1.FC Köln – SGE 3:0 (0:0)

Die SGE wurde von Baumgarts FC ziemlich ausgekuckt. Dennoch war zu sehen, dass sie individuell sowie technisch die bessere Mannschaft ist. Ein Blick auf die Gründe für die Niederlage.

Die Aufstellungen

KOE: Schwäbe – Schmitz, Hübers, Chabot, Hector – Martel (88. Lemperle), Skhiri – Maina (80. Schindler), Huseinbasic (67. Olesen), Kainz (80. Thielmann) – Tigges (67. Adamyan)

SGE: Trapp (4) – Tuta (4), Hasebe (4), Ndicka (3) – Buta (3), Kamada (4), Sow (4), Max (3) – Lindström (3-), Kolo Muani (3), Götze (4+)

eingewechselt: Knauff (3-), Rode (4+), Alario (4+), Borré (3)

(die Noten in Klammern beruhen weitgehend auf den von sofascore.com berechneten Daten)

Die Statistik

gibt es hier, hier und hier

Die Highlights

Die Spielanalyse

Zunächst einmal: Das Spiel war lange kein so großes Drama wie man angesichts des Ergebnisses denken könnte, im Gegenteil war das Kölner 3:0 eher schmeichelhaft. Bereits nach 30 Sekunden hat die Eintracht eine erste Großchance (entstanden aus Positionsspiel Ndicka-Götze-Kolo Muani) durch Lindström, allerdings war Kolo Muani zuvor knapp im Abseits. Dennoch waren hier die Kölner ein erstes Mal ausgespielt. (eintracht.tv ab 6:28).

Weitere SGE-Chancen folgten, etwa in der 11. Minute (Kolo Muani verpasst Lindström-Hereingabe nach Buta-Pressingballgewinn gegen Hector), Problem: ungenaue Hereingabe Lindström, eintracht.tv ab 16:42) – viel Glück hier für Köln.

In den ersten 15 Minuten war schon sichtbar, wie die Kölner das SGE-Spiel zu unterbinden gedachten: In den typischen Spielräumen der SGE sollte der Raum extrem verengt werden, also vor allem in den offensiven Spielräumen außen und im Kölner Verteidigungsdrittel. Die beiden von der SGE üblicherweise am häufigsten angesteuerten Räume außen und genauso die Innenbahnpässe aus dem Aufbau wurden sehr konsequent zugestellt.

Das gelang zwar recht gut, aber die Kombinationsstärke der SGE konnten die Kölner oft erst in der letzten Linie, beim letzten Pass abwehren, ein schönes Beispiel ist die 16 Minute: Starker Aufbauflugball Kamada, Doppelpass Max-Sow halblinks am Strafraum, erst die Hereingabe von Max kann dann Hübers zur Ecke klären (Ecken-Verhältnis 1. HZ 1:4 pro SGE, insgesamt 3:9, bildet die vielen Notverteidigungen der Kölner in der letzten Reihe gut ab). Im Anschluss an diese Ecke ging dann der Kölner Martel mit dem Oberarm zum Ball, Schiedsrichter Siebert entschied nach Ansicht der Fernsehbilder, dass das kein Elfmeter war (siehe oben in den Highlights). Das ist sicher eine diskutable Szene, und auch wenn andere Schiedsrichter da einen Elfmeter gegeben hätten, ist es definitiv eine kann-Entscheidung, die Entscheidung hier also keine totale Fehleinschätzung. Trotzdem auch hier wieder viel Glück für den FC. Mit ein bisschen mehr Spiel-/ Schiriglück kann die SGE hier auch schon mit 2:0 führen.

Die Kölner hatten bis zur 25. Minute maximal einige Halbchancen nach (Halbfeld-)Flanken, vor allem von Kainz und eine gute Konterchance nach Aufbau-Fehlpass Hasebe.

Die größte SGE-Chance vergibt Kolo Muani in der 24. Minute, als er schon frei vor Kölns Torwart Schwäbe ziemlich genau am Elfmeterpunkt den Ball von Benno Schmitz noch vom Fuß gespitzelt bekommt (eine überragende Verteidigungsaktion von Schmitz im Übrigen). Die Entstehung dieser Szene ist interessant, da sie zeigt, wie das Defensivkonzept der Kölner besser zu überwinden gewesen wäre.

Köln mit 4 Pressingspielern ganz vorne und dann wieder mit der Überzahlformation ganz hinten, dazwischen ein relativ breiter, völlig unbesetzter Mittelfeldraum. Durch die breite Besetzung vorne mit Götze sehr weit links außen ist die Kölner Kette gezwungen, relativ breit zu stehen, so ergibt sich zwischen Schmitz und Chabot und hinter dem richtig herausgerückten Hübers ein großer Freiraum, den Kolo Muani anlaufen kann. Auch die Doppelsechs der Kölner, die (nicht nur) hier nebeneinander statt abgesetzt verteidigt, kann auf Lindström so in der Zentrale nicht zugreifen.

Diese beste Chance der SGE im gesamten Spiel entsteht also durch einen Angriff durch die Zentrale, der allerdings eher zufällig zustande kommt, denn der Pass von Tuta ist ein reiner Notball/Befreiungsschlag, da er zuvor einen technischen Fehler macht und daher keinen kontrollierten Pass spielen kann. Hier steht Lindström direkt auf der 10er-Position, die bei der SGE systematisch eigentlich nicht besetzt ist und die die Kölner daher in ihrem Defensivkonzept vernachlässigten, kein Wunder also, dass genau ein solcher Ball von der SGE dann so genutzt werden konnte. Diese Lücke hätte öfter angelaufen werden können.

In der 2. Halbzeit können die Kölner das Spielgeschehen insgesamt zu ihren Gunsten verschieben. Zwar bleibt die SGE die spieldominante Mannschaft (57 Prozent Ballbesitz) und auch stärker in den technischen Disziplinen (Passgenauigkeit 77:74 Prozent pro SGE, erste Halbzeit 82:76 pro SGE), aber die Kölner werden in der zweiten Halbzeit deutlich gefährlicher (XGoals 0,91 : 0,11 pro Köln, 1. HZ war ausgeglichen 0,26 : 0,23 pro Köln, die XGoals-Angaben stammen von sofascore.com, bei anderen Portalen sind sie noch eindeutiger pro Köln).

Entscheidend für den Erfolg der Kölner ist aber nicht ihre starke Offensive, sondern vor allem ihr starkes Defensivverhalten, so lassen sich relativ klar 3 Gründe für Spielverlauf und das Ergebnis festhalten:

1. Das Defensivkonzept des FC,

das sich besonders darauf konzentrierte, die äußeren Offensiv-Räume, die von der SGE gern mit Passdrei- und -vierecken bespielt werden, zuzustellen und dann sehr aggressiv in den Zweikämpfen auf Ballgewinne zu setzen:

Der FC erzielte in der 2. HZ ein Tackle-Übergewicht von 16:8 (Gesamtspiel sagenhafte 30:12) und einen Zweikampfvorteil von 41:33 (Gesamtspiel 69:59).

Besonders diese Außenräume waren meistens dicht, dennoch gelangen der SGE auch in der zweiten Halbzeit durchaus gute Kombinationen, allerdings wie schon in der 1. HZ eher nach (hohen) Bällen durch die Zentrale oder Richtung Halbpositionen, bspw. der Götze-Tiefenpass auf Lindström in der 47. Minute, eintracht.tv ab 2:03.

2. Das (hohe) Pressing des FC,

das die SGE oft zu langen, unkontrollierten Flugbällen zwang (sehr oft, zu oft durch Trapp, der mit 69,4 % eine für einen Torwart extrem niedrige Passquote hatte), die dann von den kopfballstarken Kölnern gewonnen werden konnten. Allerdings ließ sich die SGE, auch hier besonders Trapp, auch zu oft zu früh und zu bereitwillig auf diese langen Bälle ein. Die Sequenz, die zu der Ecke führte, nach der die Kölner dann das 1:0 erzielten, zeigt das:

Sobald es der SGE hingegen gelang, die gruppentaktischen Überzahlsituationen der Kölner einmal zu überspielen, wurde es sofort gefährlich (Bsp. 70. Minute, eintracht.tv ab 25:33, Borré setzt sich links gegen 2 Kölner durch, schließlich fast-Abschluss Kamada)

3. Die Schwäche der SGE in der Defensive

Die Ecke, die zum 1:0 führt, ist von der SGE extrem schwach verteidigt. Zunächst können die Kölner die Ecke ohne große Gegenwehr kurz ausführen,

Der Moment der Kainz-Flanke. Lindström ist im 1 gg. 2 oben zu spät/chancenlos, Sow lässt Hübers in der Zentrale einfach laufen, so kann er dann einköpfen.

Wenn man das außen verteidigen will, muss dabei ein zweiter Mann helfen. Wenn man es in der Zentrale verteidigen will, muss Sow natürlich Hübers folgen und zumindest versuchen, ihn entscheidend zu stören, aber Sow lässt Hübers einfach laufen und bleibt stehen (siehe oben in den Highlights oder eintracht.tv ab 5:09).

Beim zweiten Tor fehlt die Konterabsicherung bei der Ecke, Glasner erklärte später, die Ecke sei so schnell ausgeführt worden, dass die Absicherung noch nicht gestanden habe, nunja. Die Ausführung der Ecke ist dann auch extrem schwach und hektisch, der Ball von Kamada auf Borré schon ungenau und die Borré-Flanke eine Katastrophe. Allerdings ist die Kontersituation der Kölner nicht unmöglich zu verteidigen:

Die SGE hat nach innen hier eine 2 gg. 3 Unterzahl, aber Borré ist im Sprint noch nicht ganz aus dem Spiel, kann das Ganze zu einem 3 gg. 3 ergänzen. Alles kommt darauf an, dass Hasebe Maina hier hinreichend lange verzögert, ihm etwas Tempo nimmt und so Borré ermöglicht, in den Zweikampf zu kommen und Knauff ermöglicht, die Zentrale zu halten.

Doch das gelingt nicht. Hasebe lässt Maina zu nah an sich herankommen, wird von ihm dann klassisch verladen:

Hasebe verabschiedet sich aus dem 1 gg. 1 freiwillig, deshalb muss Knauff sich (richtig) Richtung Maina orientieren, wodurch hinter ihm Adamyan völlig frei steht und dann auch den Pass von Maina erhält.

Trapp verteidigt Adamyan dann im 1 gg. 1 zwar noch überragend, aber der Ball landet etwas unglücklich für die SGE auf Skhiris Kopf, der nur noch einköpfen muss.

Das Fazit

Baumgarts Kölner waren sehr gut auf die SGE eingestellt, bemühten sich, die von der SGE immer wieder angesteuerten Außenräume zu schließen, Passwege tief und quer entweder zuzustellen oder die Passempfänger eng zu decken und Innenbahn-Aufbau-Passbahnen zu schließen. Das gelang mit zunehmender Spieldauer besser, aber obwohl der FC es gut verteidigte, kam die SGE zumindest bis zum 2:0 in der 71. Minute immer wieder zu Chancen. Über das gesamte Spiel, das räumte auch Baumgart danach ein, war der FC sicher nicht die 3 Tore bessere Mannschaft, insgesamt, so sagte der FC-Trainer, hätte er auch mit einem Unentschieden zufrieden sein müssen – eine realistische Einschätzung.

Letztlich verlor die SGE das Spiel in der eigenen hinteren Reihe, bzw. im eigenen Defensivbereich. Die Mannschaft war in den Kategorien defensiver Zweikampf und im Luftbereich den Kölnern heillos unterlegen, insbesondere in der Innenverteidigung und alle dürfen sich gerne einmal das Spiel des FC in der letzten Reihe anschauen, das ist ziemlich guter Anschauungsunterricht in gruppentaktischem Timing. Man kann an der Kölner letzten Reihe ganz gut lernen, wann, wie und wie lange verzögert werden sollte, wann Zugriffe sinnvoll sind und dass es kein Problem ist, wenn so eine Kette sich auch einmal bis 15-20 Meter vor das eigene Tor zurückziehen muss. Bei der SGE bleiben solche defensiven gruppentaktischen (aber leider auch oft individualtaktischen Basics) leider nach wie vor zu oft ein Buch mit sieben Siegeln, zumindest dann, wenn die letzte Reihe alleine verteidigen muss.

So konnte das 0:1 nicht verhindert werden (wobei das Abwehrverhalten von Sow im Grunde Verweigerung ist) und das 0:2 ebensowenig, diesmal weil der zentrale Innenverteidiger der SGE einen üblichen Letzte-Reihe-Zweikampf gegen einen schnellen und halbwegs geschickten Gegner wie Maina individualtaktisch nicht gewinnen kann. Dass Hasebe mit vielen dieser für einen Innenverteidiger üblichen Zweikämpfe überfordert ist, wird hier seit nun fast 2 Jahren regelmäßig dokumentiert, den gegnerischen Trainern bleibt das kaum verborgen und vielmehr ist dazu nicht mehr zu sagen.

Insgesamt ist der Spielverlauf keine große Überraschung, denn dass ein Trainer wie Baumgart sich etwa das SGE-Spiel gegen Mainz genau angeschaut und gesehen hat, wie die Mainzer das Offensivspiel der Eintracht recht gut in Schach halten konnten, kann erwartet werden. Dennoch: Die SGE war trotz eines taktisch starken, extrem lauffreudigen (125,3 Kilometer) und defensiv zweikampfstarken Gegners keineswegs ungefährlich und hätte nach 20 Minuten auch gut und gerne 2:0 in Führung liegen können. Trotz all der hier gezeigten Schwächen war die SGE durchaus nicht die schwächere Mannschaft.

Dass sie das Spiel letztlich verlor, lag fast ausschließlich an der eigenen Defensivschwäche und ob es gegen Gegner wie den FC wirklich eine sehr gute Idee ist, mit im Grunde 8 offensiv denkenden/ ausgerichteten Feldspielern (wirkliche Defensivspieler waren auf Seiten der SGE nur Tuta und Ndicka) und ohne einen überragenden Kopfballspieler in der letzten Reihe anzutreten, sei einmal dahingestellt.

Jedenfalls darf man sich dann nicht allzu sehr wundern, wenn der kopfball- und zweikampfstarke Gegner seine Überlegenheit in diesen Bereichen ausspielt.

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2 Kommentare

  1. UliStein sagt:

    Ich bin vollkommen bei Dir, dass die Mannschaft das Spiel ausschließlich in der Defensive verloren hat. Es macht den Eindruck, als ob Glasner mal wieder mehr auf die Galligkeit und Zweikampfführung Wert legen sollte. Hab ich hier mal versucht, zu zeigen: https://maintracht.blog/2023/02/15/sge-grundlagen-gefragt/

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  2. Sarah Davies sagt:

    Interessanter Artikel! Es ist interessant zu sehen, wie die Eintracht trotz der Niederlage technisch und individuell die bessere Mannschaft war. Warum hat die Mannschaft trotzdem verloren?

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