SGE zumindest bis zum 2:0 in der 71. Minute immer wieder zu Chancen. Über das gesamte Spiel, das räumte auch Baumgart danach ein, war der FC sicher nicht die 3 Tore bessere Mannschaft, insgesamt, so sagte der FC-Trainer, hätte er auch mit einem Unentschieden zufrieden sein müssen – eine realistische Einschätzung.

Letztlich verlor die SGE das Spiel in der eigenen hinteren Reihe, bzw. im eigenen Defensivbereich. Die Mannschaft war in den Kategorien defensiver Zweikampf und im Luftbereich den Kölnern heillos unterlegen, insbesondere in der Innenverteidigung und alle dürfen sich gerne einmal das Spiel des FC in der letzten Reihe anschauen, das ist ziemlich guter Anschauungsunterricht in gruppentaktischem Timing. Man kann an der Kölner letzten Reihe ganz gut lernen, wann, wie und wie lange verzögert werden sollte, wann Zugriffe sinnvoll sind und dass es kein Problem ist, wenn so eine Kette sich auch einmal bis 15-20 Meter vor das eigene Tor zurückziehen muss. Bei der SGE bleiben solche defensiven gruppentaktischen (aber leider auch oft individualtaktischen Basics) leider nach wie vor zu oft ein Buch mit sieben Siegeln, zumindest dann, wenn die letzte Reihe alleine verteidigen muss.

So konnte das 0:1 nicht verhindert werden (wobei das Abwehrverhalten von Sow im Grunde Verweigerung ist) und das 0:2 ebensowenig, diesmal weil der zentrale Innenverteidiger der SGE einen üblichen Letzte-Reihe-Zweikampf gegen einen schnellen und halbwegs geschickten Gegner wie Maina individualtaktisch nicht gewinnen kann. Dass Hasebe mit vielen dieser für einen Innenverteidiger üblichen Zweikämpfe überfordert ist, wird hier seit nun fast 2 Jahren regelmäßig dokumentiert, den gegnerischen Trainern bleibt das kaum verborgen und vielmehr ist dazu nicht mehr zu sagen.

Insgesamt ist der Spielverlauf keine große Überraschung, denn dass ein Trainer wie Baumgart sich etwa das SGE-Spiel gegen Mainz genau angeschaut und gesehen hat, wie die Mainzer das Offensivspiel der Eintracht recht gut in Schach halten konnten, kann erwartet werden. Dennoch: Die SGE war trotz eines taktisch starken, extrem lauffreudigen (125,3 Kilometer) und defensiv zweikampfstarken Gegners keineswegs ungefährlich und hätte nach 20 Minuten auch gut und gerne 2:0 in Führung liegen können. Trotz all der hier gezeigten Schwächen war die SGE durchaus nicht die schwächere Mannschaft.

Dass sie das Spiel letztlich verlor, lag fast ausschließlich an der eigenen Defensivschwäche und ob es gegen Gegner wie den FC wirklich eine sehr gute Idee ist, mit im Grunde 8 offensiv denkenden/ ausgerichteten Feldspielern (wirkliche Defensivspieler waren auf Seiten der SGE nur Tuta und Ndicka) und ohne einen überragenden Kopfballspieler in der letzten Reihe anzutreten, sei einmal dahingestellt.

Jedenfalls darf man sich dann nicht allzu sehr wundern, wenn der kopfball- und zweikampfstarke Gegner seine Überlegenheit in diesen Bereichen ausspielt.

Das Erstellen der analytischen Beiträge ist ziemlich zeitaufwendig. Ich freue mich über jede Spende (PayPal), auch Kleinbeträge sind hilfreich. (Über den Link kann auch per Kreditkarte gespendet werden).  Wer die PayPal-Gebühren umgehen möchte, kann gerne eine PN an abdom@gmx.de senden, um die Kontodaten für eine Überweisung zu erfragen.

Vielen Dank allen Spenderinnen und Spendern.

In eigener Sache: Wer sgefussballanalyse folgen oder über neue Artikel informiert werden möchte, kann das bei TwitterFacebookTelegram oder einfach hier unten auf dieser Seite bei WordPress via Abonnieren-Button tun.

SGE – SV Darmstadt 98 4:2 (2:2)

Wieder viele Tore bei einem Spiel der SGE. Die Spielanalyse zum Einzug der SGE ins Viertelfinale.

Die Aufstellung

SGE: Trapp – Tuta, Hasebe, Ndicka (46. Smolcic) – Buta (82. Knauff), Kamada, Rode (70. Sow), Max (90. Lenz) – Borré (90. Jakic), Kolo Muani, Götze

SVD: Schuhen – Karic (90. Bennetts), Müller, Zimmermann, Holland, Ronstadt – Schnellhardt (73. Vilhelmsson), Kempe (85. Stojilkovic) – Mehlem, Tietz (73. Manu), Honsak (90. Torsiello)

Die Statistik

gibt es hier und hier.

Die Highlights

Die Spielanalyse

Erwartungsgemäß und taktisch vollkommen nachvollziehbar versuchten es die Darmstädter in der Anfangsphase immer wieder mit verschiedenen Anspielen aus dem Aufbau auf ihren großen, körperlich starken Mittelstürmer Philipp Tietz, der von Kamada und Hasebe an den Kopfballweitergaben und -ablagen der ersten Minuten überhaupt nicht gehindert werden konnte, was in der 5. Minute auch zur ersten großen Chance der Gäste führte (Mehlem-Hereingabe verpasst Honsak knapp, eintracht.tv ab 11:02). Glück für die SGE, dass es da nicht 0:1 stand.

Nach der folgenden Ecke der Darmstädter entsteht das 1:0 für die Eintracht. Zunächst kann die SGE die Ecke klären, den Ball sichern und die Darmstädter haben genug Zeit, um in ihre defensive Grundordnung zurückzukehren:

Die Darmstädter sind mit der 3er-Pressinglinie besetzt, dahinter auch in der Mittelfeldzentrale mit 3 Spielern besetzt. Allerdings sieht man, dass nach dem Rückzug nach der Ecke die Linien noch recht weit auseinanderstehen und Kamada sich dazwischen sehr frei bewegen kann. Hier der erste Aufbauball von NDicka Richtung Buta.

Bereits im Hertha-Spiel haben wir uns hier anhand des 2:0 dem (relativ neuen) Element im SGE-Spiel, dem Positionsspiel, etwas genauer gewidmet und festgestellt, dass es oft von einem Wechsel von tiefen Pässen und Querpässen gezeichnet ist. Bei dem Spielzug zum 1:0 gegen Darmstadt sieht man das auch. Im Detail hier im Videoclip:

Video-Zitat. Material von eintracht.tv; Bildrechte: DFB

Der letzte Steilpass Borré-Buta ist für die Darmstädter kaum noch zu verteidigen, ebensowenig die Flanke Buta-Kolo Muani.

Neben dem tief-quer-Positionsspiel waren für die Darmstädter auch andere Kombinationsformen und Angriffsmuster, insbesondere das Dreiecksspiel der SGE auf der rechten Mittelfeldseite, kaum zu verteidigen. Sie finden keinen Zugriff auf das Kombinationsspiel der SGE, lassen sich von dem Überladen der Außen durch die SGE immer wieder in Unterzahlsituationen drängen und verteidigen diese Situationen im Mittelfeld mit zu viel Distanz:

10. Minute: 4 gg. 2 im rechten Mittelfeldbereich, Darmstadt überlädt nicht dagegen (wie es bspw. die Mainzer im letzten Spiel vor der Winterpause erfolgreich praktizierten) und stehen auch nicht eng Mann gegen Mann, die zweite Möglichkeit, solche Überladungen zu verteidigen. Dadurch sind sie chancenlos, werden klassisch ausgepasst und Götze spielt dann den ausgehenden Tiefenpass auf den mit (3) Rode-Götze ausgelösten tief sprintenden Buta.

Dessen Hereingabe vergibt in der Zentrale Borré völlig freistehend, das hätte eigentlich das 2:0 sein müssen. (eintracht.tv ab 16:39)

So waren die Darmstädter in zu vielen Situationen heillos überfordert und konnten froh sein, dass erstens die SGE größte Chancen vergab, und zweitens, dass die Eintracht im hinteren Bereich selbst zu schwach war, um die Darmstädter dauerhaft wirkungsvoll zu verteidigen.

Das erste Gegentor geht zweifach auf die Kappe von Hasebe.

Video-Zitat. Material von eintracht.tv; Bildrechte: DFB

Das zweite Gegentor ist hingegen ein Kettenfehler. Vorausgegangen war ein langer, hoher, eigentlich schwacher Befreiungsschlag des Darmstädter Keepers, doch weder Kamada (mit sehr schwachem Kopfballtiming gegen Mehlem) noch Rode (nach einem eigentlich gewonnen Kopfballduell von Ndicka) können den Ball im Mittelfeld gewinnen, sodass die Darmstädter aus dem zentralen Mittelfeldbereich frei auf die SGE-Kette zulaufen können. Dass das reine Kettenverteidigen einer der größten Schwachpunkte der SGE ist, wurde hier oft gezeigt. Die Kettenfehler sind zuletzt deutlich weniger geworden, allerdings ist anzunehmen, dass das auch daran liegt, dass die SGE in den letzten Monaten enorm viel Spielkontrolle (Positionsspiel, Dreiecksspiel, Ballbesitz) hinzugewonnen hat und dass das Zusammenspiel mit der Mittelfeld- Angriffsreihe besser funktioniert, die Linien enger zusammenstehen. Umso interessanter sind Situationen, in denen die Kette einmal „alleine“ verteidigen muss und siehe da: Es werden direkt wieder krasse Kettenfehler produziert:

Tuta steht rund 5 Meter zu tief. Schnellhardt agiert hier in seinem Raum, er müsste also in der Gesmtrückwärtsbewegung höhenmäßig etwas vor Buta-Hasebe-Max stehen, aber niemals dahinter. So geht der bekannte No-Abseits-Raum auf, Schnellhardt spielt auf Honsak, der genau auf einen solchen Stellungsfehler in der Zentrale spekuliert und es steht 1:2

Das Ausgleichstor in der 44. Minute ist ein eher klassisches SGE-Tor nach starkem Anlaufen und Pressing-Ballgewinn von Max links gegen den Darmstädter Ronstadt. Das ging relativ leicht und nach der eigentlich abgewehrten Hereingabe von Max bekommt Rode den Rebound und spielt einen überragenden Steilpass in den Sechzehner, wo Götze und Borré die Situation stark zu Ende spielen. (eintracht.tv ab 50:20). Übrigens liegt hier weder im Zweikampf Max-Ronstadt, noch Götze-Holland ein Foul vor, wie einige Darmstädter reklamierten.

Mitte der zweiten Hälfte erhöhte die SGE deutlich den Druck, indem sie deutlich früher und häufiger und mit höherer Intensität ganz vorne anpresste und produzierte so Torchancen. Die Führung war in dieser Phase eine Frage der Zeit und fällt dann auch in der 62. Minute folgerichtig aus einer der Dauerpressingphasen. Zunächst können sich die Darmstädter in zwei Einwürfe retten, mit denen sie sich aber ebenfalls nicht befreien können. Aus einem solchen Einwurf entsteht dann die Pressingsituation im rechten Mittelfeld, bei der Rode und Borré den Ball gewinnen. Die komplette Herstellung einer adäquaten Angriffsstrukter funktioniert bei der SGE erstaunlich automatisiert und schnell, nur deshalb kann das Tor fallen. Alle Details im Clip:

Video-Zitat. Material von eintracht.tv, Bildrechte: DFB

Das entscheidende 4:2 ist dann wieder ein klassischer Konter, die Darmstädter mit einem sehr einfachen Passfehler im vorderen Bereich, Max und Götze gewinnen den Ball, Götze spielt einen Traumpass auf den startenden Kolo Muani, der im 1 gg 1 gegen Schuhen trifft, eintracht.tv ab 48:12.

Das Fazit

Die SGE war auch gegen Darmstadt in fast allen taktischen, spielerischen und individuellen Belangen klar besser, auch wenn sich die Lilien etwas besser wehren konnten, als zuletzt die Hertha. Das lag vor allem an der starken Darmstädter Offensive und den starken Schnellhardt, Mehlem und Honsak, die ohne große Probleme das SGE-Tempo mitgehen konnten.

Auch der taktische Move, Tietz gezielt gegen Hasebe und Kamada ins Spiel bringen zu wollen, war ein guter des Darmstädter Trainers und damit hatte die SGE ihre Schwierigkeiten.

Bei der SGE traten wieder die üblichen Fehler auf, die immer auftreten, wenn die hintere Reihe „alleine“ verteidigen muss, fehlendes IV-adäquates Stellungsspiel bei Hasebe (siehe erstes Gegentor) und Kettenstellungsfehler bei Tuta (zweites Gegentor). Auch dass Kamada auf der Sechserposition ein defensives Einfalltor ist, konnte gut beobachtet werden.

Solange die SGE es kollektiv verhindern kann, dass der defensive 3-2 bzw. 5-2 – Block alleine verteidigen muss, kann die Mannschaft zu null spielen, sobald aber die defensive Reihe eigenständig arbeiten muss, passieren nach wie vor zu viele Fehler, die die Darmstädter zu zwei Treffern nutzten. Die positionsfremd eingesetzten Spieler (diesmal Kamada, Hasebe) und die Kettenabstimmung bleiben Angriffspunkte für die Gegner.

Allerdings tritt dieses Problem mit zunehmender Spielkontrolle in den Hintergrund und Glasner hat die Mannschaft inzwischen von einer in erster Linie Kontermannschaft zu einem Team entwickelt, das neben Kontern auch verschiedene Angriffsmuster für das Positionsspiel (tief-quer, Passdrei- bzw. vierecke) und das Reboundspiel nahezu perfekt beherrscht und auch technisch stark genug ist, das regelmäßig anzuwenden. Gleichzeitig ist die Offensive derzeit vielleicht sogar die stärkste der Liga. In der aktuellen Form von dem gegen Darmstadt überragenden Borré hat die SGE jedenfalls mit ihm, Kolo Muani, Lindström, Götze und Kamada 5 absolute Top-Offensive und eine solche Besetzung findet man in der Bundesliga sonst nur noch bei Bayern, Dortmund oder Leipzig.

Das Erstellen der analytischen Beiträge ist ziemlich zeitaufwendig. Ich freue mich über jede Spende (PayPal), auch Kleinbeträge sind hilfreich. (Über den Link kann auch per Kreditkarte gespendet werden).  Wer die PayPal-Gebühren umgehen möchte, kann gerne eine PN an abdom@gmx.de senden, um die Kontodaten für eine Überweisung zu erfragen.

Vielen Dank allen Spenderinnen und Spendern.

In eigener Sache: Wer sgefussballanalyse folgen oder über neue Artikel informiert werden möchte, kann das bei TwitterFacebookTelegram oder einfach hier unten auf dieser Seite bei WordPress via Abonnieren-Button tun.

SGE – Hertha BSC Berlin 3:0 (2:0)

Die Hertha war in der aktuellen Form kein echter Gegner für die SGE. In der zweiten Halbzeit schaltete die SGE einen Gang zurück, was beinahe ins Auge gegangen wäre. Eine Analyse anhand von vier Highlights.

Die Aufstellung

SGE: Trapp – Tuta, Hasebe, Ndicka – Buta, Kamada (69. Rode), Sow (90. Jakic), Max (70. Lenz) – Lindström (69. Borré), Kolo Muani (84. Alario), Götze

Hertha: Christensen – Kenny (46. Mittelstädt), Uremovic, Kempf, Plattenhardt – Serdar, Tousart (80. Boateng), Boetius (46. Cigerci) – Richter, Niederlechner (76. Scherhant), Lukebakio (46. Ngankam)

Die Statistik

Attack-Momentum:

weitere Statistiken hier, hier und hier

Die Highlights

Die Spielanalyse

Um zu erkennen, dass die SGE in fast allen, auch taktischen Belangen besser und besser automatisiert war als die Hertha, dazu brauchte es keine Analyse, daher hier diesmal ausschließlich ein Blick auf vier Highlights, nämlich die vier SGE-Tore und die größte Chance der Hertha.

Zunächst also zum 1:0.

Der SGE-Konter zum Tor wird nach einem Hertha-Ballverlust gefahren, der viel über den derzeitigen Zustand der Berliner verrät, denn eigentlich war das ein klarer Ballbesitz der Hertha nach einem Abschluss vorne. Die halbe Hertha-Mannschaft konzentriert sich darauf, nach einem angeblichen Handspiel von Hasebe (das keins war) Elfmeter zu fordern, statt nach dem abgewehrten Ball die offensiven Positionen wieder anzulaufen (eintracht.tv ab 25:05). So entsteht diese Situation:

Aus dem eigenen Aufbau spielt Boetius einen vollkommen wahllosen Pass Richtung linksaußen, wo, man sieht es, nun weit und breit kein Herthaner steht. Der Ball landet bei Buta, der sofort den Konter einleitet und man sieht, dass hier die komplette Offensivabteilung der SGE anwesend ist und in den Startlöchern steht.

Wenn man gegen die SGE derzeit etwas nicht tun sollte, dann in einer solchen Situation derartig unmotiviert den Ball zu verlieren. Denn wenn die SGE etwas kann, dann solche Situationen Richtung Tor aufzulösen.

Buta geht zunächst vollkommen richtig ins Tempodribbling, stellt damit sofort ein 3 gg. 2 in dem abgedunkelten Bereich. Die einzige Chance der Hertha würde nun darin besteht, entweder den Initialpass von Buta zu verhindern oder den Angriff insgesamt zu verzögern. Zweiteres wäre aber nur mit einem 3 gg. 2 außen irgendwie möglich. Doch Boetius begeht seinen zweiten Fehler, stürzt ohne eine Chance auf den Ball Richtung Buta, der auf Lindström passt, sich sofort zum Doppelpass anbietet und den Ball von Lindström auch wiederbekommt.

Damit ist Buta aufgedreht, also mit Gesicht Richtung Gegnertor in vollem Tempo Richtung Hertha-Abwehrreihe unterwegs…

…die durch das freiwillige Entfernen von Boetius und dem per Doppelpass ausgespielten Plattenhardt nun im vorderen Bereich eine 2 gg. 3 – Situation zu bearbeiten hat: Kempf muss sich Richtung Ballführendem und Uremovic Richtung ballnahem Stürmer (Götze) orientieren. Damit ist Kolo Muani hinten komplett frei, bekommt von Buta den Ball und holt dann im 1 gg. 1 gegen Uremovic den Elfmeter zum 1:0 heraus.

Dabei sind weder der Pass von Buta, noch die erste Ballannahme von Kolo Muani optimal (eintracht.tv ab 25:11) und man muss den Elfmeter vielleicht auch nicht unbedingt geben, aber dass die SGE derzeit ungefähr die stärkste Kontermannschaft der Liga ist, darf man wissen und dass es sehr schwer wird, sie in der hinteren Reihe mit Tempo zu verteidigen, ebenso. Was Boetius in der Situation (zweimal) veranstaltet, ist schlicht eine Einladung zum Toreschießen für die SGE. Buta, Lindström und Kolo Muani spielen die Situation dann schnell und vom Angriffsmuster her sauber, aber mit zwei kleineren technischen Fehlern aus.

Das zweite Tor der SGE war erneut begünstigt durch wildes Anlaufverhalten der Hertha (diesmal nimmt sich Lukebakio vorne selbst aus dem Spiel und ermöglicht so den ersten Initialpass von Tuta), aber wir wollen uns hier nicht allzu sehr den Kopf der Hertha zerbrechen und stattdessen einmal das Positionsspiel der SGE betrachten. Bei diesem Angriff lässt sich nämlich sehr gut ein Prinzip des Positionsspiel beobachten: Das gegenläufige Passen.

Häufig hört man von Passdreiecken. Diese sollen vor allem ermöglichen, dass Passkombinationen tief-quer-tief-… usw. gespielt werden können. Im Positionsspiel ist dieser Wechsel wichtig, da so die Laufwege der gegnerischen Verteidiger immerzu „gebrochen“ werden können, man den Verteidiger also gewissermaßen auf dem falschen Fuß erwischt, er seine Laufrichtung ändern muss, was immer Zeit kostet und damit der angreifenden Mannschaft Raum verschafft.

Dem 2:0 geht eine solche tief-quer-tief-Kombination voraus, die jedem besseren Lehrbuch entstammen könnte:

Zu dem Tor gäbe es noch manches zu sagen, etwa die Bedeutung des richtigen Timings, vor allem bei dem Buta-Pass auf Lindström, aber auch bei dem Laufweg von Kolo Muani, das würde hier aber etwas den Rahmen sprengen. Demnächst werden wir aber anhand eines Positionsspiel-Special diesen Spielzug noch einmal im Detail und mit Bewegtbildern betrachten, in denen man dann auch sieht, wie durch das tief-quer-tief-… und die dadurch erzwungenen Richtungswechsel der gegnerischen Verteidiger die notwendigen Passwege aufgehen, bzw. dieses „Öffnen der Passwege“ erzwungen wird. Das ist aber schon die ganz hohe Fußballkunst und kann nur an Bewegtbildern gezeigt werden.

Solche Positionsspielfolgen gelingen nur absoluten Topmannschaften in der Bundesliga und wenn die SGE in diesem Bereich weiterhin derartige Fortschritte macht wie in dieser Saison, muss sie zu diesem Kreis gezählt werden.

Zu Tor Nr. 3:

Die Tor-Entstehung ist analytisch nicht sehr relevant, Buta versenkt aus der zweiten Reihe eine von der Hertha schwach abgewehrte Tuta-Flanke in der 93. Minute. Interessant ist allerdings die Leistung von Buta nicht nur in dieser Situation. Dazu gleich mehr im Fazit.

Zuvor aber noch ein kurzer Blick auf das Beinahe-Tor der Hertha.

Dem Tor geht ein Kettenfehler voraus. Max steht zu tief und hebt das Abseits auf:

Gut zu sehen, dass Max 2 bis 3 Meter hinter Kettenhöhe steht, damit einen No-Abseits-Raum für Richter öffnet. Dieser macht auch einen tollen Weg, holt sich von der Außenlinie Anlauf und kann so den Ball gefährlich machen.

Im weiteren Verlauf (ab eintracht.tv 17:28) sieht man dann noch einen völlig verwaisten Rückraum im SGE-Sechzehner (z.T hervorgerufen durch fehlende Box-Orientierung/Schulterblick, das wurde hier anhand der vergangenen Spiele bereits gezeigt und war in der Situation ja auch nicht spielentscheidend, aber das ist derzeit das größte Thema der SGE in der Defensive) und Tuta kann den Ball auf der Torlinie (durchaus mit etwas Glück) abwehren.

Das Fazit

Das Hertha-Spiel führte die SGE weitgehend souverän, ließ im Grunde nie einen Zweifel daran, die bessere Mannschaft zu sein, spielte ihre alte Stärke (Konter, beim 1:0) und ihre neue Stärke (Positionsspiel, beim 2:0) zweimal aus. Der XGoals – Wert von 2,24 : 0,92 entspricht dem Spielverlauf.

Besonders interessant ist derzeit die Personalie Buta. Der Spieler war an allen drei Toren entscheidend beteiligt, leitete die beiden ersten mit starkem Lauf- und Passtiming und großartiger Übersicht ein und erzielte das dritte selbst. Es lagen zwar bei den beiden ersten Toren auch krasse Anlauffehler seitens der Hertha vor, aber dass Buta das in seinen ersten Bundesligaspielen so stark, sicher und ruhig löst, ist schon sehr beeindruckend.

Schließlich noch der Spezial-Service für die Frankfurter Sportjournalisten-Hasebe-Fanboy-Bubble: Diesmal auch aus analytischer Sicht nichts zu meckern an Hasebes (allerdings auch kaum geforderten) Defensivspiel. Im Gegenteil: Hasebe machte ein sehr gutes, weitgehend fehlerloses Spiel, war diesmal auch wieder viel mehr ins Aufbauspiel einbezogen als noch gegen die Bayern, spielte einige seiner überragenden Aufbaupässe und führte einige „klassische“ Libero-Zweikämpfe sehr konzentriert. Es ist ja auch herzallerliebst, dass hier offenbar ausgiebig mitgelesen und die Fanseele dann dem SGE-Trainer Glasner in der Pressekonferenz ausgeschüttet wird (Hasebe ist doch viel besser als Smolcic, gell? Und macht alle anderen durch seine pure Anwesenheit besser, stimmt´s?) Dass Glasner sich davon zu albernen Prozentrechnungskunststücken motivieren lässt, damit dann alle Eintracht-Reporter beruhigt nach Hause fahren können, ändert an den analytischen und statistischen Tatsachen freilich nichts, sei aber allen Beteiligten gegönnt.

Das Erstellen der analytischen Beiträge ist ziemlich zeitaufwendig. Ich freue mich über jede Spende (PayPal), auch Kleinbeträge sind hilfreich. (Über den Link kann auch per Kreditkarte gespendet werden).  Wer die PayPal-Gebühren umgehen möchte, kann gerne eine PN an abdom@gmx.de senden, um die Kontodaten für eine Überweisung zu erfragen.

Vielen Dank allen Spenderinnen und Spendern.

In eigener Sache: Wer sgefussballanalyse folgen oder über neue Artikel informiert werden möchte, kann das bei TwitterFacebookTelegram oder einfach hier unten auf dieser Seite bei WordPress via Abonnieren-Button tun.

FC Bayern München – SGE 1:1 (1:0)

Die Eintracht holt in München einen verdienten Punkt. Analytisches zum Spiel und den beiden Toren.

Die Aufstellung

FCB: Sommer – Stanisic (90. Sabitzer), Upamecano, de Ligt, Davies – Kimmich – Sané (70. Gnabry), Müller, Musiala, Coman (70. Gravenberch) – Choupo Moting (77. Tel)

SGE: Trapp – Tuta, Hasebe, Ndicka – Buta, Sow, Rode (64. Kamada), Knauff – Lindström (64. Borré), Kolo Muani (90. Alidou), Götze (85. Jakic)

Die Statistik

gibt es hier, hier und hier

Die Highlights

Die Spielanalyse

Erwartungsgemäß verzichtete die SGE weitgehend auf das Angriffspressing und bearbeitete die Bayern im Mittelfeldpressing. Dabei überließ man den Münchnern weitgehend die Spielgestaltung, ähnlich wie die letzten Bayern-Gegner setzte die SGE darauf, besonders die Aufbau-Spitze-Verbindungsspieler der Bayern durch Herausschieben aus der breiten Fünferkette zuzustellen und sie dadurch zu langen Bällen und Flügelspiel zu zwingen.

Filmzitat. Material von eintracht.tv, Bildrechte: DFL

Hier noch eine Situation aus der 13. Minute, in der man sieht, wie weit Tuta Musiala ins Mittelfeld verfolgt:

Hier keine gegenläufige Bewegung bei den Bayern. Musiala kommt Passgeber Davies entgegen, auch Coman fordert den Ball in den Fuß. Davies spielt dann zwar den Ball in den hinter Tuta/Musiala sich öffnenden Raum, aber diesen „tiefen“ Raum hat kein Bayern-Spieler angelaufen.

Solche zu früh gespielte Bälle und fehlendes Anlaufverhalten freier Räume sah man bei den Bayern erstaunlich häufig, insbesondere im Aufbau fehlte den Münchnern oft ein gutes Timing, was bei einem eigenen Ballbesitz von 67% über das Gesamtspiel natürlich ein echtes Problem ist, sodass es für die SGE mit ihren beiden Ketten in der 5-4-Positionierung eher selten größere Probleme gab, das Bayern-Positionsspiel abzufangen.

So wurde es nur gefährlich, wenn sich die Bayern in 1 gg. 1 – Situationen durchsetzen konnten, etwa in der 19. Minute, als Thomas Müller mit einem starken Pass von rechtsaußen Choupo-Moting in den Zweikampf mit dem in solchen IV-Zweikämpfen oft überforderten Hasebe (das wurde hier in der Vergangenheit ausführlich gezeigt) schickte. Choupo-Motings Rückpassversuch war dann schwach, aber das war die gefährlichste Szene der Bayern bis dahin. (eintracht.tv ab 23:00)

Offensiv konzentrierte sich die SGE fast ausschließlich auf Konter und Gegenpressing. Die beste Situation bis dahin entstand in der 21. Minute aus dieser Situation:

Musiala diesmal rechts zwischen den Linien, aber auch Ndicka sichert ins Mittelfeld durch und bekämpft Musiala hier effektiv. Der Ball landet dann bei Rode, der den Konter mit einem langen Ball auf Kolo Muani einleitet.

Die Details hier im Bewegtclip:

Videozitat. Material von eintracht.tv, Bildrechte: DFL

Beim 1:0 der Bayern kommt es zu zwei Abstimmungsproblemen in der letzten Reihe der SGE.

Hier sehen wir den entscheidenden Moment kurz vor Stanisics Pass nach rechts auf Müller. Der Passweg nach außen darf natürlich niemals so frei und breit sein wie hier, Knauff muss hier früh weiter nach außen rücken, zumal Ndicka zum Schließen der Innenbahn bereitsteht, Sow auch noch Zugriffsmöglichkeiten gegen Stanisic hat und Hasebe Sané im Auge haben müsste.

Doch dann unterläuft der SGE eine Fehlerkette: Knauff hält die Innenbahn zu weit innen, Hasebe rückt nicht an Sané, obwohl er der einzige ist, der die Gefahr hier sehen muss, weil er freie Sicht hat. Und so:

Müller ist frei und ohne Druck, Sané ist völlig ungedeckt und kann den Müller-Rückpass ohne Gegnerdruck verwerten.

Nun kann man diskutieren, wo hier der entscheidende Fehler ist. Sicher ist: Einen Spieler wie Thomas Müller darf man niemals so frei außen stehen lassen, ebensowenig Sané im 16er. Sicher ist auch: In der Situation sehen weder Ndicka noch Knauff oder Sow die Gefahr hinter sich, Hasebe muss solche Situationen als Libero koordinieren, entweder mit klarer Ansage Ndicka zu Sané beordern oder eben selbst den gefährlichen Gegner decken.

So liegt der Fehler, je nachdem, wie Glasner solche Situationen gelöst haben will, bei Knauff/Ndicka (Stellung bei dem Pass nach außen) bzw. Hasebe/Ndicka (Strafraumorganisation nach dem Pass nach außen).

Während der Entstehung des Tores kam es im Übrigen zu einem Foulspiel von Coman gegen Buta, das Schiedsrichter Jablonski nicht ahndete, Ex-Bundesligaschiedsrichter Manuel Gräfe sah es anders:

Noch zum Tor der SGE und der zweiten Halbzeit:

In der zweiten Halbzeit hat die SGE mehr vom Spiel, wird auch etwas gefährlicher, das zeigt sich auch an den statistischen Daten. Ihren Ballbesitzanteil kann die SGE immerhin um 4 Prozent im Vergleich zur ersten Halbzeit steigern, die Torschussstatisik von 2:8 pro Bayern auf 6:6 verbessern, das Eckenverhältnis von 2:5 pro Bayern in HZ 1 sogar umkehren auf 4:2 pro SGE, das XGoals-Verhältnis von 0.20 : 0.99 pro Bayern auf 0.42 : 0.70 steigern, vor allem letzteres ist schon eine ziemlich signifikante Veränderung.

Insofern war der Ausgleich und die letztlich mit 1:0 gewonnene zweite Halbzeit durchaus Ergebnis besseren Spiels der SGE.

Das Tor durch Kolo Muani fällt in der 69. Minute, die Details hier im Clip:

Videozitat. Material von eintracht.tv, Bildrechte: DFL

Das Fazit

Glasner hatte bei den Teams, die den Bayern zuletzt das Leben sehr schwer gemacht haben, genau hingesehen und das übliche Spiel mit der Fünferkette passt ohnehin recht gut zu dem breiten, eher langsamen Aufbauspiel der Bayern, die sehr oft die Innenbahnwege sowohl Richtung 16er zum Weiterleiten als auch in die Spitze suchen. Wenn man das effektiv verteidigen will, ist es mit großem Personalaufwand verbunden, außerdem ist man gezwungen, als Mannschaftsverbund sehr eng zu stehen, um von hinten zuverlässig und schnell genug durchsichern zu können (siehe oben Bsp. Tuta vs. Musiala), was bedingt, dass ähnlich wie zuletzt der 1. FC Köln auch die Eintracht deutlich tiefer stehen musste als diese Teams das normalerweise machen. Aber innerhalb dieser tiefen Position konnte die SGE die Bayern in vielen Situationen so in den Zweikämpfen stellen, dass sie sich nicht aufdrehen konnten und die Innenbahnpasswege waren auch oft recht gut zu schließen. Dazu kam, dass viele der Angriffsversuche der Bayern überhastet und ungenau waren.

Die Bayern-Versuche, über lange Bälle das komplette Eintracht-Pressing zu überwinden, waren zwar gelegentlich eine recht gute Waffe, aber auch in der vorderen Reihe waren die Bayernangriffe letztlich zu oft zu ungenau gespielt, die Eintracht sehr schnell in den Zweikämpfen und so konnte die SGE recht entspannt dauerhaft auf Konter lauern und verdiente sich mit dem einen überragend ausgespielten Konter von Kolo Muani und Kamada letztlich auch den einen Punkt.

Letztes noch zur Frankfurter Sportjournaille.

Der Kreis der Frankfurter Eintracht-Reporter ist bekanntlich ein Hasebe-Fanclub, was regelmäßig zu bizarren Einschätzungen führt. Gegen die Bayern zeigte Hasebe ein völlig unauffälliges Spiel, war beim Gegentor mindestens als Organisator nicht ganz unbeteiligt und mindestens in einem Zweikampf gegen Choupo-Moting überfordert. Er hatte folgende Matchstatistik:

42 Ballkontakte, 88% Passquote, 0 progressive (offensiv gewinnbringende) Pässe, 2 Tackles, 1 Interception, 2 Blocks, 3 Clearences, 4 Luftduelle (50% gewonnen) — ergibt kicker-Note 2,5.

Zum Vergleich nochmal Smolcic im Spiel gegen den SC Freiburg:

102 Ballkontakte, 87% Passquote, 2 progressive Pässe, 3 Tackles, 1 Interception, 1 Block, 15 Clearences, 10 Luftduelle (70% gewonnen) — ergibt kicker-Note 5,5. Lol!

Das Erstellen der analytischen Beiträge ist ziemlich zeitaufwendig. Ich freue mich über jede Spende (PayPal), auch Kleinbeträge sind hilfreich. (Über den Link kann auch per Kreditkarte gespendet werden).  Wer die PayPal-Gebühren umgehen möchte, kann gerne eine PN an abdom@gmx.de senden, um die Kontodaten für eine Überweisung zu erfragen.

Vielen Dank allen Spenderinnen und Spendern.

In eigener Sache: Wer sgefussballanalyse folgen oder über neue Artikel informiert werden möchte, kann das bei TwitterFacebookTelegram oder einfach hier unten auf dieser Seite bei WordPress via Abonnieren-Button tun.

SC Freiburg – SGE 1:1 (0:1)

Das Duell der beiden aufstrebenden Teams war intensiv, aber nicht hochklassig. Beide Teams können mit dem Punkt zufrieden sein, ein analytischer Blick auf Spiel und Highlights.

Die Aufstellung

SCF: Flekken – Kübler, Ginter, Lienhart – Sildillia, Eggestein (79. Keitel), Höfler, Günter – Doan (90. Kyereh), Gregoritsch (90. Petersen), Höler (70. Grifo)

SGE: Ramaj – Tuta, Smolcic, Ndicka – Knauff (64. Buta), Kamada (64. Rode), Sow, Lenz – Lindström (77. Borré), Kolo Muani (89. Alario), Götze

Die Statistik

gibt es hier, hier und hier.

Die Highlights

Quelle: Youtube

Die Spielanalyse

Zunächst von Interesse sind die taktischen Umstellungen der Freiburger. SC-Coach Streich änderte seine Grundformation im Vergleich zum Wolfsburgspiel und spiegelte das 3-4-3 der Eintracht; und zwar nicht nur hinsichtlich der Formation, sondern auch hinsichtlich der Ausrichtung. Ähnlich wie die SGE versuchten die Freiburger das Geschehen fast nur in den beiden Angriffs- bzw. Verteidigungszonen stattfinden zu lassen. Vorne wurde gepresst oder das Mittelfeld so stark verengt, dass die SGE kaum durchkommen konnte, ganz hinten wurde mit einer breiten Kette und sehr aggressiv und zweikampfhart verteidigt, vor allem die Kreativen Götze und Lindström wurden hart und körperlich am Aufdrehen gehindert. Aufbau über den Mittelfeldbereich wurde vermieden, stattdessen sehr schnell in die Spitze gespielt, nach fast jedem Ballgewinn wurde direkt der tiefe/ schnelle Weg in die Spitze gesucht.

Die Eintracht, deren Positions- bzw. Spiel über die Reihen in der Glasner-Progression noch ein vergleichsweise neues Element ist, versuchte es damit häufiger, aber meist ohne Erfolg. Hier in den Bewegtbildern nur eine von dutzenden Situationen, in denen sich die beiden Mannschaften mit ihrem gegenseitigen Pressing das Leben sehr schwer machten und Fehler provozierten. Insgesamt waren die Freiburger in ihren defensiven taktischen Abläufen etwas sicherer und produzierten etwas weniger Fehler, die SGE war hingegen insgesamt technisch besser, produzierte etwas weniger technische Fehler:

Videozitat. Bilder kopiert von eintracht.tv, Bildrechte: DFL

So entstand dann ein Spiel mit wenigen Höhepunkten bei großer taktischer Disziplin auf beiden Seiten. Und wie so oft im Fußball spiegeln die entscheidenden Szenen auch recht gut das Gesamtsetting des Spiels: Das SGE-Tor war vor allem der individuellen Qualität der Einzelspieler geschuldet, das Tor der Freiburger deren Stärke bei Standards.

Zunächst zum Tor durch Kolo Muani.

Videozitat. Bilder kopiert von eintracht.tv, Bildrechte: DFL

In der Sequenz zum SGE-Tor ist alles enthalten, was man zum Spiel wissen muss: Die starken Pressing-Formen beider Teams, das risikofreie Aufbauspiel vor allem der Freiburger und die enorme individuelle Stärke der SGE im vorderen Drittel, die auch aus wenigen Situationen Tore machen kann. Warum die Freiburger alles versuchten, um genau solche Freiräume für die Eintracht im torgefährlichen Raum zu verhindern, sieht man in der Sequenz ebenfalls.

Dem Gegentor geht einer der wenigen (erfolgreichen) Versuche der Freiburger voraus, flach und über Positionsspiel anzugreifen.

Kamada und Sow stehen zu eng zusammen, daher gehen Passweg und Freiraum für Sildillia auf. Lienhart spielt hier einen starken, präzisen Aufbaupass, mit dem die komplette Eintracht-Pressing-Abteilung überspielt ist.

Entscheidend ist nun, erstens ob Sildillia es gelingt, sich offensiv aufzudrehen und zweitens, ob die SGE schnell und konsequent von hinten durchsichert.

Sow kommt zu spät, Sildillia ist aufgedreht und kann den Ball ungehindert in die Spitze spielen, da niemand zum Durchsichern angelaufen ist. Sein Pass ist dann schwach, landet eher bei Lenz als bei dem in die Spitze übergelaufenen Eggestein, Lenz kann ihn aber nicht sichern. Eggestein wird sehr weit nach außen gezwungen, Smolcic ist aufmerksam und kann dann Eggesteins Flanke zur Ecke abwehren.

Aus dieser Ecke entsteht dann der Gegentreffer. Dieser ist recht schwierig zu verteidigen, Kamada lässt sich von Ginter einfach überlaufen, statt robust zum Kopfball zu gehen.

Allerdings ist die Raumaufteilung nach der nicht geklärten Ecke hier schwach. Tuta und Smolcic als kopfballstarke Verteidiger stehen 2 gg. 0, also ohne jeden Gegnerkontakt noch vor der Kurzer-Pfosten-Höhe und haben sich im Flankenfall so selbst komplett aus dem Spiel genommen. Ndicka steht etwas besser, aber hinter ihm entsteht ein 1 gg. 4 des kopfballschwachen Kamada gegen 4 Freiburger. Das ist natürlich eine Einladung, die Ginter dann auch nutzt.

Dennoch: Das ist zunächst kein systematischer oder Kettenfehler der SGE, solche Situationen sind schwer zu verteidigen, allerdings sollte eine Abwehrorganisation schon besser sein als hier und das ist eigentlich auch recht gut trainierbar. Auffällig hier und in vielen anderen Situationen, dass die SGE-Defensiven viel zu selten Schulterblicke machen. Auch hier schauen Sow, Tuta und Smolcic nur Richtung Ball und verlieren so den Überblick über freie Gegner in ihrem Rücken. Auch das ist im Individualtraining eigentlich automatisierbar.

Auch im weiteren Spielverlauf blieb es bei vielen umkämpften Situationen, die Freiburger versuchten in der zweiten Halbzeit etwas gezielter und variabler aufzubauen, die SGE hatte vor allem nach Halbfeldflanken bzw. über die Außenbahnen auch einige interessante Ansätze in der Spitze, insgesamt blieben die Freiburger mit ihrem weitgehend mittelfeldlosen Spiel aber etwas abschlussgefährlicher und die SGE konnte sich bei dem sehr aufmerksamen und kopfballstarken Smolcic (13 Clearences) bedanken, der in der letzten Reihe mehrfach in entscheidenden Zweikämpfen die SGE vor einem Rückstand bewahrte.

Mit der Rode-Einwechslung wurde das Mittelfeldspiel der SGE wie üblich etwas stärker und sicherer, auch gefährlicher und effektiver nach vorne, das Spiel kippte mit der Zeit zugunsten der SGE, blieb aber vor allem aufgrund der extrem starken Freiburger Defensivleistung erfolglos.

Das Fazit

Das Spiel gegen einen sehr konzentrierten, taktisch und in den Zweikämpfen überaus konsequenten Gegner, gegen den die SGE taktisch keine entscheidenden Vorteile hatte und auch mit ihrem puren Spieltempo keine erheblichen Vorteile erzielen konnte, war weit besser als es von vielen Beobachtern gesehen wurde. Insbesondere in der zweiten Hälfte könnte man mindestens drei Szenen zeigen, in denen nur wenige Zentimeter fehlten, um in der vorderen Linie Top-Chancen zu kreieren. Auch gegen den SC Freiburg war die SGE praktisch auf jeder Mittelfeld- und Angriffs-Position technisch etwas stärker besetzt und es brauchte von Seiten der Gastgeber extremen läuferischen und kämpferischen Aufwand, um die SGE in Schach zu halten.

Über das Spiel der SGE muss sich also niemand Sorgen machen und wenn demnächst der Frankfurter Sportjournalismus wieder Bauklötze staunt, wie die SGE sich innerhalb weniger Tage in die Form der Vorrunde steigern konnte, wenn wir dann wieder von „geplatzten Knoten“ und ähnlichem nur die eigene Unkenntnis verratendem Metaphernkrampf beglückt werden, dürfen die hier Mitlesenden sich derweil bestens informiert fühlen. Wer sich das vorliegende Spiel im Re-Live der zweiten Halbzeit noch einmal ansieht, wird zustimmen, dass die SGE ab der Rode-Einwechslung die spielerisch-technisch bessere und feldüberlegene Mannschaft war und Freiburg sich schon mit Händen und Füßen wehren musste, um in der hinteren Reihe SGE-Großchancen zu verhindern, und das Heimspiel nicht zu verlieren. Das machten sie stark und erfolgreich und daher ist das Unentschieden auch ein verdientes und gutes Ergebnis für beide Teams.

Letztes noch zum Thema Sportjournalismus: Mit der kicker-Note 5,5 für Hrvoje Smolcic, einem der stärksten und wichtigsten Spieler der SGE in diesem Spiel, reiht sich ein weiteres Highlight in eine ewige Kette fortwährender Komplettidiotie der Eintracht-Berichterstattung. Angesichts solcher Unfähigkeit, den Vorgängen auf einem Fußballplatz zu folgen, müssen Fragen erlaubt sein, inwiefern es bei derartigen Publikationen so etwas wie eine Chefredaktion gibt, wie Mitarbeiter ausgewählt werden und ob man sich, wenn man schon beruflich nichts anderes macht, als Fußballspiele anzuschauen und zu beschreiben, mit der Materie nicht zumindest einmal vage vertraut machen sollte. Das Statistik-Portal Sofascore, das aufgrund objektivierter Faktoren ebenfalls Spielerbewertungen generiert, bewertet Smolcic wenig überraschend mit der Bewertung 7,6 als mit ziemlichem Abstand besten SGE-Feldspieler (vor Kolo Muani mit 7,0).

In den zweieinhalb Bundesligaspielen, in denen nun Smolcic auf der zentralen Innenverteidigerposition gespielt hat, kassierte die SGE genau einen Gegentreffer, das entspricht 0,4 Gegentreffern pro Spiel. Die Bilanz der SGE ohne Smolcic in der laufenden Saison (also hauptsächlich mit Hasebe und Jakic auf dieser Position) beträgt sagenhafte 1,6 Gegentore pro Spiel. Das mag aufgrund der sehr kleinen, nicht vergleichbaren Datenbasis nicht sehr aussagekräftig sein, aber auch in der vergangenen Saison zeigte sich anhand der Daten, dass ein gelernter Innenverteidiger (damals Hinteregger) der SGE sehr gut steht.

Das Erstellen der analytischen Beiträge ist ziemlich zeitaufwendig. Ich freue mich über jede Spende (PayPal), auch Kleinbeträge sind hilfreich. (Über den Link kann auch per Kreditkarte gespendet werden).  Wer die PayPal-Gebühren umgehen möchte, kann gerne eine PN an abdom@gmx.de senden, um die Kontodaten für eine Überweisung zu erfragen.

Vielen Dank allen Spenderinnen und Spendern.

In eigener Sache: Wer sgefussballanalyse folgen oder über neue Artikel informiert werden möchte, kann das bei TwitterFacebookTelegram oder einfach hier unten auf dieser Seite bei WordPress via Abonnieren-Button tun.

SGE – FC Schalke 04 3:0 (1:0)

Nach 16 Spieltagen ist die Eintracht hinter den Bayern Tabellenzweiter durch ein 3:0 gegen Schalke. Ein analytischer Spielbericht zum ersten Spiel 2023 und ein kleiner Blick in die Vergangenheit.

Die Aufstellungen

SGE: Trapp – Ebimbe (70. Buta), Jakic, Smolcic, Ndicka, Knauff (61. Lenz) – Kamada (81. Rode), Sow – Lindström, Kolo Muani (70. Borré), Götze – Trainer: Glasner

Schalke: Schwolow – Brunner, Yoshida, Matriciani, Uronen – Krauß, Latza – Kozuki (74. Karaman), Larsson (84. Frey), Bülter – Terodde – Trainer: Reis

Die Statistik

gibt es hier, hier und hier.

Die Highlights

Quelle: Youtube

Die Spielanalyse

Nach 30 Jahren steht die SGE an einem 16. Spieltag also wieder auf dem 2. Platz der Tabelle. Damals, am 5. 12. 1992 erreichte sie Platz zwei (auch damals hinter den Bayern) durch ein 2:0 beim 1. FC Kaiserslautern mit (umgerechnet auf die 3-Punkte-Regel) 31 Punkten. Torschützen in dem Spiel waren Uwe Rahn und Dietmar Roth, die Vorlagengeber Tony Yeboah und Axel Kruse, Trainer war Dragoslav Stepanovic (der im späteren Saisonverlauf entlassen und durch Horst Heese ersetzt wurde, dem dann ein Wechselfehler unterlief, als er gegen Bayer Uerdingen einen damals verbotenen vierten Ausländer einwechselte, die Älteren werden sich erinnern). Am Ende der Saison belegte die SGE Platz drei hinter Meister Werder Bremen und den Bayern, war aber nach kicker-Notendurchschnitt das beste Team der Liga, mit Uli Stein und Uwe Bein waren gleich zwei Eintracht-Spieler unter den Top-3 der am besten bewerteten Bundesliga-Spieler. Der Zuschauerschnitt der SGE in dieser Saison lag übrigens bei 24.159 (Platz 8 der Zuschauertabelle damals).

30 Jahre später sahen 50.000 Zuschauer im ausverkauften Waldstadion ein Spiel, das Glasner in der Pressekonferenz vor dem Spiel in seinem Setting ziemlich genau so antizipiert hatte, wie es dann auch eintrat und auch aus analytischer Sicht war das nicht sehr schwer vorherzusehen, da Schalke-Trainer Thomas Reis – der übrigens in nämlicher Saison 92/93 als 19jähriger Backup im linken Defensivbereich im SGE-Kader stand und auf drei Einsätze kam – es auch bei seiner vorherigen Trainerstation beim VfL Bochum verstanden hatte, seine Mannschaft gegen die Glasner-SGE effektiv arbeiten zu lassen. Der Schwerpunkt lag, wie Reis auch nach dem Spiel erklärte, darauf, die spielerischen Stärken der Eintracht zu unterbinden. Was in der ersten Halbzeit, aber auch im weiteren Verlauf des Spiels recht gut gelang.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Schalker nicht nur mit einem sehr mutigen, frühen und aggressiven Pressing arbeiteten (dazu gleich mehr), sondern auch, anders als viele andere Teams im Abstiegskampf, keine Angst vor eigenen, längeren Ballbesitz- und Aufbauphasen hatten. Das ist bemerkenswert, da das SGE-Spiel einen Schwerpunkt auf Konterspiel hat, was eben viele technisch unterlegene Gegner dazu bringt, den von der SGE angebotenen Ballbesitz hauptsächlich zu nutzen, um die Bälle in die Spitze zu schlagen, um eben nicht in Konter zu laufen. Nicht so die Schalker, die es immer wieder auch mit eigenem Flachpass-Aufbau versuchten und in der ersten Halbzeit auch 57% und im Gesamtspiel 56% Ballbesitzanteil erzielten. Und so schafften es die Schalker durchaus gelegentlich, dass SGE-Pressing zu überwinden. Wie hier:

Videozitat. Bewegtbilder von eintracht.tv, Bildrechte: DFL

Einen ähnlichen Angriff, der ebenfalls hätte gefährlich werden können, spielten die Schalker in der 27. Minute (eintracht.tv ab 31:39).

Die größte Schalker Chance des Spiels, der Kopfball von Terodde an den Pfosten in der 28. Minute (eintracht.tv ab 33:00) entsteht ebenfalls nach einem Aufbauball, allerdings einem langen Schlag von Schalke-TW Schwolow auf die eigene linke Offensivseite. Den herunterkommenden Ball kann die SGE nicht kontrollieren, er landet bei Larsson. Danach begeht Jakic einen Stellungsfehler:

Obwohl Larsson über die Halb- und nicht die Außenposition kommt und Sow und Ebimbe den direkten Weg zum Tor kontrollieren, Jakic aber in dieser Formation hier Außenverteidiger ist, rückt er aus der Kette ohne Rückwärtsbewegung. Damit öffnet er natürlich den Passweg nach außen auf Latza, Ebimbe ist auch zu weit weg, um Latzas Flanke noch verteidigen zu können.

Das ist natürlich ein krasser Stellungsfehler von Jakic, allerdings hatten er und Ebimbe auch die Positionen hier getauscht, das mag eine Erklärung sein, aber im Grunde darf das nicht passieren. Ebimbe könnte hier aus der Kette rücken, aber Jakic muss außen hinten den offensiven Gegner im Auge behalten und Ebimbe nach außen sichern.

Den folgenden Kopfball von Terodde kann Trapp an den Pfosten lenken.

Einen weiteren Stellungsfehler auf der 6er-Position, fehlende direkte Absicherung aus der letzten Reihe und einen Stellungsfehler von Ebimbe nutzen die Schalker bei einem Konter in der 54. Minute zu einem weiteren guten Abschluss. (eintracht.tv ab 08:51).

Glücklicherweise produzierten die Gäste aber gerade im vorderen Bereich zu viele technische Fehler oder waren im Abschluss zu unpräzise, sodass ihnen kein Treffer gelingen konnte.

So sehr aber das Schalker Spiel zu loben ist und so schwer sie der Eintracht das Leben auch gemacht haben mögen: Der Treffer zum 1:0 der SGE war stark herausgespielt, die Eintracht überwindet das Schalker Pressing mit einer tollen Kombination und entscheidenden Laufwegen von Kolo Muani und Lindström:

(Upps, das sind natürlich keine Bochumer, sondern Schalker in dem Standbild, Verzeihung.) – Filmzitat. Bewegtbilder von eintracht.tv, Bildrechte: DFL

Damit wächst der Druck auf Schalke, noch mehr in die eigenen Ballbesitzzeiten zu investieren, die SGE kann hingegen ihr Pressing etwas tiefer, mit etwas weniger Risiko ansetzen. Insbesondere mit der späten Hereinnahme von Rode sinkt die Fehlerquote im defensiven Mittelfeldbereich etwas, Rode ist in diesen Situationen einfach stärker in der Antizipation als Kamada, das wurde hier schon oft gezeigt. Noch viel wichtiger ist Rode allerdings inzwischen als Spielmacher, so gingen beide Tiefenpässe, die zu den beiden späten Toren führten, von ihm aus.

Hier haben die Schalker jeden Zugriff verloren. Die Dreierreihe steht weit weg von Rode auf einer Linie, hat keinen Druck auf den Ballbesitzer. Dazu, und das ist das größere Problem, steht die hintere Viererreihe zu weit von der Mittelfeldreihe entfernt, sodass Götze und Lindström zwischen den Linien so anspielbar sind, dass sie noch genügend Zeit haben, sich aufzudrehen, wenn der Pass kommt. Man sieht, dass Rode gleich 3 offene Passwege hat. Er spielt den Ball dann auf Lindström, der sich aufdreht, auf Borré durchsteckt und der tankt sich dann zum 2:0 durch.

Das war stark von Rode, Lindström und Borré durchgeführt, aber hier haben die Schalker auch taktisch zu schlecht gestanden, um die Eintracht noch irgendwie am Toreschießen zu hindern.

Überhaupt schafften es die Gäste in der Schlussphase nicht mehr, ihr kräfteraubendes Mann-gegen-Mann-Pressing aufrechtzuerhalten und mussten der SGE viele Räume anbieten, die diese dann insbesondere durch Rode mehrmals nutzen konnte, so auch in der 90. Minute beim 3:0:

Videozitat. Bewegtbilder von eintracht.tv, Bildrechte: DFL

Das Fazit

Auch wenn die Schalker tatsächlich eine starke Leistung zeigten, war der Erfolg der SGE letztlich verdient. So sehr Schalke-Trainer Reis es auch gelang, die SGE überall auf dem Platz in Zweikämpfen zu stellen und seine Mannschaft auch spielerisch alles versuchte, war der technische Unterschied der beiden Teams doch zu groß und der Eintracht reichte eine Leistung, in die sich regelmäßig Stellungs-, Ketten- und einige Konzentrationsmängel einschlichen, um das Spiel zu gewinnen. Gerade dass die Mannschaft sich inzwischen von aggressiv und gut organisiert auftretenden Mannschaften wie Schalke nicht mehr verunsichern lässt, ist neben den teilweise überhaupt erst im Verlauf dieser Saison regelmäßig aktivierten Elementen „Positionsspiel“ bzw. „Spielaufbau über die Reihen“ die wichtigste Weiterentwicklung des Teams in der laufenden Saison und beide Entwicklungen hängen ja auch unübersehbar zusammen. Dass die Schalker zu drei guten Chancen kamen, ist zwar nicht sonderlich bedenklich, alles kann man eben nicht verteidigen, aber der SGE unterlaufen nach wie vor zu viele, gelegentlich auch gravierende Stellungsfehler, einen davon (Jakic) haben wir oben gezeigt.

So legte Trainer Glasner nach dem Spiel den Fokus auf die starken Vorstellungen einiger seiner Einzelspieler, vollkommen zu Recht. Insbesondere Trapp, Lindström und die eingewechselten Rode und Borré zeigten überragende Leistungen.

Das Erstellen der analytischen Beiträge ist ziemlich zeitaufwendig. Ich freue mich über jede Spende (PayPal), auch Kleinbeträge sind hilfreich. (Über den Link kann auch per Kreditkarte gespendet werden).  Wer die PayPal-Gebühren umgehen möchte, kann gerne eine PN an abdom@gmx.de senden, um die Kontodaten für eine Überweisung zu erfragen.

Vielen Dank allen Spenderinnen und Spendern.

In eigener Sache: Wer sgefussballanalyse folgen oder über neue Artikel informiert werden möchte, kann das bei TwitterFacebookTelegram oder einfach hier unten auf dieser Seite bei WordPress via Abonnieren-Button tun.

Wie funktioniert das SGE-Pressing?

Als ein wichtiger Faktor des erfolgreichen Eintracht-Spiels wird häufig das Pressing, insbesondere das in der vorderen Linie genannt. Hier also ein Blick auf die Abläufe des Angriffspressings.

Mittelfeld- und Angriffspressing

Zunächst muss kurz unterschieden werden zwischen Mittelfeld- und Angriffspressing.

Beide Pressingarten sind übrigens noch nicht sehr lange flächendeckend üblich, noch vor zwei Jahrzehnten war korrekt und effektiv angewandtes Pressing hauptsächlich in Profiligen anzutreffen, inzwischen lernen das richtige Verhalten mindestens im Mittelfeldpressing im Grunde standardmäßig auch ambitionierte U17 – U19 – Teams.

Der Grundablauf beim Mittelfeldpressing: Entscheidend ist, dass eine Pressingzone im Mittelfeld gebaut wird, mit einer Kette hinten, die auf einer Höhe und damit auch auf Abseits spielt. Es wird ballorientiert (also nicht, oder nur sehr eingeschränkt mannorientiert) verschoben, sodass, egal an welcher Stelle der Gegner den Pressingraum betritt, sofort Doppel- (also Überzahlsituationen) entstehen. In „seiner“ Zone, dem eigenen Defensivdrittel, wird der Gegner nicht attackiert, dort kann er ungestört den Ball hin- und her spielen. Damit wird es dem Gegner sehr schwer, wenn es gut funktioniert nahezu unmöglich gemacht, über Pass- und Kombinationsspiel ins vordere Drittel zu gelangen. Der Gegner wird also in erster Linie zu langen Bällen gezwungen, die dann hinten recht gut zu verteidigen und zu gewinnen sind. Diese Pressingart wird heute in der Bundesliga standardmäßig, im Grunde von allen Mannschaften beherrscht und gespielt, auch oft von der SGE.

Bei der Eintracht „kippt“ dieses Mittelfeldpressing entweder situativ in ein Angriffspressing, oder es wird komplett Angriffspressing gespielt. Dieses wollen wir uns hier näher ansehen.

„Kippen“ des Mittelfeld- in Angriffspressing bzw. situatives Angriffspressing

Der Ablauf beim situativen Anpressen der Aufbau-Reihe des Gegners ist immer ähnlich:

Zunächst wartet die SGE in ihrer 2-3-Pressingformation im Mittelfeldpressing auf einen Initialpass des Gegners, worauf einer der drei Offensiven durch Anlaufen des Gegners das Angriffspressing auslöst. Hier im Bewegtbild:

Am Ende der Sequenz sehen wir, dass Götze den ballbesitzenden Hoffenheimer Verteidiger Vogt so anläuft, dass ein Rückpass auf den Passgeber schwierig wird. Lindström zieht auf seiner Seite nach und vervollständigt die Pressingfalle. (Videozitat. ZDF/Youtube, Bildrechte: DFL)

Es ergibt sich folgende Situation:

Götze verunmöglicht den Passweg zu Kabak, Kamada läuft Geiger an, verunmöglicht damit einen kontrollierten Anschluss ins Mittelfeld. Vogt passt zu Quaresma, der bläst den Aufbauversuch mit einem weiten Rückpass auf Torwart Baumann ab.

Das ist das zweite Initial. Nun hat die SGE zwei Möglichkeiten. Entweder zieht sie sich wieder ins Mittelfeldpressing zurück, oder sie nimmt den Rückpass von Quaresma als Auslöser für ein weiteres Angriffspressing, sie „kippt also vom Mittelfeld- ins Angriffspressing ins vordere Drittel.

Die Mannschaft entscheidet sich für Angriffspressing und Götze bleibt der Initialspieler:

In der letzten Einstellung hier sieht man, wie es weitergeht: Lindström läuft in höchstem Tempo den ballführenden Gegner an, um ihn direkt in den Zweikampf zu verwickeln. (Videozitat. Bildsequenz: ZDF/Youtube, Bildrechte: DFL)

Daraus entsteht dann die klassische Pressingfalle:

Lindström stellt den direkten Zweikampf her und lässt die Falle damit zuschnappen. Alle spielerischen Optionen, die Quaresma jetzt noch hat, sind hochriskant: Außer dem Rückpass zu Baumann ist nur noch ein Querpass vor dem eigenen Sechzehner Richtung Vogt möglich, der aber sofort von Kolo Muani angelaufen würde und der Passweg ist auch nicht sicher, da sowohl Lindström aber vor allem Götze nur einen Schritt entfernt stehen und die schmale Passbahn mit einem langen Bein schließen und einen etwaigen Pass abfangen könnten. Bleibt ein langer Flugball auf Kabak, hier hat aber Kolo Muani ebenfalls Zugriff und könnte den Pass attackieren. Beide Aufbau-Passoptionen sind also zu riskant.

Damit ist Hoffenheim hier gewissermaßen Schachmatt. Quaresma kann nur noch einen Rückpass auf Baumann spielen und dieser den Ball unkontrolliert schlagen, womit er ziemlich sicher auch bei der SGE landen würde.

Quaresma ist aber unsicher, weil Götze auch diesen Rückpass noch attackieren könnte und geht in seiner Verzweiflung in ein Dribbling gegen Lindström, wo er direkt den Ball verliert. Aus dieser Situation entsteht das 1:0 für die SGE. Allerdings war das auch ein krasser Fehler von Quaresma und man darf sich sicher sein, dass Glasner seine Mannschaft in der Spielvorbereitung darauf hingewiesen hat, das Quaresma ein sehr junger und unerfahrener Spieler ist, der ein gutes Pressing-Ziel darstellt.

Das Pressing besteht also aus drei Phasen:

  1. Initial von Götze (kann auch situativ jeder andere Offensivspieler sein) zuerst nach dem Kabak-Querpass auf Vogt an der Mittellinie und dann nochmal nach dem Rückpass von Quaresma auf Baumann.
  2. Press nachrücken und etwas nach hinten versetzt „zwischen“ den Gegenspielern stehen, sodass mit dem jeweiligen Pass der dann ballbesitzende Gegner attackiert und alle Passbahnen zugestellt werden können. Dieses Verhalten ist extrem ballorientiert. In dem letzten Bild sieht man bei Kamada sehr schön, dass er seine Spielposition an den pressenden Mitspielern orientiert.
  3. Mit dem Abspiel sofortiger Zugriff auf den angespielten Gegner und Offenlassen nur noch der TW-Rückpass-Option. Je länger der Ballbesitzer wartet, desto enger werden die Räume, da auch die übrigen SGE-Spieler nachrücken und hinter der Pressingabteilung nachpressen, bzw. „durchdecken“ bzw. „durchsichern“. Bis dem Gegner nur noch Harakiripässe bzw. -dribblings bleiben oder ein langer, unkontrollierter Schlag, der dann hinten leicht gewonnen werden kann.

Dritte Phase: Durchsichern

In einem zweiten Beispiel noch ein Blick auf die dritte Phase, das Nachrücken, Durchdecken/-sichern.

In der Vorrunde wurde unter anderem über das „durchdecken“ diskutiert, unter anderem die Frage gestellt, ob das bedeute, dass die Abwehrspieler ihren Gegenspielern „über den ganzen Platz folgen sollen“.

Diese Frage ist zunächst mit nein zu beantworten, denn das press-decken der SGE-Verteidiger bezieht sich nicht darauf, dass sie einem bestimmten Gegenspieler „folgen“ sollen, sondern darauf, dass sie Anspielstationen des Gegners, die sich im Rücken der Pressingabteilung anbieten, von hinten anlaufen und zustellen sollen. Hier ein Beispiel aus dem Spiel gegen Leverkusen:

Die SGE setzt das Pressing in der vordersten Linie an. Hier wieder der 2-3-Pressing-Aufbau der SGE. Götze läuft den rechten Aufbauspieler der Leverkusener an, dahinter werden wieder alle Gegenspieler in den Zwischenräumen frei gelassen. Mit dem folgenden Pass in die Mitte sprintet Lindström Richtung des neuen Ballbesitzers. Zu diesem Zeitpunkt steht Tuta noch in der Abwehrreihe gegen Schick (ganz links).

Nach dem Pass in die Zentrale, was das Anlauf-Initial für Lindström bedeutet, steht hinter der Pressingabteilung ein Leverkusener frei, namentlich Paulinho mit der Nr. 7. Paulinho bietet sich dann auf der flachen Halbbahn aktiv an. Tuta sieht das von hinten und muss nun diesen freien Gegner „durchdecken“, also bis weit ins Mittelfeld laufen, um auf den Spieler mit Ballannahme zugreifen zu können.

(Videozitat. Bildsequenz: ZDF/Youtube, Bildrechte: DFL)

Tuta läuft also nicht „seinem“ Gegenspieler bis ins Mittelfeld nach, sondern deckt auf der Sechs den nächsten freien Gegner. So wird beim Angriffspressing jeder anspielbare Gegenspieler nach und nach von hinten nach vorne angelaufen und gedeckt, daher der Begriff „durchdecken“ bzw. „durchsichern“. Etwa so:

Wo immer ein Gegner frei steht, wird dieser „von hinten“ angelaufen, es wird von hinten nach vorne durchgedeckt. So können alle Anspielpositionen angelaufen und abgedeckt werden. Das sind zwar riskante Manöver, denn niemand darf seinen Einsatz verpassen, dieses Vorgehen hat aber den Vorteil, dass sich alle am Pressing Beteiligten immer nach vorne orientieren können ohne allzu sehr darauf achten zu müssen, ob sich in ihrem Rücken ein Gegner freiläuft.

Man sieht also, dass das SGE-Pressing mit den drei wichtigsten Phasen bestimmten, einstudierten Ablaufplänen folgt, sehr voraussetzungsreich ist und von den Spielern hohe Aufmerksamkeit verlangt. Wenn das aber konsequent durchgeführt wird, ist es überaus effektiv.

Oftmals wird auch direkt vorne beim gegnerischen Abstoß u.ä. angepresst, die Abläufe sind dann aber ähnlich.

Statistisches zum SGE-Pressing

Auch einige statistische Werte sprechen für das intensive und effektive Balleroberungsspiel der SGE. So steht die Mannschaft mit 941 zurückgewonnen Bällen weit vor den Bayern (899) auf Platz 1 der Liga, ein starkes Indiz für eine sehr aggressive Defensive, die immer versucht, die Räume ballorientiert so eng zu machen, dass auch verlorene Bälle schnell wieder zurückgewonnen werden können. Die meisten erfolgreichen Tackles des Teams, also Körperzweikämpfe die direkt zu eigenem Ballbesitz geführt haben, erzielte in der Vorrunde Kamada (16) vor Tuta, Jakic und Ebimbe (je 14), die meisten Ballrückeroberungen erzielte Tuta (110) vor Ndicka (96), Sow (92), Jakic (89) und Götze (88).

Wie offensiv und auf das vordere Spielfelddrittel das SGE-Spiel ausgerichtet ist, zeigt auch eine weitere Statistik: Bei Ballkontakten im gegnerischen Strafraum belegt die Eintracht (382) Platz 2 hinter den Bayern (539), auch bei den Kontakten im vorderen Spielfelddrittel befindet sich die SGE im oberen Drittel der Bundesliga. Auch bei den Attacken im Mittleren/ bzw. vorderen Angriffsdrittel gehört das SGE-Pressing zu den stärksten der Bundesliga. Nur Köln (142 defensive Ballangriffe), Werder (147), Bayern (159) und Dortmund (168) sind in den beiden vorderen Dritteln aggressiver als die SGE (135). Die statistischen Daten entstammen der Seite fbref.com, dort gibt es auch noch mehr davon.

Zusammen mit den schnellen und sehr effektiv ausgespieltem Anschlüssen der technisch starken Offensivspieler gehört das enorm präzise und dauerhaft praktizierte Mittelfeld- und Angriffspressing zu den großen Stärken der SGE.

Das Erstellen der analytischen Beiträge ist ziemlich zeitaufwendig. Ich freue mich über jede Spende (PayPal), auch Kleinbeträge sind hilfreich. (Über den Link kann auch per Kreditkarte gespendet werden).  Wer die PayPal-Gebühren umgehen möchte, kann gerne eine PN an abdom@gmx.de senden, um die Kontodaten für eine Überweisung zu erfragen.

Vielen Dank allen Spenderinnen und Spendern.

In eigener Sache: Wer sgefussballanalyse folgen oder über neue Artikel informiert werden möchte, kann das bei TwitterFacebookTelegram oder einfach hier unten auf dieser Seite bei WordPress via Abonnieren-Button tun.