Torflaute

Analytisches zur aktuellen Situation und der Frage, warum die SGE so wenig Tore schießt.

Die Schiedsrichter

Bevor wir uns das SGE-Spiel aus der Nähe ansehen und der Frage nachgehen, warum so wenige Torchancen herausgespielt und Tore erzielt werden, einige Vorbemerkungen zu den Schiedsrichterproblematiken. Eines der größten Probleme des derzeitigen Schiedsrichterwesens konnte man in den beiden Spielen der SGE gegen Freiburg und Wolfsburg gut beobachten, nämlich die völlige Konfusion hinsichtlich von spielverändernden Entscheidungen. So ist die Situation im Freiburg-Spiel in der 9. Minute mit dem Foul an Buta, als der aus nähester Distanz gerade zum Torerfolg ansetzt, natürlich ein Elfmeter. Er wird von seinem Gegenspieler sieben Meter vor dem Tor, völlig frei und einschussbereit so getroffen, dass er fällt. Hier wird eine klare Torchance verhindert. Der Kontakt mag nur ein leichter gewesen sein, er verhindert aber ein Tor. Solche Situationen müssen selbstredend gepfiffen werden. Stattdessen wird Schiri Zwayer von VAR Stegemann nicht einmal in die Review Area beordert. Stattdessen wird dann in Wolfsburg eine Situation als Elfmeter bewertet, wo Knauff seinen gerade nach außen abdrehenden Gegenspieler umfegt (zugegebenermaßen überaus ungeschickt, Knauff muss ganz schnell ein adäquates defensives Zweikampfverhalten erlernen, sonst ist er als Schienenspieler unbrauchbar). Zweitere Situation ist völlig ungefährlich, Wolfsburg bekommt hier einen Elfer gewissermaßen aus dem Nichts, während der SGE ein ziemlich sicheres Tor schlicht weggefoult wird. So greifen Schiedsrichter mit hanebüchenen Entscheidungen in Spiel- und Saisonverläufe ein. Was durch den VAR eigentlich verhindert werden sollte, wird nur noch ärgerlicher, wenn dieser in solch klaren Situationen wie im Freiburg-Spiel nicht eingreift. So sehr der VAR eine gute Idee sein könnte, so sehr muss man inzwischen konstatieren, dass er in dieser Konstellation überhaupt keinen Sinn macht.

Die beste Schiedsrichterleistung, die in den bisherigen Saisonspielen der SGE beobachtet werden konnte, war bezeichnenderweise die des zypriotischen Schiris Theouli im Aberdeen-Spiel, der nicht nur mit Gefühl für den Spielfluss viele Situationen im Mittelfeld laufen ließ, die jeder BL-Schiedsrichter weggepfiffen hätte und damit so etwas wie ein Fußballspiel ermöglichte, er pfiff auch den Elfmeter für die SGE zum 1:0 korrekt (eintracht.tv ab 17:10), eine sehr ähnliche Szene wie die im Freiburg-Spiel.

Wie wenig Gefühl die Schiedsrichter nach wie vor für das Spiel haben, das sie ja mehr begleiten sollten, statt sich wie Rasenpolizisten aufzuführen, konnte man ebenfalls an dem „Fall“ Götze gegen den VfL Wolfsburg sehen. Götze machte, entgegen den Fantasierereien fast aller Sport“journalisten“ gegen Wolfsburg ein ziemlich starkes Spiel, das kann sich jeder im Re-Live oder anhand der Daten (47 Ballkontakte in 58 Minuten, Passquote 83 Prozent) gerne noch einmal ansehen (dass Götze weder ein Goalgetter ist, noch ein Dribbelkönig, sondern eher ein einleitender Spielmacher, der aber an sehr vielen Situationen – eben einleitend – entscheidend beteiligt ist, dürften auch unbedarftere Beobachter inzwischen mitbekommen haben). Er wird – nicht nur in diesem Spiel – bei fast jeder seiner kaum zu verteidigenden Aktionen, kurzen Bewegungen, Drehungen, die das Spiel öffnen, gefoult oder anderweitig angegangen. Gerade im Wolfsburg-Spiel mehrfach. Das sind alles im Grunde taktische Fouls, die die Spielöffnung des Gegners verhindern sollen, also absichtlich, eben taktisch, begangen werden. Dafür müsste es jedesmal eigentlich die Gelbe Karte geben. Das machen die Schiris aber nicht, weil sie sonst in jedem Spiel unentwegt Gelbe Karten zücken müssten. Die Regel, die Offensivspieler wie Götze eigentlich schützen soll, wird also nicht angewandt. Wenn dann Götze aber selbst sich einmal vor den Ball stellt, um – ebenfalls taktisch – den Mitspielern Zeit zu verschaffen, sich zu sortieren, gibt es direkt gelb, das ist eigentlich eine Unverschämtheit und dass er sich darüber ärgert, ist vollkommen verständlich und genauso wie die Sache mit der willkührlichen Elfmeterpfeiferei kein hinnehmbarer Zustand.

Defensive und Aufbauspiel

In den Spielen gegen Bochum, Aberdeen, Freiburg und Wolfsburg erzielte die SGE insgesamt 3 Tore. Trotz dieser mageren Ausbeute konnte sie zweimal unentschieden spielen und einmal gewinnen. Das wäre in der vergangenen Saison undenkbar gewesen, mit jetzt drei Innenverteidigern in der Dreierkette ist das defensive Dauer-Problem der letzten Jahre von Toppmöller erstaunlich schnell zumindest eingedämmt worden. Dennoch hat man in allen drei Spielen auch Fehlverhalten gesehen, einen Kettenfehler mit mehreren Stellungsfehlern (Pacho) vor allem beim 1:1 von Aberdeen, diese sind bisher aber kaum als systemisch zu kennzeichnen, daher in diesem Eintrag ein genauerer Blick auf die Offensive und die große Frage: Warum erspielt die SGE so wenige Torchancen und erzielt so wenige Tore?

Zunächst einmal ein Blick auf einige einschlägige Spieldaten:

Im Spiel gegen Bochum erzielte die SGE laut Sofascore 51 Prozent Ballbesitz, dabei aber nur 0,6 XGoals und 0,6 XAssists. Bei bundesliga.com sind es immerhin 0,8 XGoals.

Interessant dabei ist, dass vor allem im Bochum-Spiel der Ballbesitz keineswegs zu einer Feldüberlegenheit führte. Laut Sofascore befand sich der Ball sogar nur in 18 Prozent der Spielzeit im Spieldrittel der Bochumer, aber in 39% der Spielzeit im Defensivdrittel der SGE, das ist bei ungefähr ausgeglichenem Ballbesitz ein statistischer Extremwert und ist nur mit dem extremen Pressing des VfL zu erklären. Auch im Wolfsburg-Spiel tat sich die SGE mit dem Pressing recht schwer, obwohl sie sich spielerisch durchaus auch daraus befreien konnte. Dennoch führte die Pressing-Aggressivität der Wolfsburger dazu, dass die SGE sogar nur 46% Ballbesitz erzielte.

In den anderen beiden Spielen finden wir zwar eine Feldüberlegenheit der SGE, aber zumindest im Aberdeen-Spiel korrespondiert diese kaum mit dem enormen Ballbesitzanteil. In diesem Spiel hatte die SGE 78% Ballbesitzanteil, schaffte aber gerade mal eine Feldüberlegenheit von 28% zu 24% in den Enddritteln.

Das Freiburgspiel war in dieser Hinsicht das erfolgreichste, was vermutlich mit einigen sehr starken Spielphasen zu erklären ist. Hier führten die 57% Ballbesitz immerhin zu einer Feldüberlegenheit von 31% zu 28%, ein recht guter Wert, und 0,65 XGoals bei sofascore, bundesliga.com weist 0,77 aus.

Man kann diese Werte durchaus zunächst einmal dahingehend interpretieren, dass der vergleichsweise hohe Ballbesitzanteil nicht zu hohen Feldüberlegenheiten und XGoals-Werten führt, also viel spielerischer Aufwand betrieben wird, dabei aber wenig Ertrag abfällt.

Betrachten wir einige Element des SGE-Offensivspiels genauer. Da die Spiele gegen Bochum und Wolfsburg (extremes Pressing des Gegners) und das Aberdeen-Spiel (extreme Totaldefensive des Gegners) als mannschaftstaktische Ausnahmesituationen verstanden werden müssen, zunächst ein Blick auf das Freiburg-Spiel.

Auch hier haben wir einen ziemlich hohen Ballbesitzanteil (57%) zugunsten der SGE und in der zweiten Halbzeit war zu beobachten, dass Streich das Aufbauspiel seiner Mannschaft mehr oder minder komplett abschaltete. Das kann kaum einer extremen Pressinggefahr geschuldet sein, denn so fürchterlich gefährlich presste die SGE eigentlich bis dahin nicht. Streich dürfte eher die Schwächen der Eintracht darin erkannt haben, durch Aufbauspiel von ganz hinten zu Chancen zu kommen, während für sein Team dabei Balleroberungschancen herausspringen konnten. So ballerte SC-Keeper Atubolu, aber auch die Verteidiger in der zweiten Halbzeit viele Bälle einfach lang nach vorne, verringerten damit das eigene Konterrisiko und erhöhten das der SGE.

Ein kurzer Blick auf den Aufbau der SGE:

Bei Abstößen sehen wir oft u.a. diesen Aufbau: asymetrische Außen, einer kurz anspielbar (hier der LV), einer etwas höher. Wie hier geht es auch in anderen Varianten oft über entgegenkommende Achter (hier Larsson), die dann den Pass in den Raum hinter sich suchen. (Diese Szene ist aus dem Freiburg-Spiel, eintracht.tv ab 8:00)

Wir können hier nicht alle Varianten des Aufbaus nachzeichnen, aber grundsätzlich geht es wie gesagt häufig über die aus einer offensiveren Position anlaufenden Achter, die dann schnelle, tiefe Anschlüsse suchen. Das funktioniert auch oft schon ziemlich gut, ist aber auch voraussetzungsreich, es gibt bei jedem Ballkontakt auch Zugriffspunkte für Zweikampfinterventionen des Gegners, darauf spekulierte auch Streich und er wird nicht der Letzte gewesen sein. In der hier exemplarischen Situation verliert bspw. dann Buta den Ball im Zweikampf.

Die wohl spielentscheidende Situation im Freiburg-Spiel, der nicht gegebene Elfmeter in der 9. Minute entsteht ebenfalls nach einem solchen Aufbaumanöver, wieder über rechts, wieder über Larsson, diesmal sieht es so aus:

Auch hier wieder das Spiel über entgegenkommende und gegenläufig tiefe Räume suchende Mitspieler, hier gleich zweimal, erst Larsson, der den Weg nach defensiv außen sucht, dann Marmoush, der aus der Spitze den ersten tiefen Anspielpunkt für Skhiri bildet, dann Buta, der „hinter“ Marmoush den tiefen Pass zum Tor anbietet. Hier funktioniert es perfekt, Buta kann dann nur noch sieben Meter vor dem Tor durch Foul gestoppt werden.

Breite in der Spitze und Boxbesetzung

Aus diesem Aufbau kommt die SGE durchaus regelmäßig in Situationen, in denen dann ein Pass in die Box folgen kann, aber hier fehlen oft die richtigen Wege.

Einige Beispiele:

Spiel gegen Freiburg, 29. Minute (Analyse-Clip, wenn die Texte zu lang sind, bitte mit der Pause-Taste arbeiten):

Hier sehen wir erstens einen verschlafenen Laufweg von Ebimbe, zweitens eine falsche Passentscheidung von Nkounkou und drittens ausbleibendes Entgegenkommen von Marmoush (allerdings auch schwierig für ihn, er muss da fast spekulieren, dass der Ball irgendwie durchkommt.)

Solche Situationen gab es in allen Spielen zuhauf. Weitere Beispiele wären etwa die 31. Minute im Freiburg-Spiel. Auch hier wieder recht gutes Anspiel nach außen aus dem Aufbau, gutes Zusammenspiel Skhiri-Larsson auf außen und dann diese Situation:

In beiden Szenen sehen wir also zunächst falsche Passentscheidungen. Die gute Nachricht ist, dass hier jeweils zwei sehr junge Spieler die Passfehler machen, die mehr oder minder ihre ersten Schritte auf diesem Niveau machen und die zweite gute Nachricht ist, dass genau solche Pass- bzw. Entscheidungsfehler im Training sehr gut bearbeitet werden können. Es ist daher ziemlich sicher davon auszugehen, dass das mit der Zeit besser wird.

In der zweiten Szene sehen wir auch, dass Skhiri hier ja durchaus Breite in der vorderen Linie herstellt, diese aber nicht genutzt wird. Wenn Skhiri da außen steht, ist er entweder frei oder bindet einen Freiburger. Hier lassen die Freiburger den Außenspieler frei stehen, was eine gute Möglichkeit ist, das Spiel vorne breit und schnell zu machen. Genau das gelingt der SGE viel zu selten, wie auch hier in der Szene nicht.

Ein Gegenbeispiel ist das Tor gegen Bochum. Hier hat die Eintracht etwas Glück, dass aus einem wechselnden Ballbesitz und nach einem technischen Fehler des Bochumers Bero in der eigenen Hälfte der Ball bei Pacho landet, der es gegen den gegenpressenden Bochumer schafft, sofort einen Pass ins eigene Mittelfeld zu spielen (eintracht.tv ab 11:23):

Marmoush steht erstens ganz außen, sorgt also für eine breite Anspielstation in der Spitze und zweitens hat er einen relativ großen Freiraum vor sich, um Tempo mit Ball aufnehmen zu können.

Das sind, um es ganz kurz zu fassen, zwei wichtige Faktoren für das Offensivspiel der SGE, die in den Spielen zu selten hergestellt werden konnten. Die Mannschaft wurde fast immer dann gefährlich, wenn sie die direkte Aktion zum Tor aus einer breiten Position in der Spitze einleiten konnte, siehe auch die bereits besprochenen Situationen oben. Genauso vor der vielleicht spielentscheidenden Szene im Wolfsburg-Spiel, der vergebenen Marmoush-Chance zum 1:1 (Analyse-Clip, wenn die Texte zu lang sind, bitte mit der Pause-Taste arbeiten):

Genauso bei der Situation im Aberdeen-Spiel, die dann zum Elfmeter führte:

Ebimbe steht bei Tiefenpass von Larsson an der Außenlinie, bindet einen Schotten auf der Außenbahn, wodurch dann der Innenbahnpassweg aufgeht. Aaronson bindet auf der Halbposition gleich zwei Schotten (der Verteidiger müsste seinen Mitspieler in der Tiefe sichern; da er das nicht macht, öffnet sich der Innenbahnpassweg für Larsson)

Das Pressing

Das Pressing bei Toppmöller ist sichtbar etwas weniger risikoreich als das Glasnersche, das haben wir an anderer Stelle schon festgestellt, es wird vor allem weniger konsequent durchgesichert, was zu einigen Problemen führt, dazu im nächsten Blogeintrag etwas mehr, das würde hier etwas den Rahmen sprengen.

Allerdings bleibt das Pressing eine recht gute Waffe, gegen Wolfsburg entstand nach einem guten Pressing-Ballgewinn von Skhiri die erste echte Großchance des Spiels, die Skhiri dann frei vor Casteels nach einer extrem starken Kombination über Marmoush und Chaibi vergab. (eintracht.tv ab 26:36)

Das Fazit

Aus rein analytischer Sicht gibt es wenig Grund zur Sorge, man kann ganz gut sehen, dass Toppmöller mit der Mannschaft arbeitet (den meisten dürfte aufgefallen sein, dass Tuta sein Zweikampfverhalten stark verbessert hat und nicht mehr wild auf ballführende Gegner rennt). Das Toppmöller-Spiel ist im Detail etwas anspruchsvoller als die Spielweisen von Hütter und Glasner, daher dauert es auch etwas länger, bis sich da Erfolge zeigen.

Im Freiburg- und Wolfsburg-Spiel waren einige Abläufe im Aufbau, aber auch bei den Anspielen in die Spitze schon besser als zuvor, gegen Wolfsburg vergibt die Eintracht in der ersten Halbzeit zwei Großchancen, gegen Freiburg bekommt sie den Elfer zum 1:0 nicht gepfiffen. Besonders wird es darum gehen, noch öfter offensive Außenpositionen anzulaufen und einzusetzen, gerade wenn man viel über eigenen Ballbesitz spielt, ist das ein, vielleicht DAS entscheidende Mittel. Die Rückkehr des starken Strafraum-, aber auch guten Kombinationsspielers Alario dürfte der Mannschaft helfen. Mit etwas Spielglück sollte demnächst auch einmal ein Spiel gewonnen werden können, weit ist das Team davon nicht entfernt.

Allerdings kann sich so eine Situation natürlich verschärfen. Wenn gegen Saloniki und Heidenheim keine Punkte geholt werden, dürften die ersten unruhig werden und Nervosität und Versagensangst wären für das Team in der derzeitigen Entwicklungsphase das letzte was sie brauchen.

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