Tor-Rausch

Nach der Torflaute nun also Schützenfeste. In den vergangenen 6 Pflichtspielen erzielte die Eintracht 19:4 Tore. In diesem Beitrag ein Blick auf die Offensive aber auch auf die Frage, was genau Toppmöller in der Defensive spielen lässt, die reine Dreier/Fünferkette der letzten Jahre scheint es nicht mehr zu sein. Außerdem einiges zu dem etwas umstrittenen Spieler Smolcic.

Doch zunächst zu den SGE-Toren und den Mustern, die sich dabei erkennen lassen. Im letzten Beitrag Tor-Flaute haben wir analysiert, dass die offensiven Probleme damals in erster Linie falschen Passentscheidungen im letzten Drittel, fehlender Breite in der Spitze und ungenügender Box-Besetzung geschuldet waren, wir stellten damals fest: „Die gute Nachricht ist, dass hier jeweils zwei sehr junge Spieler die Passfehler machen, die mehr oder minder ihre ersten Schritte auf diesem Niveau machen und die zweite gute Nachricht ist, dass genau solche Pass- bzw. Entscheidungsfehler im Training sehr gut bearbeitet werden können. Es ist daher ziemlich sicher davon auszugehen, dass das mit der Zeit besser wird.“ Und genau so ist es gekommen, an all den analysierten Problemen wurde offenbar gearbeitet.

Und so entstanden die SGE-Tore:

  • Konter nach Ballgewinn im Mittelfeld

Das 2:0 gegen die Heidenheimer war ein solcher Konter. Skhiri gewinnt den Ball im Mittelfeld, über Larsson landet er bei Buta, der sofort in ein langes Tempodribbling startet, wodurch er eine 4 gg. 3 Situation zum Heidenheim-Tor erzeugt. Interessant sind nun die Laufwege:

Mit dem Schritt von Buta Richtung Zentrale zieht Chaibi nach außen. Der entscheidende Move hier kommt von Chaibi, denn durch dessen Weg wird Maloney aus der Zentrale gelockt, wodurch oben wiederum Dinkci gezwungen ist, Ferri zu decken, der sonst ganz frei im Strafraum gestanden hätte. Ferri läuft dann auch weiter Richtung Tor, wodurch sich der Passweg Richtung Knauff öffnet, den Buta schließlich anspielt. Knauf vollendet zum 2:0

Hier sehen wir also schon einen großen Fortschritt im Bereich Boxbesetzung/Ausspielen einer Überzahl, zumindest bei dieser Kontersituation. Das 2 gg. 1 zum Heidenheim-Tor (oben dunkel gekennzeichnet) kann nur wirksam werden, wenn Maloney gebunden ist. Das muss Chaibi erkennen und ihn nach außen binden, was er auch tut. (eintracht.tv ab 27:07). Das Auflösen solcher 4 gg. 3 – Situationen sind zwar in der Trainingslehre Standardspielsituationen, dennoch erfordern sie einiges an Abstimmung. Diese wird wenig überraschend und wie im letzten Blogbeitrag prognostiziert, mit der Zeit besser.

Ebenfalls in diese Kategorie fällt das 3:1 gegen Hoffenheim, hier haben wir einen Ballgewinn von Knauff im Hoffenheim-Aufbau. Der Ballgewinn wird dann von Marmoush, Chaibi und Skhiri spontan improvisiert. Als Muster haben wir hier wieder die grundsätzlich diagonale Spielfortsetzung. (eintracht.tv ab 50:58).

Das schönste Kontertor der SGE ist das 3:2 gegen Dortmund. Pacho fängt hinten links einen BVB-Angriff ab, über Knauff landet der Ball zentral bei Skhiri und auch hier spielt Breite wieder eine Rolle. Chaibi verschafft sich nach außen Raum, das macht er ganz stark:

Wieder stellt die SGE in der vorderen Reihe extreme Breite her, mit gleich 5 Spielern vor dem Passgeber. Dadurch ergeben sich für Skhiri gleich 2 Anschlussptionen (Ebimbe, Chaibi). Ein überragender Passspieler wie Skhiri entscheidet sich dann für den riskanten Pass direkt zum Tor. Entscheidend ist aber die Positionierung von Chaibi, der vorher schon den Passweg öffnet, indem er weit genug außerhalb der Dortmunder 3er-Kette bleibt. Das ist ziemlich sicher ein improvisierter Angriffsvortrag, aber das breite Positionsspiel (Anlaufen, Distanz zum Verteidiger von Chaibi) sehen wir immer wieder, das ist also geplant.
  • Breite im Offensivspiel und Spiel über die Halbpositionen

Wie bereits im Beitrag Dino-Ball erwähnt, ist das in dieser Saison kontrolliertere SGE-Spiel auf Breite (im vorderen Bereich) angewiesen. Viel häufiger als in der vergangenen Saison sehen wir auch diagonale Angriffsvorträge, auch das ist offenbar ein gezielt eingesetztes Mittel. Ein gutes Beispiel ist der Angriff vor dem 1:0 gegen Helsinki.

Hier sehen wir, wie sehr die breite Spielanlage in dem auf Ballbesitz und Kontrolle angelegte SGE-Spiel DIE Erfolgsvoraussetzung ist. (In dem Video sehen wir, dass teilweise 5 Spieler in der vorderen Reihe mit dem Angriff beschäftigt sind) (Videozitat, wenn es zu schnell geht, bitte mit der Pausetaste arbeiten):

Je mehr das Spiel in der vorderen Reihe breit angelegt wird, desto mehr müssen die Gegner mit eigener Breite in der Defensive reagieren. Dadurch entstehen wiederum Räume auf den Halbpositionen. Diese Räume nutzt die SGE gezielt. Das ist der Plan. Denn diese offensiven Halbpositionen können variabel besetzt werden, insbesondere Tuta und Buta sind technisch derart starke und mit hohem Spielverständnis ausgestattete Spieler, dass sie sich ohne weiteres auch auf den 10er- oder 8er-Positionen, also als Kreativspieler ins Spiel einschalten können und das auch sollen und tun. Gegen Heidenheim gab es einen Elfmeter, dem eine hundertprozentige Chance vorausgegangen war. Den Elfer verschoss Ngankam dann, aber die Entstehung ist interessant. Heidenheim verteidigt das zwar katastrophal, aber hier sieht man, wie Buta gezielt seine Außenposition verlässt und die offensive Halbposition anläuft.

Viel bessere Abstimmung als in den Spielen davor: Buta läuft die Halbposition an, sein Gegenspieler Föhrenbach schläft den Schlaf der Gerechten, lässt ihn einfach ziehen. Damit entsteht ein 4 gg. 4 Richtung Heidenheim-Tor. Entscheidend nun wieder, dass Chaibi die Breite in der Spitze garantiert und den Heidenheimer Linksverteidiger außen bindet. Dadurch entsteht dann der tiefe Passweg für Buta, den Marmoush mit einem überragenden diagonalen Sprint anläuft. Zugegebenermaßen kann das aber nur funktionieren, weil die Heidenheimer zwischen Kette und Sechsern hier überaus luftige knapp 15 Meter Abstand halten. Trotzdem ist das von der SGE stark gestellt.

Solche Manöver benötigen ebenfalls einen hohen Grad an Abstimmung. Auch hier also kein Wunder, dass solche Sachen mit der Zeit besser werden. Abstimmungszeit bedeutet, dass die Spieler das Verhalten der Mitspieler besser antizipieren können, weil sie mit zunehmender Zusammenspielzeit ihr Verhalten intuitiver einschätzen können. Man kann diese Abstimmungsprogression im Training sehr gut in Spielformen forcieren und das hat Toppmöller unübersehbar gemacht. Wer kann, sollte sich die Situation unbedingt noch einmal ansehen, besonders das Lauf-Pass-Spiel Buta-Marmoush im Anschluss an das Standbild zeigt, wie sehr die beiden inzwischen ahnen/wissen, was der andere macht und kann. Beide Aktionen, Laufweg und der Tiefenpass von Buta sind wirklich sehr stark und sehenswert. (eintracht.tv ab 31:28).

Das 3:0 gegen Helsinki fiel über einen Flugball von Tuta auf den zentralen Mittelstürmer Marmoush. In dieser Situation spielte Breite in der vorderen Linie einmal keine entscheidende Rolle, stattdessen sieht man in der Sequenz, wie die SGE dieses Manöver über die Zentrale auch plant, hier wird gewissermaßen die zentrale Spitze und der Zehnerraum überladen:

Mit den beiden Stürmern Knauff und Marmoush in der Spitze, die dort 3 Gegner binden, entsteht ein großer Abstand zu der Mitteldfeldreihe der Finnen und etwas Raum für die beiden „Zehner“ Götze und Ebimbe. Ein klassisches Angriffsmuster für ein Spiel über einen Wandstürmer und genau so spielen sie es dann, Tuta mit dem langen Ball auf Marmoush, der Richtung Götze prallen lässt. Götze steht dann mit Tempo im Dribbling offen zum Gegnertor mit mehreren Anschlussoptionen in die Spitze.

Entscheidend sind hier die Bindung vorne und das Nachrücken auf beide Halbpositionen. In der Aufbauaktion vorher sieht man auch, dass die SGE bereits hier Halbpositionen einbaut, um Tuta ganz rechts freizubekommen (der Gegner schiebt nicht direkt durch, sondern nur in den Halbraum, wodurch dann der Außenverteidiger Tuta frei steht und mehr Zeit für den Flugball hat, auch das ist ziemlich sicher ein geplantes Aufbaumanöver. Diese gezielt strukturierte Aufbaumanöver sind ein klares Upgrade zum Spiel unter Glasner.) (eintracht.tv ab 38:22) .

Beim 5:0 gegen Helsinki sehen wir wieder eine der dauerhafte Angriffsmuster der SGE. Ballbesitz Chaibi auf der Halbposition, Breite in der Spitze durch Ebimbe rechtsaußen, Knauff linksaußen. Tiefenlauf Ebimbe, Pass Chaibi, damit ist der Angriff dynamisch. Entscheidend auch, dass Marmoush in der Zentrale den halblinken IV bindet und Skhiri in die Spitze nachzieht.

So gut gestellt und mit so viel Präzision gespielt wie hier von Chaibi und Ebimbe ist das sehr schwer zu verteidigen, aber die Finnen verpassen hier die Zugriffspunkte auch deutlich und machen es der SGE damit vergleichsweise leicht.

Hier die Entstehung vor dem 6:0:

Wieder gleiches Muster: Extreme Breite hier in der Spitze, im abgedunkelten Spitzenbereich stehen bei einem langsamem Außenaufbau 5 Spieler in der Spitze, bzw. kurz dahinter. Der Angriff läuft dann auch breit, Götze verlagert mit Flugball auf Rechtsaußen, wo dann Chandler, Aaronson und der nachrückende Jakic, wieder über die Halbposition, wieder mit Tiefenlauf (Chandler) von außen in die torgefährliche Assistzone kommen, ein Lehrbuch-Manöver, gerne ansehen: eintracht.tv ab 45:45.

Same procedure auch beim 2:1 gegen Hoffenheim:

Wieder wird die Situation aus der Breite gestellt. Startpunkt ist hier die Rechtsaußenposition, wieder wird das Manöver über die Halbpositionen in die Tiefe gespielt, wieder wird die tiefe Position von außen angesprintet, hier von Chaibi und wieder haben wir eine positionale Boxbesetzung, also drei Positionen besetzt, Knauff steht hier schon ziemlich frei, kein Schulterblick bei den Hoffenheimern, Knauff macht dann auch das Tor. Bemerkenswert, dass hier Tuta den entscheidenden Tiefenpass spielt. Wer sich die Szene nochmal anschaut, sieht, dass Tuta diese Mittelfeldposition aus der Spitze anläuft, also zuvor bis in die Sturmspitze nachgerückt ist.

Dieses Verhalten des Verteidigers und auch das immer wieder Nachrücken von Skhiri bis in die Spitze (auch hier im Bild) sind typisch für ein offensives Positionsspiel. Hierbei werden Positionen festgelegt, die in den Standardspielsituation besetzt (statisch), bzw. angesprintet (dynamisch/ Tiefenwege) angelaufen werden müssen. Das klingt komplizierter als es ist, man kann das ziemlich gut mit Spielformen im Training automatisieren. Diese Spielweise ist aber stark auf technische Sauberkeit und Ballsicherheit aller Beteiligten angewiesen, was den technisch starken Defensiven wie Skhiri oder Tuta entgegenkommt. (eintracht.tv ab 26:13). Ein weiteres gutes Beispiel war das 2:0 im Union-Spiel:

Larsson startet die Situation praktisch als Außenverteidiger, „schleicht“ sich dann aber mit einem kurzen Sprint hinter die drei defensiven MF von Union und stellt damit ein 3 gg. 2 außen her. Als nächstes zieht er den Sprint in die Spitze an, womit er nicht nur Tuta eine Anspielmöglichkeit in der Tiefe bietet, sondern auch seinen Gegenspieler mitzieht und damit Marmoush in der Zentrale komplett freizieht.

Wir hatten ein ähnliches Muster (rechte Verteidiger verlässt die Position und zieht auf die offensive Halbposition um außen Überzahl zu schaffen) schon im Heidenheim-Spiel vor dem Ngankam-Elfer gesehen, hier also wieder das gleiche Muster. Auch den Move von 6er Larsson auf die rechte Außenverteidigerposition haben wir schon im vergangenen Beitrag gesehen, als es um einige Aufbauvarianten ging, hier also auch wieder das gleiche Muster. Dieser Move von Larsson von ganz hinten, mit zwei Sprints in die Spitze war entscheidend für das Tor und damit auch den SGE-Sieg in Berlin.

  • Verbesserte Standardsituationen

Dass auch an den Standards gearbeitet wurde und mit Chaibi ein starker Standardschütze im Team ist, dürfte ja kaum jemandem verborgen geblieben sein. So entstanden das 1:0 gegen Helsinki (Handelfmeter nach seitl. Freistoß Chaibi-Koch), das 2:0 gegen Helsinki (Chaibi-Ecke von rechts auf Koch), das 4:0 gegen Helsinki (Ecke Chaibi-Tuta), das 1:0 gegen Viktoria Köln (Ecke Chaibi-Koch-Skhiri) und das 1:0 gegen Union Berlin durch oder nach Standards.

  • Das Aufbauspiel

Das 1:0 gegen Dortmund war ein verwandelter Elfmeter von Marmoush, der Handelfmeter eine Kann-Entscheidung (sicher keine glatte Fehlentscheidung, denn das Handspiel verhinderte durchaus potenziell eine Torchance/ einen Torschuss). Die Aufbauaktion vor dem Tor war aber sehr interessant, das war nämlich ein aus dem Aufbau vorgetragener Angriff mit einem eröffnenden Tiefenpass Koch-Marmoush. Dieses „Spiel aus der Spitze“ mit Tiefenanschluss haben wir schon im Blog-Beitrag „Tor-Flaute“ besprochen, der ganze Aufbaukomplex unter Toppmöller ist aber ziemlich ausgefeilt, weshalb gegen Ende der Hinrunde ein weiterer Beitrag zu diesen Aufbaumustern geplant ist. Aber um es hier schon einmal anzukündigen: Der BVB wurde beim 1:0 von der SGE nach Strich und Faden ausgespielt und Larsson völlig freigespielt, musste aus 6 Metern nur noch einschieben. Kobel hat den mit einer Glanzparade gehalten, aber dass es nach dieser Aktion letztlich 1:0 für die SGE steht, darüber sollte sich beim BVB niemand beschweren (eintracht.de ab 8:53).

Ähnliches Spiel beim 2:0. Hier düpiert die Eintracht das Angriffspressing der Dortmunder mit einem weiteren Spielzug des Musters „aus der hintersten in die vorderste Reihe“, diesmal auf den entgegenkommenden Knauff (Pass kam von Pacho) mit direkter tiefer Spielfortsetzung (hier per Ablage auf den von ganz hinten ansprintenden Larsson, das berühmte „Steil-Klatsch“). Auch dieses Muster dann etwas genauer im nächsten Beitrag, hierunter fällt auch das 2:0 gegen Viktoria Köln.

Da das hier etwas den Rahmen sprengen würde, verschieben wir auch die Analyse der Standards auf den nächsten Blogeintrag. So viel sei aber verraten: Bei den Standards werden durch Grund-Positionierung und Laufwege gezielt Räume freigeräumt, die dann mit vergleichsweise langen Sprints angelaufen und -gespielt werden.

  • Schuss aus der zweiten Reihe

Zu guter Letzt: Larsson erzielte gegen Heidenheim einen Treffer nach einem abgewehrten Ball der Heidenheimer. Bei der Aktion waren 9 Spieler der Gäste im eigenen 16er gebunden. Solche Situationen dürften sich mit zunehmend druckvollem Spiel der SGE gegen viele Gegner häufen und dann sind Schüsse von außerhalb des Strafraums natürlich auch ein gutes Mittel. (eintracht.tv ab 42:31)

In keine der Kategorien fällt der Ausgleich im Hoffenheim-Spiel. Die Situation ist dennoch recht interessant, denn der lange Befreiungsschlag von Grahl auf Marmoush entsteht nach einem Aufbauversuch der SGE gegen ein Angriffspressing der Hoffenheimer und das ist doch ebenfalls ein sehr auffälliger Aspekt des neuen SGE-Spiels. Die Mannschaft versucht beinahe jede Situation über Aufbau- und Passspiel von hinten zu lösen, sorgt mit viel Personal im Aufbau für Anspiel- und Anschlussoptionen. Eine genauere Analyse des Aufbaus dann im nächsten Blogbeitrag. Letztlich ist das Marmoush-Tor einem krassen Abstimmungsfehler in der TSG-Absicherung geschuldet, allerdings provoziert Marmoush das mit seinem Anlaufen auch. Überhaupt ist Marmoush im Vergleich zu Lindström der technisch etwas sauberere und auch antizipationsstärkere Spieler.

Während die SGE sich also in einen Torrausch spielte, zeigten sich in der Defensive wieder einige Lücken, in den Bundesligaspielen gegen Hoffenheim und Dortmund kassierte die Eintracht insgesamt 4 Gegentore. Auch darauf ein kurzer Blick.

Das Gegentor in der 3. Minute gegen Hoffenheim fiel nach einem eigenen Eckball, den Hoffenheim abfangen konnte. TSG-Keeper Baumann schaltete schnell und spielte sofort einen sehr langen Flugball in die Spitze. Damit schickte er Beier in einen Zweikampf gegen Buta direkt zum SGE-Tor. Max war zwar noch in Schlagdistanz, kam aber nicht entscheidend in den Zweikampf. Um es kurz zu machen: Es liegt hier ein falsches Zweikampfverhalten von Buta vor. Er sucht hier zu früh Körperkontakt. Er hätte Beier bei Ballannahme mit Distanz verteidigen müssen, um Max überhaupt die Möglichkeit geben zu können, ein wirksames 2 gg. 1 zu stellen. Wir sahen in den letzten Jahren solche Fehler öfter bei Hasebe und auch hier ist es ein Spieler, der kein gelernter IV ist, der den Fehler macht. Das ist aber weder ein systematischer noch ein Kettenfehler, daher zu vernachlässigen.

Das 2:1 des BVB durch Sabitzer hingegen war ein Kettenfehler, allerdings der erste in dieser Saison, der direkt zu einem Gegentor führt (wenn ich nichts übersehen habe).

Sehr gut zu sehen: Der Abstand Tuta-Buta ist etwas zu groß, Chaibi verfolgt Sabitzer nicht, Skhiri deckt einen gegenspielerfreien Raum, so entsteht ein großer freier Abschlussraum am langen Pfosten. Die individuellen Fehler liegen sowohl bei Chaibi (muss an Sabitzer dranbleiben oder klar an Skhiri übergeben), als auch bei Buta, der den Abstand zu Tuta enger halten muss, wobei der BVB hier den gleichen „Trick“ wie die SGE in der Offensive anwendet, nämlich durch extreme Breite in der Spitze (bei dieser Rechtsflanke ist der BVB linksaußen (!) immer noch doppelt (!) besetzt) diese Abstände-Fehler in der Kettenbreite zu provozieren.

Das 2:2 der Dortmunder hingegen war vom BVB stark gestellt, allerdings ging dem Tor wieder eine Halbfeldflanke, wieder von Wolf, voraus, also eine Standardspielsituation, die eigentlich gut zu verteidigen ist. Doch wie kam es dazu, dass Wolf so frei flanken konnte? Wieder spielt Angriffsbreite die entscheidende Rolle:

Durch das zentrale Andribbeln von Reus in den freien Offensivraum (zu viel Freiraum, Skhiri nicht weit genug herausgerückt) bindet der BVB die komplette SGE zentral. Man sieht, wie breit der BVB vorne wieder steht und so ist Wolf rechtsaußen völlig frei. Er bringt dann sofort eine starke Halbfeldflanke (eine der großen Stärken von Wolf). Die SGE schafft hier trotz 5er-Kette keinen Zugriff außen. Die Kette steht in dieser Situation auch kollektiv einige Meter zu weit draußen.

Das ist ein gezieltes Manöver des BVB, der hier die Flanken-Stärke von Wolf ausspielt (zum 2. Mal). Das ist schon schwer zu verteidigen und in der Box stimmt dann auch die Staffelung nicht (zwei Spieler gehen zum Kopfball, der Rückraum ist daher unbesetzt, siehe eintracht.tv ab 10:51). Das ist einerseits einfach gut gestellt von Dortmund, diese Mannschaft gehört nicht umsonst zu den besten vier Teams der Bundesliga, andererseits ist die Box-Staffelung der SGE dann schwach, daran muss gearbeitet werden.

Das 3. Tor des BVB ist kein genuiner Kettenfehler, sondern wird ermöglicht durch einen haarsträubenden individualtaktischen Fehler von Ebimbe, der völlig ohne Not viel zu früh Richtung Adeyemi herausrückt und damit die Außenbahn komplett öffnet und dann von Adeyemi einfach überrannt wird, aber das dürfte jeder im Live-Spiel gesehen haben, daher hier keine genauere Betrachtung. Auch im Sechzehner passieren dann Fehler (Larsson lässt Brandt laufen, Tuta macht den torgefährlichsten Passweg nicht dicht).

Noch zu zwei Leserhinweisen:

Zunächst zur „situativen Viererkette“:

Erstens wurde gefragt, was es mit der „situativen Viererkette“ auf sich hat. Dazu ist zunächst zu sagen, dass Toppmöller, wie hier in einem früheren Beitrag vermutet, das Team Richtung Viererkette, bzw. eben „situativer Viererkette“ weiterentwickelt. Das geht aber langsam vor sich und gegen den BVB schaltete Toppmöller komplett auf Fünferkette, was gegen den BVB, der wie die SGE immer wieder extreme Breite vorne herstellt, auch angezeigt ist. Momentan kommt die „(situative) Viererkette“ eher gegen schwächere Gegner zum Einsatz. So wurde gegen Helsinki z.B. sehr oft mit Viererkette verteidigt, hier ein Beispiel aus der 62. Minute:

Hier die häufig sichtbare 4-4-2-Defensivformation im Helsinki-Spiel.

Situativer war es gegen Hoffenheim. Bei zentralem Aufbau von ganz hinten stellte die SGE ebenfalls eine Viererkette. So etwa in der 16. Minute:

Gut zu sehen die 4-4-2-Formation bei dieser kontrollierbaren Aufbauaktion der TSG.

Das kann situativ von den Schienenspielern zur 5er-Kette ergänzt werden, z.B. bei einer längeren Angriffsphase des Gegners über außen:

Hier gut zu sehen, die ergänzte 5er-Kette.

Das „situative“ ist sicher noch sehr im Fluss und noch nicht fertig automatisiert, Toppmöller lässt auch oft noch aus der Dreierkette + Schienenspieler verteidigen, wie etwa gegen Dortmund, auch hier wird die Dreierkette „situativ“ von den Schienenspielern zur 4er- oder 5er-Kette ergänzt, das war aber schon bei Glasner häufiger zu sehen. Letztlich scheint es aber tendenziell Richtung Viererkette zu gehen. Dass es dabei aber noch zu Konfusion kommt, ist durchaus verständlich, da Toppmöller je nach Gegner mit unterschiedlichen Taktiken herangeht und das Formationsspiel bei ihm auch deutlich fluider ist als bei Glasner.

Die zweite Frage ging Richtung Hrvoje Smolcic,

dessen Leistung gegen Helsinki unterschiedlich bewertet wurde, daher die Frage nach einer analytischen Einschätzung.

Smolcic wirkt in der technisch sehr starken Mannschaft schon aufgrund seiner Statur vielleicht etwas grobmotorisch, aber der Eindruck ist nicht mehr als eben ein Eindruck. Der Spieler ist ein überragender Kopfballspieler und auch ein gut geschulter Boden-Zweikämpfer und Innenverteidiger mit gut ausgebildeten Individual- und Gruppentaktiken. Auch sein Passspiel ist solide. Er ist fußballerisch vielleicht etwas schwächer als Tuta, Pacho und Koch, aber mindestens als Back Up für diese Spieler ist er ein Gewinn. Im Spiel gegen Helsinki war das alles auch gut zu sehen, nur zwei Beispiele, alles weitere würde hier den Rahmen sprengen.

Ein perfektes Beispiel für seine Stärke, auch was Antizipation betrifft, sieht man in der 4. Minute des Helsinki-Spiels. Die SGE verliert den Ball rechts im Aufbau, Helsinki kontert, Smolcic und Koch stehen 2 gg. 2 gegen zwei Finnen. Das ist eine der Situationen, die in der vergangenen Saison sehr zuverlässig zu Gegentoren geführt haben, meist weil Tuta oder noch öfter Hasebe rausgelaufen oder stehengeblieben sind und damit die Passwege zum Tor geöffnet haben, wir haben das hier im Blog in epischer Wiederholung gezeigt. Nicht so Smolcic, ganz im Gegenteil. Er verzögert nicht nur richtig, durch einen Rückwärtslauf, er behält auch die Situation im Blick, indem er sich nie dreht und er positioniert sich auch so, dass er den Passweg in die Spitze dichthalten kann, ohne Koch ganz alleine im 1 gg. 1 stehen zu lassen. Man möge sich das gerne noch einmal bei eintracht.tv ab 11:59 ansehen, das ist wirklich Verteidigerspiel aus dem Lehrbuch und er verhindert hier damit ein mögliches 0:1.

Hier die Einleitung der Aktion, im Bewegtbild ist es noch viel besser zu sehen. Smolcic im Rückwärtsgang, Gegnernähe, Kopf oben, keine Drehung, kein Herauslaufen, gleichzeitig auf Höhe um den Tiefenpassweg zu schließen, erlaubt er seinem Mitspieler (oben Nkounkou) wieder in die Formation zu kommen. Individualtaktische Präzisionsarbeit, in den letzten Jahren bei der SGE alles andere als selbstverständlich.

Und an solchen Szenen sieht man auch, wie man in die Irre gehen kann, wenn man sich zu sehr an Statistiken orientiert. Solche Situationen tauchen als Zahl in keiner Statistik auf, entscheiden aber vielleicht über Gegentor, Ergebnis und Punkte.

Ein zweites Beispiel, nur als Anschauungsunterricht für seine Stärke im Kombinationsspiel wäre die 65. Minute, in der er in eine Pressingfalle der Finnen gerät bzw. ins Pressing überspielende Aufbauspiel der SGE eingebunden und darin spielerisch gefordert ist, auch diese spielerische Passaufgabe löst er ohne Probleme (eintracht.tv ab 21:44). Einen irgendwie wichtigen verlorenen Zweikampf oder ein sonstiges relevantes Fehlverhalten des Spielers konnte ich in den 90 Minuten nicht entdecken. Die Frankfurter Sportjournalismus-Clique scheint sich jetzt auf Smolcic eingeschossen zu haben. Substanz hat das wie üblich nicht.

Im Union-Spiel dann bestätigte Smolcic die Beobachtungen und den guten Eindruck, den wir zuletzt von ihm hatten, hier hatte er in der zweiten Halbzeit sogar eine Passquote von 97 Prozent. Im gleichen Spiel konnte man auch in einigen Sequenzen sehr gut eine weitere Stärke von Smolcic beobachten. Er ist auch organisatorisch stark. Ich empfehle zur Smolcic-Beobachtung bspw. die Sequenz ab 20:05 eintracht.tv bis etwa 20:24. Wer die Möglichkeit hat, kann hier modernes IV-Spiel beobachten, man sieht wie Smolcic die richtige Distanz zum Gegenspieler taxiert, man sieht ihn Schulterblicke machen, Mitspieler in Räume beordern und schließlich, nach abgewehrtem Angriff, gibt er das gestische Kommando, auf einer Höhe herauszurücken.

Das Fazit

Nach dem Wolfsburg-Spiel wurden schon die üblichen Abgesänge verfasst, die fr lag, wie immer und mal wieder, mit allem daneben, was sie über die SGE zusammenreimte: „Der Kontakt nach oben reißt ab. Die Eintracht kann sich, sollte nicht alles täuschen, auf eine Saison im Mittelfeld einstellen. Eine Entwicklung ist kaum zu erkennen.

Die Spiele mit Beteiligung der Hessen ähneln sich frappierend, sie laufen nach Schema F ab, sind nicht wirklich schlecht, aber eher plätschernd, langatmig, einlullend. Und am Ende herrscht, unabhängig vom blanken Resultat, immer so ein bisschen Unzufriedenheit, mal größere und mal kleinere, aber dieses Gefühl: Irgendwas stimmt da nicht, das lässt einen nicht los.“

„Eine Entwicklung ist kaum zu erkennen, irgendwas stimmt da nicht.“ Trifft zu, aber nur für diese Art des „Journalismus“, den wieder einmal „alles getäuscht“ hat.

Bei sgefussballanalyse hieß es damals: „Aus rein analytischer Sicht gibt es wenig Grund zur Sorge, man kann ganz gut sehen, dass Toppmöller mit der Mannschaft arbeitet (…). Im Freiburg- und Wolfsburg-Spiel waren einige Abläufe im Aufbau, aber auch bei den Anspielen in die Spitze schon besser als zuvor, gegen Wolfsburg vergibt die Eintracht in der ersten Halbzeit zwei Großchancen, gegen Freiburg bekommt sie den Elfer zum 1:0 nicht gepfiffen. Besonders wird es darum gehen, noch öfter offensive Außenpositionen anzulaufen und einzusetzen, gerade wenn man viel über eigenen Ballbesitz spielt, ist das ein, vielleicht DAS entscheidende Mittel. (…) Mit etwas Spielglück sollte demnächst auch einmal ein Spiel gewonnen werden können, weit ist das Team davon nicht entfernt.“

Exakt so kam es, insbesondere die Breite in der vorderen Reihe wurde, wie gezeigt, zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Das ist für den Analyseblog erfreulich, noch viel mehr aber für die SGE und ihre Fans. Besonders die enorme Breite in der Spitze, die dadurch immer wieder herstellbaren Gleichzahl- und Überzahlsituationen, die wir in diesem Blogbeitrag als Schwerpunkt gesehen haben, verbunden mit der technischen Passstärke, das extrem starke Positionsspiel – all das konnte man seit Toppmöllers Antritt in der Entwicklung wunderbar beobachten, wir haben das hier von Anfang an begleitet und unabhängig von Ergebnissen darstellen können.

Allerdings muss eben auch gesagt werden, dass das Ganze nach wie vor ein wackliges Gebilde ist. Der kontrollierte Fußball, der Toppmöller vorschwebt, dürfte mittelfristig nachhaltiger sein als das wilde, aggressive Spiel unter Glasner und Hütter, das für die SGE über eine ganze Saison schwerer durchzuhalten und letztlich für die Gegner etwas einfacher zu bekämpfen war, als das deutlich multioptionalere, das die SGE jetzt bei Toppmöller spielt. Dazu kommt, dass die Gegentorschwemme durch Einsatz echter IV eingedämmt wurde. Das ist aber eben alles auch ziemlich voraussetzungsreich und stellt extreme Anforderungen an die technischen Fähigkeiten und Abläufe praktisch aller 11 Spieler. Wir konnten zuletzt mehrfach beobachten, wie sich die Mannschaft auch gegen Angriffspressingmanöver der Gegner mit geplantem Flachpassspiel befreite, selbst Trapp spielte regelmäßig Flachpässe in der Pressingbefreiung. Das ist riskant und kann auch einmal schiefgehen. Gleiches gilt für das Offensivspiel. Union hatte die SGE fast das ganze Spiel über im Grunde recht gut im Griff, wirklich komplett ausspielen konnte die Eintracht Berlin nur ein einziges Mal, nämlich beim zweiten Tor von Marmoush. Das dritte Tor war ein tolle spontane Aktion von Götze und Ferri, das erste ein Standard. Das Spielglück, das der SGE gegen Freiburg, PAOK und Wolfsburg fehlte, hat sie seither in Dosen – das wird aber auch nicht immer so bleiben.

Der aktuelle Kader ist ungefähr so stark wie die der vergangenen Jahre, das Spiel, das Toppmöller fordert und das inzwischen in den Grundzügen gut nachvollziehbar und wirkungsvoll ist, wird aber mit zunehmender Saisondauer auch von den Analysten der Gegner entschlüsselt, die gegnerischen Trainer werden Gegenstrategien entwickeln. Verletzungen, Ausfälle und Abgänge sind in den kontrollierteren Strukturen besser aufzufangen, trotzdem würden Ausfälle oder Formabfälle bestimmter Spieler die SGE derzeit noch ziemlich treffen, gerade bei jüngeren Spielern kann es darüber hinaus immer einmal vorkommen, dass sie gelegentlich in alte, falsche Muster zurückfallen. Bei Tuta haben wir das im Union-Spiel in einem Zweikampf gegen Hollerbach sehen können (er hat das dann aber wieder repariert), kurz: So wenig es nach den Spielen gegen Freiburg und Wolfsburg, die zwar nicht gewonnen wurden, die aber beileibe nicht so schlecht waren, wie es viele sahen, sinnvoll war, den Status Quo einfach unverändert in die Zukunft zu projizieren, so unsinnig ist es jetzt, davon auszugehen, dass das mit den 3:1, 6:0, 2:0, 3:0 etc. immer so weitergeht.

Die Anlagen, um in dieser Saison um Platz 4 mitzuspielen, haben Kader und Trainer, aber die haben eben auch noch fünf andere Mannschaften in der Liga, während drei vermutlich zu stark sind, um mit ihnen irgendwie über eine ganze Saison mitzuhalten. Die große Hoffnung für diese Saison liegt in der anspruchsvolleren, nachhaltigeren Spielanlage, mit der ein krasser Einbruch wie in den letzten Jahren in der Rückrunde etwas unwahrscheinlicher wird, aber auch im guten Coaching von Topmöller.

Womit wir schon beim Ausblick auf den nächsten Blogbeitrag wären: Hier wird es dann um den Spielaufbau, die neue Standardstärke und das Toppmöller-Coaching gehen.

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3 Kommentare

  1. Anonymous sagt:

    Tiptop, danke für die tolle Analyse!

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  2. Anonymous sagt:

    Super, danke!

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